9.07.2006

"Koexistenz"
stellt sich immer klarer
als Illusion heraus

Gen-Moratorium gefordert

Jüngst sorgte CSU-Generalsekretär Markus Söder für Aufregung in den Reihen der Gentechnik-Lobby. Er hatte sich in einem Gastbeitrag im Berliner 'Tagesspiegel' für ein "Moratorium bei der grünen Gentechnik" ausgesprochen. So schrieb er: "Doch noch sind rund 80 Prozent der Menschen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel. Ohne breite Akzeptanz jedoch wird grüne Gentechnik nicht funktionieren. (...) Als Vorbild könnte hier die Schweiz dienen, die einen fünfjährigen Aufschub für Gentechnik in der Landwirtschaft beschlossen hat." Söders Vorschlag hat jedoch einen Pferdefuß: So soll der Anbau genmanipulierter Pflanzen "zu wissenschaftlichen Zwecken" nach seinen Vorstellungen weiterhin erlaubt sein. Was jedoch alles als zu "wissenschaftlichen Forschungszwecken" deklariert werden kann, zeigt sich beispielsweise an den Fangquoten isländischer und japanischer Walfang-Flotten.

Genfood in der Defensive

Bemerkenswert ist an diesem und ähnlichen Vorstößen der letzten Wochen, daß die Befürworter der Gentechnik, zu denen Söder erkennbar weiterhin zählt, in die Defensive geraten sind. Immer mehr Fakten sind nun auch in Mainstream-Medien veröffentlicht worden, die klar erkennen lassen, daß eine sogenannte Koexistenz zwischen Gentech-Landwirtschaft auf dem einen Feld und herkömmlicher Landwirtschaft auf dem anderen, eine gefährliche Illusion ist.

Verbreitung von Gen-Mais durch Landmaschinen

Am 28. Juni erschien in der 'Frankfurter Rundschau' ein Artikel, in dem offengelegt wurde, wie problematisch die gemeinsame Nutzung beispielsweise von Mähdreschern bei der Ernte von Gen-Mais und herkömmlich angebautem Mais - sei es mit Pestiziden oder in Bio-Anbau - ist. Trotz ständiger Reinigungen ist eine Vermischung nicht zu vermeiden. Darüber hinaus sind die nötigen Reinigungen unpraktikabel und verteuern die Ernte in eklatanter Weise. Die im Artikel genannten Kosten von bis zu 2000 Euro pro Reinigung werden in der Bauernschaft für Gesprächsstoff sorgen. Und selbst mit aufwendigen Reinigungen zwischen den Ernteeinsätzen kann die Verschleppung von Gen-Mais nicht völlig vermieden werden. Allenfalls ein Gen-Mais-Anteil unter 0,9 Prozent könne so garantiert werden. Lebensmittelverarbeiter und Mühlen jedoch akzeptieren Mais jedoch nur dann als Bio-Mais und sind bereit höhere Preise zu zahlen, wenn die Gen-Verunreinigung unter einem jeweiligen Schwellenwert von 0,1 Prozent oder 0,3 Prozent liegt. Solche Werte sind jedoch selbst bei zweistündigen Reinigungen von Mähdreschern nicht zu erzielen. Und selbst bei einer Schnellreinigung steigen die Erntekosten um rund 150 Prozent. Dabei bleibt auf Grund der vagen Bestimmungen des geltenden Gentechnik-Rechts offen, wer für diese zusätzlichen Kosten aufzukommen hat. In Deutschland werden 80 bis 90 Prozent der Felder von gemeinsam genutzten Mähdreschern abgeerntet.

Kennern der landwirtschaftlichen Praxis war bereits seit Jahren klar, daß ein Nebeneinander von Gentech-Landwirtschaft und herkömmlicher Landwirtschaft niemals funktionieren würde. Die Mitinitiatorin der Unterschriften Kampage 'Pro Gen-Moratorium', Ute Daniels, wies bereits in einem Artikel am 18.06.2003 darauf hin, daß die sogenannte Koexistenz zu unüberwindlichen Problemen bei der Nutzung von Erntemaschinen führt: "Wie BBC-online vermeldet, ist inzwischen nachgewiesen, daß sich Gen-Pflanzen auch durch Anhaftungen von Samen an landwirtschaftlichen Maschinen über weite Strecken verbreiten können. Laut einer französischen Studie ist diese unkontrollierte Verbreitung sogar gravierender als die durch Pollenflug, dessen Auswirkung in einer deutschen Risiko-Studie untersucht wurde. Sowohl mit dieser als auch der neueren Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Lille, die eine Ausbreitung genmanipulierter Pflanzen über mehr als 1,5 Kilometern vom ursprünglichen Feld entfernt nachweisen konnte, wird die bislang von der Politik vertretene Philosophie der Sicherheitsabstände vollends obsolet."

