11.03.2005

Artikel

Widerstand gegen Hartz IV wächst

Ombudsrat gesteht "Probleme" ein

Mit der relativ geringen Inanspruchnahme des "Ombudsrats" zu Hartz-IV versuchte die frühere Familienministerin Christine Bergmann, inzwischen Mitglied im Ombudsrat, die Probleme aktuell herunterzuspielen. Bei insgesamt 2,8 Millionen Hartz-IV-Bescheiden habe es nur 20.500 Beschwerden und Eingaben beim Ombudsrat gegeben. Dies mag allerdings eher damit zusammenhängen, daß sich die Betroffenen von diesem Gremium keine Hilfe versprechen. Immerhin gab es in den nunmehr knapp zehn Wochen seit der Einführung von Hartz IV insgesamt 197.000 Widersprüche gegen die Bescheide. Und nach Auskunft von ExpertInnen sind 80 bis 90 Prozent der Bescheide falsch.

Allerdings deutet viel darauf hin, daß bei vielen der falschen Bescheide auf Weisung von oben bewußt großzügig entschieden wurde, um so dem Widerstand gegen Hartz IV Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch nach einer vorläufigen, allein psychologischen Gründen geschuldeten, Duldung bei der Anspruchnahme "unangemessenenen" Wohnraums, wird es nach und nach zu einer immer größeren Zahl von Aufforderungen zur Suche nach einer kleineren Wohnung und zur Überprüfung von "Bedarfsgemeinschaften" kommen. Das hierbei voraussehbare Wühlen in den Bettlaken wurde bereits jetzt vereinzelt in die Praxis umgesetzt.1

Bergmann mußte bei ihrer aktuellen Pressekonferenz einräumen, daß sich bereits die meisten Beschwerden um die "Bedarfsgemeinschaften" drehten, um Ehepartner, Lebensgefährten oder Kinder. "Ein weiteres großes Problem ist die so genannte 58er-Regelung für den vorzeitigen Ruhestand von Arbeitnehmern", mußte Bergmann bekennen. "Außerdem beklagen sich viele Betroffene über die unklare Einstufung von Unterhaltskosten sowie die unterschiedlich hohen Regelsätze zwischen Ost und West." Dennoch spielt der Ombudsrat auf Zeit und will "Empfehlungen für Verbesserung der Hartz-IV-Regelungen" erst im Sommer mit einem Zwischenbericht vorlegen. Insgesamt sei die "die Reform aber gut angelaufen", erklärte Frau Bergmann frohgemut.

Andere Fakten wurden derweil in Hinblick auf frühere Stufen des mit dem Namen von VW-Personalchef Peter Hartz verbundenen Programms zum Sozialabbau bekannt: Rund die Hälfte der Menschen, die eine "Ich-AG" gründen und noch vor Ende der staatlichen Förderung wieder aufgeben, wird erneut arbeitslos. Ein Drittel findet eine feste Anstellung, und nur 4,5 Prozent entscheiden sich für eine andere, nicht geförderte selbständige Existenz. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

57 Prozent der Ich-AG-Abbrecher scheitern an Auftragsmangel, 48 Prozent an Finanzierungsengpässen. Rund ein Fünftel der 643 befragten Ex-Selbständigen gaben an, sie hätten die Kosten für soziale Absicherung unterschätzt. 16,5 Prozent räumten ein, ihre Geschäftsidee sei unrealistisch gewesen. Bis Ende 2004 bestanden laut IAB nur noch 220.000 der seit Anfang 2003 gegründeten Ich-AGs.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel

      'Sozialgerichte bestätigen:'
      Hartz IV verfassungswidrig (20.02.05)

      'UN-Studie: Deutschland Spitze in Kinderfeindlichkeit'
      Stärkster Anstieg bei Kinderarmut (2.03.05)

      'Hartz-IV-Protest bestätigt'
      Über 80 Prozent der ALG-II-Bescheide falsch (12.02.05)

      'Drei Millionen Privathaushalte überschuldet' (2.02.05)

      'Gewerkschaften unter 7 Millionen
      - Arbeitslose über 7 Millionen' (31.01.05)

      'Schröder macht Clement zum Sündenbock für Hartz IV' (28.12.04)

 

neuronales Netzwerk