12.07.2012

Bundessozialgericht zu Hartz IV:
"verfassungskonform"

Menschenunwürdig Im Gegensatz zu einem Urteil des Berliner Sozialgerichts vom April entschied das Bundessozialgericht in Kassel, der derzeit gültige ALG-II-Satz (374 Euro) decke das Existenzminimum. Daher sei das im Volksmund als "Hartz IV" bezeichnete Almosen- und Schikanierungs-Reglement "verfassungskonform".

Die Klage einer Hartz-IV-Betroffenen aus dem Rhein-Neckar-Kreis, die damit begründet war, die Höhe der ALG-II-Zahlungen sei "nicht in verfassungswidriger Weise festgelegt worden", wies das Bundessozialgericht zurück (AZ: B 14 AS 153/11 R). Ausdrücklich bescheinigte Peter Udsching, Vorsitzender Richter des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), am Donnerstag in Kassel dem von "Rot-Grün" im Jahr 2004 eingeführten und nach dem Schröder-Spezi und VW-Manager Peter Hartz benannte Almosen- und Schikanierungs-Reglement "verfassungskonform" zu sein. Die Klägerin hatte sich darauf berufen, daß der seit der Einführung zum 1. Januar 2005 real immer weiter abgesenkte Regelsatz nicht ihr Existenzminimum decke.

Der sogenannte Regelsatz (nach dem die Zahlungen für "Bedarfsgemeinschaften", Kinder und Jugendliche entsprechend absurden Prozent-Tabellen pauschal berechnet werden) wurde am 1. Januar 2005 auf 345 Euro festgesetzt. Unter Einberechnung der offiziellen Inflationsrate müßte dieser Regelsatz heute 388 Euro betragen. Damit wäre keine reale Erhöhung verbunden, sondern es würde lediglich der Kaufkraftverlust ausgeglichen. Eine entsprechende Berechnung ist in der folgenden Tabelle in der Spalte "Null-Runden" eingetragen:

Die Entwicklung von Hartz IV

Tatsächlich jedoch lagen die nominalen Erhöhungen jedes mal unter der Inflationsrate (rote Zahlen der rechte Spalte). Dies bedeutet, daß der ALG-II-Satz und damit die Zahlungen an die Betroffenen Jahr für Jahr real gekürzt wurden. Da es für viele Menschen schwer verständlich ist, daß es sich um Kürzungen handelte, wenn die Regierung und die Mainstream-Medien Erhöhungen verkündeten, war der Widerstand in den vergangenen Jahren gegen diese Form verdeckten Sozialabbaus entsprechend gering. Auch von den Gewerkschaften bekamen die "Hartz-IV"-Betroffenen allenfalls warme Worte zu hören, wurden jedoch in den vergangenen sieben Jahren im Regen stehen gelassen.

Auch die Vorinstanz, das Landessozialgericht Baden-Württemberg, hatte die Klage der Frau aus dem Rhein-Neckar-Kreis abgewiesen. Das BSG sah in seinem Urteilsspruch am Donnerstag "keinen Anlaß" das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Das BSG kanzelte auch das Urteil des Berliner Sozialgerichts (Siehe unseren Artikel vom 25.04.12) ab und beschied, deren Argumente könnten "nicht überzeugen". Offensichtlich ist die "Lebenswirklichkeit" von RichterInnen, die monatlich rund 10.000 Euro verdienen eine andere als die von Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter.

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Panik-Aktion
      EZB senkt Leitzins unter 1 Prozent (5.07.12)

      IG Metall Pilot-Tarifabschluß
      Eis in der Sonne (20.05.12)

      Berliner Sozialgericht
      Hartz IV ist nicht menschenwürdig (25.04.12)

      Verschärfung beim Sozialabbau
      Mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Betroffene (11.04.12)

      Weltwirtschaftskrise
      Deutschland ein Stück tiefer im Sog (28.03.12)

      Erneut Rentenkürzung
      Inflation bei über 2,5 Prozent (13.03.12)

      Sozialabbau trifft Frauen härter
      Was gibt's Neues zum Internationalen Frauentag? (8.03.12)

      Was macht den Menschen gierig?
      "Denn wo dein Schatz ist..." (27.02.12)

      Banken bekommen
      zweites Griechenland-Hilfspaket (21.02.12)

      Welche Pläne hat GM mit Opel?
      Verkauf oder Kaputtsanierung? (16.02.12)

      Studie zu "Babyboom"-Jahrgängen
      Besonders Frauen erwartet Altersarmut (15.02.12)

      Belgien: Generalstreik gegen Sozialabbau
      richtet sich gegen EU-Regierungen (30.01.12)

      Hartz IV
      Kafkaeske Situation beim Sozialgericht (12.01.12)

      OECD-Bericht
      Kluft zwischen Arm und Reich wächst (5.12.11)

      Reallöhne in Deutschland sinken weiter
      Zuwächse von Inflation ausgefressen (5.11.11)

      Renten: Minus auch in 2012
      Inflation offiziell bei 2,5 Prozent (28.10.11)

      Schuldenkrise in den USA
      Kampf zwischen Elefant und Esel? (15.07.11)

      Trotz Lohnerhöhungen:
      Inflation bewirkt Minus (6.07.11)

      Sozialabbau -
      Renten seit 2001 real gekürzt (5.07.11)

      Sozialabbau: Bufdis
      bekommen weniger als Zivis (30.06.11)

      Bundestagsabgeordnete wollen
      mehr Diäten (27.06.11)

      Starke Zunahme von "400-Euro-Jobs"
      von "Rot-Grün" verursacht (27.04.11)

      Frauen in Konzern-Vorstände?
      Die realen Probleme bleiben ausgeblendet (8.03.11)

      Verfassungsgericht:
      Einführung von Hartz-IV war grundgesetzkonform (29.12.10)

      Discounter Lidl für 10 Euro Mindestlohn
      Einzelhandel fürchtet Ost-Konkurrenz (21.12.10)

      Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs?
      Der Zweck ist Lohndumping (15.11.10)

      Real über 9 Millionen Arbeitslose
      Die Tricks der Bundesregierung (28.10.10)

      Von der Leyens Hartz-IV-Reform:
      Nominal 5 Euro Plus ab 2011 - real ein Minus (26.09.10)

      50 Milliarden Euro
      für Subventionierung des Niedriglohn-Sektors (13.08.10)

      Von der Leyens Hartz-IV-Reform
      Erneuter Sozialabbau trotz Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
      (2.08.10)

      Pisa 2010 und die Schere
      zwischen Arm und Reich (23.06.10)

      Ausgepreßt
      Sozialabbau schwarz-gelb (7.06.10)

      Rente wird gekürzt
      "Nullrunde" heißt Minus (16.03.10)

      Hartz-IV-Regelsätze verfassungswidrig
      Herbe Niederlage für "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" (9.02.10)

      DIW-Studie zum Vermögen in Deutschland
      Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter (19.01.10)

      Bilanz von fünf Jahren Hartz IV
      Repression als "Arbeitsmarkt-Reform"
      Niederiglohn-Sektor massiv ausgeweitet (19.12.09)

 

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