Pollenflug und Verbreitung durch Bienen

Ebenfalls in jüngster Zeit wurde eine Untersuchung des Umweltinstituts München bekannt laut der genmanipulierter Mais gentechnikfreie Pflanzen "weitaus stärker und über wesentlich größere Distanzen als bislang propagiert" verunreinigt. Der bayerische Landwirtschaftminister Miller mußte diese Ergebnisse im Juni in Freising bekannt geben. Wissenschaftler äußerten bereits die Hoffnung auf ein Umdenken innerhalb der CSU.

Tatsächlich hatte der Bericht bereits im Frühjahr veröffentlicht werden sollen, war aber nach Darstellung des Umweltinstituts "auf Grund der brisanten Ergebnisse monatelang zurückgehalten worden". Die bayerische Staatsregierung müsse nun einräumen, daß Kontamination über Pollenflug in einem viel weiteren Radius stattfände "als Gentechnik-Befürworter in Industrie und Politik bislang zugeben wollten".

"Zu der Erkenntnis, daß Pollen weiter fliegen, hätte man auch kommen können, ohne die Umwelt mit transgenem Material zu verschmutzen", kritisiert Andreas Bauer vom Umweltinstitut München. "Aber wenigstens gibt es jetzt einen Beweis dafür, daß die angestrebte Koexistenz insbesondere für unsere bäuerliche Landwirtschaft nicht möglich ist." Es gehe nicht darum, ob der Sicherheitsabstand 20, 200 oder 2000 Meter betrage, so Bauer. "Die CSU muß ihren Eiertanz jetzt beenden und für alle Zeiten aus der Genmanipulation aussteigen."

Ergebnisse des "Erprobungsanbaus" haben außerdem auch gezeigt, "daß Honig und Pollen in weit höherem Maß Maispollen enthalten als bisher vermutet". In 35 von 36 Proben hätten Maispollen nachgewiesen werden können. Zwei Pollenproben hatten sogar die Kennzeichnungsschwelle überschritten und waren zu 5 Prozent mit genverändertem Material belastet.

Walter Haefeker, Berufsimkers vom Vorstand des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes erklärte zu diesen Ergebnissen: "Die wenigen Studien über die Gefährlichkeit von Gen-Pflanzen für Bienen zeigen, daß die Tiere geschädigt werden und die Zukunft der Imkerei somit bedroht ist. Die Aussagen der bayerischen Staatsregierung, eine Schädigung von Bienen sei wissenschaftlich widerlegt, sind eine Farce." Haefeker konstatiert: "Politik und Industrie haben die Ergebnisse einfach uminterpretiert."

Zweckdienliche Illusionen

Offenbar wurde die Illusion, "Koexistenz" sei praktikabel, mit dem Zweck verbreitet, Akzeptanz für die "grünen Gentechnik" zu schaffen. Inzwischen distanzieren sich auch die "Grünen" im Bundestag von dieser zwischen 1998 und 2005 maßgeblich von der damaligen Ministerin Künast betriebenen Politik. Ende Juni reichte die "grüne" Bundestagsfraktion einen Antrag ein, der das von CSU-Generalsekretär Söder ventilierte 5-jährige Gen-Moratoriums aufgreift.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel

      Koexistenz hat sich in Kanada
      als nicht praktikabel erwiesen (11.07.06)

      Koexistenz ist nicht möglich
      - Greenpeace-Report: »Impossible Coexistance« (9.04.06)

      Monsanto knebelt US-Landwirtschaft (26.04.05)

      Gen-Pflanzen
      Streit vor Kanadas höchstem Gericht (1.08.03)

 

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