Laut Bundesamt für Statistik lag die Inflationsrate im Februar 2008 bei 2,8 Prozent. Die Mehrheit selbst der neoliberalen WirtschaftsexpertInnen geht für dieses Jahr von einer Inflationsrate von 3 Prozent aus. Ich würde jede Wette darauf eingehen, daß sie in diesem Jahr erheblich höher ansteigt - aber bleiben wir mal im folgenden optimistisch bei 3 Prozent.
"Schwarz-Rot" hat noch vor 10 Tagen (7. März 2008) als vermeintliche Wohltat eine Rentenerhöhung um 0,5 Prozent angekündigt. 0,5 Prozent hieß also im Klartext: Rentenkürzung um 2,5 Prozent. Dann fiel Frau Merkel wohl auf, daß 2009 Bundestagswahlen anstehen und die scheinheiligen "C"-Parteien, CDU und CSU, von ihrer früheren Stammwählerschaft, den RentnerInnen, abgestraft werden könnten.
Jetzt konntet ihr am Samstag in dicken fetten Lettern auf den Titelseiten der Mainstream-Medien die dicke fette Lüge lesen: "Mehr Geld für Rentner"
Mit erheblichem Aufwand an Trickserei und Manipulation der ansonsten als so "nachhaltig" angepriesenen Rentenformel, soll nun die Erhöhung statt um 0,5 um 1,1 Prozent ausfallen. Wer noch nicht völlig verblödet ist und noch ein bißchen rechnen kann, entdeckt: 1,1 minus 3 ergibt auch ein negatives Ergebnis - also kommt real auf die RentnerInnen keine Rentenerhöhung zu, sondern eine Rentenkürzung um rund 2 Prozent!
Nun gibt es ja ganz Schlaue, die meinen: Minus 2 ist "immer noch besser" als Minus 2,5. So nach dem Motto: "Alles ist relativ!" Da habe ich immer gute Lust, solch einem Schwätzer drei Ohrfeigen zu geben und ihm zu sagen: "Die restlichen zwei erlasse ich dir!" Da wäre er doch glücklich. Bei 500 Ohrfeigen, von denen ihm 200 erlasse, wäre er dann sicher im Paradies!
Nun ja: Bei diesem Beispiel ist so ziemlich jedem klar, daß ein "relativ besser" nichts anderes als Selbstbetrug ist. Perspektiv-Wechsel: Wie ist das, wenn ein milliardenschwerer Paul McCartney jedes Jahr - sagen wir mal - 1 Million Pfund spendet. Und dieses Jahr will er 2 Millionen Pfund spenden. Ist das nicht "relativ besser"? Hallo! Leute! Alle fünf Sekunden stirbt in Afrika ein Kind unter zehn Jahren an Hunger oder den Folgen von Unterernährung.
Ihr seht, das ist wie bei einer optischen Täuschung. Ein kleiner Perspektivwechsel oder das Abdecken des halben Bildes mit einem Blatt Papier: Und die Linie, die zuvor als gekrümmt erschien, stellt sich als Gerade heraus.
Worin besteht im politischen Bereich der Perspektiv-Wechsel? Wenn ich irgend jemandem mehr oder weniger viele Ohrfeigen gebe, ist klar, daß das keine Wohltaten sind. Wenn aber eine Regierung über Jahre hin Rentenkürzungen vornimmt und dann in einem Jahr plötzlich die Rentenkürzung verkleinert, kann sie das - mit einhelliger Unterstützung der Mainstream-Medien - als Wohltat verkaufen.
Noch etwas. Es geht nicht allein um die Bundestagswahl 2009. Der Hauptgrund für die plötzliche "Milde" liegt in dem von "Schwarz-Rot" nicht vorhergesehenen wirtschaftlichen Einbruch und der damit zusammenhängenden zunehmenden Inflation. 2,5 Prozent reale Rentenminderung erscheint den Herrschaften denn doch zu kribbelig. Seit Jahren fahren sie mit der Methode "Frosch im Kochtopf" recht bequem und gefahrlos und die Verhaltenspsychologie rät davon ab, daß die "Einschnitte" über ein gewissses Maß gesteigert werden, denn dann könnten die Menschen plötzlich reagieren. Bleiben die Einschnitte Jahr für Jahr unter dieser Schwelle, wehren sich die Menschen nicht.
