19.07.2004

Artikel

Radioaktiver Müll
soll Fakten schaffen

Zerlegtes AKW Mülheim-Kärlich nach Gorleben?

Erst vor einer Woche hatte Atom-Minister Trittin für Wut und Empörung im Wendland gesorgt, weil er per Veränderungssperre versuchen will, Gorleben als atomares Endlager offen zu halten1. Schon seit Jahren werden abgebrannte Brennelemente aus den deutschen AKWs - direkt und über den Umweg der WAAs LaHague oder Sellafield - ins Zwischenlager bei Gorleben transportiert. Nun sollen auch 87 Tonnen Trümmer des zum Abriß bestimmten AKW Mülheim-Kärlich ins Gorlebener Zwischenlager verfrachtet werden. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg fürchtet, daß mit der Lagerung immer größerer Mengen radioaktiven Mülls Fakten geschaffen werden.

Nur wenigen sei bekannt, so die Bürgerinitiative, daß die heran transportierten Behälter mit dem radioaktiven Müll in einer grün angestrichenen Lagerhalle rund einen Kilometer vom Gorlebener Salzbergwerk entfernt abgestellt sind. Dort müssen sie zunächst über einen längeren Zeitraum abkühlen. Erst dann kann der Müll in kleinere Behälter umgeladen werden. Die technischen Voraussetzungen hierzu sind bis dato noch gar nicht verfügbar. Das Umladen ist jedoch unabdingbar, da die großen und schweren Transportbehälter nicht in den Salzstock hinabgelassen werden können. In der Öffentlichkeit jedoch verfestige sich in Folge einer verzerrten Darstellung2 durch die Massenmedien das Bild, Gorleben sei bereits das "Atomklo Deutschlands".

Unmut weckt zudem der Versuch Jürgen Trittins, Abschaltung und Abriß des AKWs Mülheim-Kärlich als Erfolg des rot-grünen "Atomausstiegs" darzustellen. So war in einer Pressemitteilung aus dem Hause Trittin vom 16. Juli zu lesen: "Der Atomausstieg hatte verhindert, daß Mülheim-Kärlich als 20. AKW seinen Betrieb wieder aufgenommen hatte." (Der Fehler im letzten Wort entspricht dem Original-Text). Tatsache ist, daß Mülheim-Kärlich bereits 10 Jahre vor Antritt der rot-grünen Bundesregierung, 1988, nach nur 13 Monaten Laufzeit per Gerichtsbeschluß stillgelegt wurde.

Nachdem nun am vergangenen Freitag die rheinland-pfälzische SPD-"Umwelt"-Ministerin Margit Conrad die erste Abrißgenehmigung erteilt hat, kündigte der Eigentümer RWE an, in den nächsten Tagen mit der Arbeit zu beginnen und den schwach- bis mittelradioaktiven Müll umgehend nach Gorleben zu schaffen. Die Wendländer reagierten darauf mit der Ankündigung des bekannten Widerstandes. Laut BI Lüchow Dannenberg zeige sich wieder einmal überdeutlich, wie planlos und verworren die "Entsorgungspolitik" sei. In Mülheim-Kärlich ist ein Zwischenlager beantragt. Warum der Müll trotzdem quer durch die Republik nach Gorleben rollen soll, sei für die BI nicht nachvollziehbar. "Die Ankündigung Jürgen Trittins, durch den Bau von AKW-standortnahen Zwischenlagern würden innerdeutsche Atommülltransporte vermieden, erweist sich damit als Farce", erklärt BI-Sprecher Francis Althoff. Zudem verschweige die Bundesregierung, daß für schwach- bis mittelradioaktiven Atommüll bislang überhaupt kein nachvollziehbares Lagerkonzept vorliegt.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unseren Artikel
    'Trittin hält Gorleben offen' (10.07.04)

2 Siehe auch unsere Artikel
    'Zwischenlager +++ Salz +++ Ende' (25.11.03)
und
    'Besetzung in 840 Meter Tiefe' (4.09.03)

 

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