6.10.2007

Plünderung der Ozeane
nahezu vollendet

WWF zieht negative Bilanz der EU-Politik

Jahrelang gab die Europäische Union vor, die Plünderung der Ozeane stoppen zu wollen. Tatsächlich jedoch ist es auch hier so wie in vielen anderen Bereichen der Politik: Schein und Sein stimmen nicht miteinander überein. Fünf Jahre nach einer "Reform" der europäischen Fischereipolitik gelten 80 Prozent der Fischbestände vor den Küsten Europas als bis an die biologischen Grenzen befischt oder überfischt.

Ursachen sind laut einer neuen WWF-Studie zu hohe Fangquoten, eine zu große Fangflotte und ein mangelhaftes Fischerei-Management. "Die EU hatte sich 2002 vorgenommen, die Situation von Kabeljau, Thunfisch und Co deutlich zu verbessern. Heute ist das Gegenteil der Fall. Kurzfristige nationale und wirtschaftliche Interessen verhindern, daß die Plünderung der Ozeane gestoppt wird", bilanziert WWF-Expertin Karoline Schacht.

Jährlich fangen die 25 EU-Länder mit 90.000 Booten knapp sieben Millionen Tonnen Fisch, vor allem im Atlantik und im Mittelmeer. Nicht nur in den traditionellen Fanggründen, sondern von den tropischen bis zu den polaren Meeren sind die Fischbestände durch die industriellen Fischfang-Flotten auf weniger als 10 Prozent gesunken. Viele große Fischarten sind nicht nur in ihrem Vorkommen stark rückläufig, sondern unter dem Fang-Druck ist auch die durchschnittliche Größe erheblich geringer geworden. In vielen Fällen stehen Fischbestände unter so intensivem Fang-Druck, daß die Fische nicht einmal das für die Fortpflanzung erforderliche Alter erreichen.

Der Aufwand für die hochindustrialisierten Fischerei-Flotten wird immer höher, desto weniger Fische es gibt. Doch statt den Beständen Zeit zu geben sich zu erholen, werden Satelliten, Sensoren und bis zu 100 Kilometer lange Fangleinen mit rund 1000 Haken eingesetzt, um die letzten verbliebenen Fische zu fangen. Eigner kleiner Fischkutter haben dagegen ebenso wenig eine Überlebens-Chance wie die Fischbestände. Dies zeigte sehr eindringlich der Dokumentar-Film "We feed the world", der vor einem Jahr mit überraschend großem Erfolg in den Kinos lief.

In den kommenden Wochen und Monaten legt die EU die Fangquoten für 2008 fest. Der WWF fürchtet, daß diese erneut zu hoch ausfallen werden. Zur Halbzeit der bis 2012 laufenden Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) zieht der WWF-Report Bilanz. Brüssel habe 2005 und 2006 in der Regel die Quoten-Vorgaben des Internationalen Rates zur Erforschung der Meere (ICES) ignoriert. So hätten die ICES-ExpertInnen 2006 empfohlen, den Fang des gefährdeten Nordsee-Kabeljaus und des Dorsches in der östlichen Ostsee ganz zu stoppen. Brüssel habe trotzdem Fangmengen von 20.000 beziehungsweise 40.000 Tonnen beschlossen. "Der Erholungsplan für die Nordsee wurde nicht umgesetzt, der Kabeljau ist weiter auf dem Rückzug", so bilanziert WWF-Expertin Karoline Schacht.

Die EU-Fischereiflotte ist laut WWF viel zu groß. Dennoch haben die EU-Staaten von 2000 bis 2006 über 855 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung der Flotte gesteckt. Das sei fast doppelt soviel, wie in die Abwrackung alter Schiffe geflossen ist, kritisiert der WWF. Der aktuelle Streit um die illegalen Dorschfänge Polens zeige zudem die Grenzen der EU-Politik. "Auf See geht es oft zu wie im Wilden Westen. Illegale Fischerei gilt vielen als Kavaliersdelikt, die Kontrollen sind halbherzig, die Strafen zu gering", so Schacht. Ähnlich sei die Situation beim Roten Thunfisch im Mittelmeer. Hier hat die EU jedoch immerhin ein Rechtsverfahren gegen sieben Länder eingeleitet, die ihre Fänge nicht gemeldet haben. Ob dies allerdings als Hoffnungsschimmer für die laufenden Verhandlungen zu den EU-Fangquoten zu werten ist, erscheint als recht zweifelhaft.

Nach wie vor gilt der von Herbert Gruhl bereits 1975 in seinem Buch "Ein Planet wird geplündert" veröffentlichte Satz: "Jede Periode enthält nach Hegels Wort schon den Keim zu ihrem Gegensatz in sich. Dieser Gegensatz ist längst nicht mehr der zwischen östlichem Kommunismus und westlichem Kapitalismus; denn beide sind am Ende. Sie werden beide durch ein neues Prinzip abgelöst werden - die Frage ist nur, ob dies unter dem Zwang der Naturgesetze (durch Katastrophen) geschieht oder aufgrund menschlicher Einsicht."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      Mittelmeer-Delphin kurz vor der Ausrottung
      Auch das Mittelmeer wird leergefischt (2.07.07)

      Ozeane kurz vor dem Arten-Kollaps
      Plünderung seit Jahren unvermindert (7.06.07)

      Fast alle Walfang-Nationen fälschen die Zahlen (24.05.05)

      UNO-Bericht: Ein Planet wird (weiter) geplündert (31.03.05)

      EU-Flotte darf Fischgründe um Azoren plündern
      Weltnaturerbe in akuter Gefahr (14.07.04)

      Betrug mit "delphinsicher" gefangenem Thunfisch
      Gutachter auf Fangschiffen für Thunfisch häufig bestochen
      (11.05.04)

      Raubbau an den Fischbeständen ungebremst (20.10.03)

      Ozeane bald leer gefischt (26.05.03)

 

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