26.10.2007

Gen-Moratorium in Frankreich

Auch die EU bremst erstmals beim Gen-Mais

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat auf dem nationalen Umwelt-Gipfel "Grenelle" ein Gen-Moratorium verkündet.1 Insbesondere wird in Frankreich ab sofort der Anbau der Gen-Mais-Sorte MON810 des US-amerikanischen Agro-Konzerns Monsanto verboten. Der Entscheidung gingen wochenlange Diskussionen über die Umweltschädlichkeit von Mon810 und andere Bt-Sorten voran.

Das Gen-Moratorium wird als Frontbegradigung gewertet, da Sarkozy zugleich der starken französischen Landwirtschafts-Lobby entgegenkam und eine weitere Steigerung des Anteils der Biolandwirtschaft zu bremsen versprach. Wenn nun Kirsten Tackmann für die Fraktion der Linkspartei im Bundestag das Gen-Moratorium Sarkozys mit den Worten lobt "Frankreich geht mit gutem Beispiel voran", ist dies reichlich optimistisch. Übers Ziel schießt sie sicherlich hinaus, wenn sie rät, "Minister Seehofer und Angela Merkel sollten sich ein Beispiel an ihrem konservativen Kollegen aus Frankreich nehmen".

"Schwarz-Rot" verfolgt weiter die Linie der "rot-grünen" Vorgängerregierung, die unter dem Deckmantel "Koexistenz" die Verbreitung der Agro-Gentechnik vorantrieb. Wenn aus den Reihen einiger Umweltverbände verbreitet wird, das von Horst Seehofer novellierte Gentechnik-Gesetz unterscheide sich wesentlich vom Entwurf seiner Vorgängerin Renate Künast, ist dies parteitaktischen Spielchen geschuldet, hat jedoch nichts mit der Realität zu tun.

Erstmals kam es nun auch auf EU-Ebene zu einem Rückschlag für die Gentech-Lobby. Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sprach sich gestern (Donnerstag) dagegen aus, die beiden Gen-Mais-Sorten Bt11(Syngenta) und 1507 (Pioneer/Dupont) für den Anbau in der EU zuzulassen. Ebenso kündigte Dimas an, gegen die Zulassung der Gen-Kartoffel Amflora des Chemie-Konzerns BASF zu stimmen. Er stellt sich damit gegen den Pro-Gentech-Kurs der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Damit erfüllt er erstmals die gesetzlichen EU-Vorgaben bei Gentech-Zulassungen, die die Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips sowie eine umfassende Risikoabschätzung verlangen, berichten die beiden Umweltorganisationen Greenpeace und Global2000.

"Offensichtlich haben schwerwiegende wissenschaftliche Unsicherheiten über die Auswirkungen von Gen-Mais auf die Umwelt die Kommission zu dieser Aussage bewogen", erklärt Jens Karg, Gentechnik-Experte der österreichischen Umweltorganisation Global2000. "Bisher sind zum Anbau in der EU nur die beiden genetisch veränderten Maissorten MON810 und T25 zugelassen", so Karg. "Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn es wissenschaftliche Unklarheiten bezüglich der Sicherheit von Gentech-Pflanzen gibt, sollte die EU in Zukunft immer das Vorsorgeprinzip anwenden, das auch in der EU-Umweltgesetzgebung festgeschrieben ist." Ähnlich reagiert der Gentechnik-Experte von Greenpeace Steffen Nichtenberger: "Die EU-Generaldirektion Umwelt trifft ihre Entscheidung erstmals aufgrund von wissenschaftlichen Beweisen, die zeigen, daß der Anbau beider Gentech-Pflanzen zu schweren Umweltschäden führen kann."

Vorliegende Hintergrundinformationen zu den Gen-Mais-Sorten MON810 und T25 sind äußerst brisant. Die beiden von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas abgelehnten Gen-Mais-Sorten produzieren unterschiedliche Arten eines Insektengiftes, das der in der Erde lebenden Mikrobe Bacillus Thurigensis (kurz Bt) entstammt. Die Gen-Pflanzen sind allerdings auch für nützliche Insekten wie etwa Schmetterlinge oder Bienen giftig und können zudem negative Langzeitauswirkungen auf Ackerböden und Fließgewässer haben. "Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß die Auswirkungen von Bt-Mais nicht vorhersehbar sind und der potentiell entstehende Schaden größer ist als bisher geglaubt", erklärt Karg. Eine Studie komme zum Ergebnis, daß Bt-Pflanzen schwere Schäden in aquatischen Ökosystemen anrichten können, da Pollen und Ernteabfälle der Pflanzen in Gewässer gelangen können und für dort vorkommende Lebensformen giftig sind.

Als ein weiteres Problem hat sich gezeigt, daß die Menge an Bt-Gift, die diese Pflanzen produzieren, stark schwankt. Diese Schwankungen sind einerseits abhängig vom Anbauort, zeigen sich aber auch bei Pflanzen, die nebeneinander auf demselben Feld stehen. Die Ursache dafür ist bislang unbekannt. Greenpeace wirft daher die Frage auf, ob die Umweltauswirkungen von Bt-Giften derzeit überhaupt abgeschätzt werden kann.

"Der Vorstoß der EU-Kommission stellt sich außerdem gegen die Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die bisher die Unbedenklichkeit der zugelassenen Sorten garantiert hat", so Karg. Die EFSA war es auch, die das Gentechnik-Verbot in Oberösterreich als nicht gerechtfertigt abgelehnt hatte. Das Argument der EFSA war im Jahr 2003, daß die vorgelegten Beweismittel "keine neuen wissenschaftlichen Nachweise" für eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt enthalten hätten. Zugleich jedoch hatte die EU im Gentechnik-Rechtsstreit mit der WTO damit argumentiert, daß Bt-Pflanzen aufgrund der lückenhaften Informationen nicht angebaut werden sollten.

Es muß jedoch damit gerechnet werden, daß der Agro-Industrie nahe stehende EU-KommissarInnen wie beispielsweise Günther Verheugen oder Mariann Fischer Boel weiterhin Druck ausüben, um den Interessen von Monsanto, Syngenta und Co. zum Durchbruch zu verhelfen. Zudem drohen die USA - gestützt auf das Urteil der WTO - mit Handelssanktionen in der Größenordnung von 400 bis 600 Millionen US-Dollar.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Sarkozy sagte wörtlich: "Die Wahrheit ist, daß wir Zweifel am tatsächlichen Nutzen von GVO haben. Die Wahrheit ist, daß wir Zweifel haben am Gewinn für Gesundheit und Umwelt." Konkret verfügte der französische Präsident ein Anbau-Moratorium. Bislang wurden in Frankreich lediglich rund 20.000 Hektar des Monsanto-Mais MON810 angebaut, was weniger als ein Prozent der gesamten Maisanbaufläche entspricht. Die Entscheidung Sarkozys wird insbesondere als Erfolg des französischen Umwelt-Instituts Criigen gewertet, das kritische wissenschaftliche Studien zu Bt-Mais lieferte.

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