13.12.2004

Öko-Institut
orientiert sich ökonomisch

Solar-Pionier Hermann Scheer enthüllt eine Öko-Atom-Connection

Steht das "Öko" im Namen des Öko-Instituts1 für Ökologie oder für Ökonomie? Diese Frage scheint sich der Solar-Pionier und SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer inzwischen zu stellen. Jedenfalls präsentiert er in seinem in der heutigen 'taz' veröffentlichten Kommentar Fakten, die eine Antwort vorwegnehmen.

Dennoch erachtet er nach wie vor das "rot-güne" Erneuerbare-Energien -Gesetz (EEG) als Fortschritt, obwohl dieses den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, der Biogas-Gewinnung und der Klein-Wasserkraftwerke blockiert. Lediglich die Zuwächse beim Ausbau der Solarenergie, die dennoch weiterhin ein Nischendasein fristet, scheint er wahrnehmen zu wollen. Ebensowenig die immer nur von "Rot-Grün" versprochene, aber nie realisierte Förderung des Energiesparens. So ist es auch nicht verwunderlich, daß Scheers Kommentar mehr von dessen Verwunderung als von Erkenntnisgewinn zeugt. So recht mag er an die von ihm selbst an Hand der Fakten aufgezeigte Wandlung des Öko-Instituts vom Paulus zum Saulus nicht glauben.

Scheer stellt fest, daß sich das Ende der 70er Jahre in Freiburg aus der Antiatombewegung und im Kampf gegen ein AKW in Wyhl gegründete Öko-Institut ins Lager der Institute eingereiht hat, die einen Handel mit Zertifikaten für erneuerbare Energien als "marktkonformere" und "effektivere" Alternative priesen. Diese durchweg von der Atom-Mafia gesponsorten Institute arbeiten, wie Scheer durchaus richtig erkennt, auf eine Abschaffung des EEG hin. Dennoch kann das EEG nur mit Hilfe von Schwarz-Weiß-Malerei in positivem Licht erscheinen. Tatsächlich zementiert das EEG einen seit Jahren bestehenden Status Quo, während die Atom-Mafia ein Roll-Back versucht - auch mit der Durchsetzung des Euro-Reaktors2. Und auch durch die Einführung des Klima-Zertifikat-Handels3 gelang es Strom-Konzernen und Industrie, sich ein Öko-Image zu verschaffen und zugleich von Einschränkungen bei der Kohlendioxid-Emission zu befreien.

Scheer schreibt über diese Propagandisten des Handels mit Zertifikaten für erneuerbare Energien: "Sie alle vermeiden bei ihrer Kampagne eine generelle Absage an erneuerbare Energien - denn das würde nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Stattdessen wird das EEG als Verstoß gegen das Marktprinzip gebrandmarkt..."

Als Kenner seines Metiers verweist Hermann Scheer auf Zusammenhänge, die sonst kaum ans Licht der Öffentlichkeit gelangen: Nicht nur die europäischen Strom-Konzerne, vereint in der 'Union of the Electricity Industry' (Eurelectric) sondern auch die Generaldirektion Energie der EU-Kommission drängt darauf, das EEG, "dieses Erfolgsmodell" wie Scheer unermüdlich predigt, zu beerdigen. Und - hier kommt Scheer an den wunden Punkt - dafür haben sie nun "einen zusätzlichen Lautsprecher" (Zitat Scheer) in Gestalt des 'Renewable Energy Certificate System' (Recs) gefunden. 'Recs' wurde vom Öko-Institut initiiert und wird von diesem gelenkt.

In trauter Einigkeit haben sich nun - so enthüllt Scheer - in einer gemeinsamen Stellungnahme 'Eurelectric' - also Strom-Konzerne - und 'Recs' - also Öko-Institut - gegen "regulierte Einspeisetarife", also gegen das EEG, ausgesprochen. In diesem Papier wird ausdrücklich auf die anstehende Revision der EU-Richtlinie Bezug genommen, "deren Ergebnis unserer Meinung nach von allergrößter Wichtigkeit ist". Auch Steuerbefreiungen für erneuerbare Energien werden darin unisono abgelehnt.

Als Begründung für ihre gemeinsamen Positionen führt die bizarre Öko-Atom-Connection an: Konzepte wie das EEG "verzerren die Funktionsweise des Strommarktes" und "bieten nicht die besten Anreize für kosteneffiziente Entscheidungen". Beides ist sicherlich richtig. Aber klar ist auch, daß bei kosteneffizienten Entscheidungen - und solange die Anschub-Finanzierung für die Atomtechnologie außen vor bleibt - Ökologie und erneuerbare Energien völlig den Bach runter gehen.

Ziel dieser Öko-Atom-Connection ist es, "so schnell wie möglich" ein "vollkommen harmonisiertes europaweites System" des Zertifikatshandels einzuführen (Zitate nach H. Scheer). Und zu allem Überfluß präsentiert Scheer als Schmankerl, daß die Konzerne EdF, E.on und RWE, die europaweit zu den größten AKW-Betreibern zählen, namentlich als Partner von 'Recs' aufgeführt sind.

Bemerkenswert ist auch die Verwunderung, mit der Hermann Scheer die übliche EU-bürokratische Kungelei zur Kenntnis nimmt:

'Eurelectric' und 'Recs' "begrüßen" in ihrer Erklärung "das Ergebnis der Auswertung", das offiziell noch nicht vorliegt. Sie scheinen schon zu wissen, daß darin die EU-Kommission das EEG zum Auslaufmodell verdammen wird. Beide neuen Partner favorisieren "strongly" die so genannte "marktorientierte Lösung zur Förderung erneuerbarer Energien". Schon hat das die EU-Kommission aufgegriffen, wie nach dem Muster einer konzertierten Aktion: Auf ihrer Homepage, in der sie über die noch geltende EU-Richtlinie informiert, gibt es einen einzigen Querverweis: auf ebendiese Stellungnahme von Eurelectric und Recs. (Abschnitt aus dem Kommentar von Hermann Scheer)

Auf der Suche nach Gründen für diesen auf den ersten Blick verwunderlichen Kurswechsel des Öko-Instituts wird Scheer fündig: Mit dem von ihm betriebenen 'Recs' zielt das Öko-Institut nun offenbar darauf ab, die Zertifizierung von Anlagen zur Institutsaufgabe zu machen. Wer seine Anlagen zertifizieren muß, kommt nicht umhin, dafür auch zu bezahlen. Das Einspeisekonzept kommt hingegen ohne Zertifikate und ohne Zertifizierungs-Institut aus. Und der Geschäftsführer des Ökostrom-Anbieters 'Greenpeace Energy' erklärt ganz unverblümt, das Öko-Institut verspreche sich vom 'Recs'-Handel einen enormen Geschäftsbereich. Die Ökonomie ist das, was zählt.

Vor diesem tristen Resümee schreckt Hermann Scheer denn doch zurück und so fragt er:
"Kann das Öko-Institut politisch so naiv sein...?"

 

Frank Bayer

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel
      Öko-Institut schadet Schweizer Atomkraft-GegnerInnen (3.02.04)

2 Siehe auch unsere Artikel
      EdF beschließt neuen Reaktor-Standort (21.06.04)

      1,23 Milliarden Euro für die arme Atom-Industrie (24.07.04)

3 Siehe auch unsere Artikel
      "renewables 2004" - Nichts als heiße Luft (5.06.04)

      Rot-Grüne Klimapolitik? (5.06.04)

      Das Emissions-Theater der "rot-grünen" Klima-Terroristen
      (30.03.04)

 

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