Da die Methode "Frosch im Kochtopf" zwar beim oberen Drittel dieser Gesellschaft wohl bekannt ist, aber nicht als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden kann - und das hat gute Gründe! - will ich sie mal erläutern: Angeblich kann ein lebender Frosch im Topf mit Wasser und ohne Deckel problemlos gekocht werden, wenn die Temperatur nur genügend langsam Grad um Grad erhitzt wird - dann merkt er es nicht und springt nicht aus dem Topf. Nun ja: Tatsächlich sind Frösche nicht so blöd wie Menschen. Nicht nur bei RentnerInnen hat sich diese Methode über Jahre hinweg als überaus erfolgreich erwiesen.
Nun war es ja lustig, zu beobachten, wie die "Linkspartei" Monat für Monat Beispiele fand und erklärte, diese oder jene Aussage der SPD sei eine Reaktion auf Forderungen der "Linkspartei" oder gar Folge ihrer puren Existenz.
Es wäre müßig, darüber zu streiten, ob irgendwelche Aussagen der SPD ursächlich auf dies oder jenes zurückzuführen wären. Damit ließen wir uns nur wieder aufs Glatteis führen. Denn wer sich auf Aussagen der SPD verließ, ist noch immer eingebrochen.
Leider besteht der Hauptzweck der "Linkspartei" gerade darin, diese fast schon überwundene Illusion erneut aufzuwärmen. Und mit dem Polit-Zirkus in Hessen wird nur wieder die Illusion bestärkt, bei einer Annäherung an die "Linkspartei" stehe gar ein "Linksruck" bevor.
Dabei ginge es in Hessen ja lediglich um eine Tolerierung von "Rot-Grün" - also um eine Neuauflage der Politik von 1998 bis 2005, die uns die Agenda 2010 und zwei Kriege beschert hat. Andrea Ypsilanti wird zwar als Linke dargestellt, aber sie hatte sich klar zur Agenda 2010 bekannt, bevor sie in Hessen für die SPD als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen durfte. Und dieses Bekenntnis zur Agenda 2010 wird in den Medien heute hübsch verschwiegen.
Das Ganze ist ja ein doppelter Witz: Es geht oder ging in Hessen ja nicht einmal um eine Koalition mit der "Linkspartei". Und bei Koalitionen mit der "Linkspartei" weiß das Kapital ganz genau, daß es davon nichts zu befürchten hat. Die Proben lieferten doch bereits die Koalitionen in Berlin und McPomm. Das Kapital weiß genau, daß es beide Optionen im Griff hat und weiter mit zwei oder fünf Bällen locker jonglieren kann. Nur das Zirkus-Publikum auf den billigen Rängen meint, es habe eine Wahl.
Zurück zu den RentnerInnen:
Wenn sie sich einreden lassen, daß sich irgend etwas zum Positiven verändert, wenn sie 2009 irgendwo ihr Kreuzchen machen, sind sie wieder die Dummen. Die einzige reale Chance auf eine positive Veränderung besteht darin, sich mit Erwerbslosen und gewerkschaftlich organisierten Menschen zusammenzuschließen - und dies am besten europaweit.
Die Dernières Nouvelles d'Alsace schrieb vor wenigen Tagen (13. März) über Sarkozy: "Der Präsident hat nicht das Recht, die Franzosen für Idioten zu halten." Sarkozy hatte innerhalb kurzer Zeit das ein Mal öffentlich erklärt, er werde sich nicht in die Kommunalwahlen einmischen - das andere Mal das glatte Gegenteil. Offenbar hat er jedoch durchaus das Recht - die Frage ist vielmehr, wie lange eine Mehrheit der FranzösInnen das mit sich machen läßt.
Abraham Lincoln sagte einmal:
"Ihr könnt einige Menschen für alle Zeit zum Narren halten, ihr könnt sogar alle Menschen für einige Zeit zum Narren halten - aber ihr könnt nicht alle Menschen für alle Zeit zum Narren halten!"
Ich bin sicher: Die Menschen werden sich nicht mehr lange zum Narren halten lassen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel zum Thema Renten
Generalstreik in Griechenland
Gegen Anhebung des Rentenalters (13.12.07)
Sozialabbau und Rentenklau
Erhöhung ist Absenkung (3.12.07)
Sozialabbau und Rentenklau
Zur aktuellen Diskussion um die Rente mit 67 (15.10.07)