19.01.2012

Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken

Benken und die Schweizer Atommüll-Problematik Die Schweizer NAGRA hat eine Liste von zwanzig "Standortarealen" veröffentlicht, die bei der neuaufgelegten Endlagersuche in die engere Auswahl kommen sollen. Der bislang als Endlager-Standort für hochradioaktiven Müll ausgewählte Ort Benken wird hierbei nicht genannt. Doch dies ist nur ein Trick zur Täuschung der Öffentlichkeit.

Laut der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) handelt es sich bei den zwanzig genannten "Standortarealen" keineswegs um Festlegungen. Nach jahrzehntelangem heftigen Widerstand der Bevölkerung wurde in der Schweiz die Endlagersuche offiziell neu gestartet und die Behörden versuchen jetzt ihrem Vorgehen einen demokratischen Anschein zu verleihen. So heißt es nun auch, die Regionen könnten eigene Standorte benennen.

Unter den von der NAGRA genannten zwanzig "Standortarealen" taucht der heftig umstrittene Name Benken nicht mehr auf. Der Ort - nur vier Kilometer Luftlinie vom Rheinfall entfernt - wird in der Schweiz mit dem Wort Bedenken assoziiert. Genannt werden von der NAGRA nun lediglich die Orte, auf deren Areal der Eingang zum unterirdischen "Endlager"-Bauwerk errichtet werden könnte. Und dieser Eingang kann genügend weit von Benken entfernt liegen, so daß der bereits international bekannte Ortsname nicht mehr genannt werden muß. Benken ist nun das "Standortareal Zürich Nordost". Und hierbei tauchen nur noch die Ortsnamen von drei rund um Benken liegenden Orten auf: Rheinau, Marthalen und Schlatt.

Benken und die Schweizer Atommüll-Problematik

In Deutschland und insbesondere vom pseudo-grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wird das jetzt in der Schweiz praktizierte "Auswahlverfahren" zur Findung eines Endlagers für hochradioaktiven Müll aus Atomkraftwerken als Musterbeispiel für ein transparentes, demokratisches Vorgehen gelobt. So hieß es etwa in einem Artikel der 'Badischen Zeitung' vom 16. Juni 2009: "Vor allem sind von Anfang an klare Kriterien festgehalten, nach denen die Suche erfolgt,..." Dies widerspricht diametral den Tatsachen. Der Artikel enthielt darüber hinaus eine Fülle an Desinformation. Am 20. November 2010 erklärte Winfried Kretschmann, damals Landesvorsitzende der Pseudo-Grünen, in einem Interview mit der 'Badischen Zeitung' in Hinblick auf den deutschen "Endlager-Standort" Gorleben: "Wir brauchen ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligung nach Schweizer Muster." Doch obwohl längst bewiesen ist, daß der Salzstock Gorleben für ein Atommüll-Endlager denkbar ungeeignet ist, vermieden die Pseudo-Grünen auf einem Bundesparteitag in Freiburg im November 2010 eine klare Position zu Gorleben. "In Gorleben protestieren und den Salzstock nicht als atomares Endlager ausschließen - das paßt nicht zusammen," kommentierte dies Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Offenbar steht die Führung der Pseudo-Grünen bereit - ebenso wie 1998 für Kosovo-Krieg und Afghanistan-Krieg - als Akzeptanzbeschafferin für ein Atommüll-Endlager Gorleben zu dienen.

In der Schweiz stellt es die NAGRA nun so dar, als sei die veröffentlichte Liste lediglich eine "Diskussionsgrundlage", mit der "keinerlei Vorfestlegung" verbunden sei. Im Dezember hatte die NAGRA die Liste der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Nuklearsicherheit in Bern vorgelegt. Mit der öffentlichen Präsentation der zwanzig "Standortareale" gilt die "zweite Phase" der Standortsuche als eröffnet. Verwirrung soll offenbar auch die Vermischung mit der Suche nach einem Endlager für schwachradioaktiven Müll stiften. So heißt es nun, neben dem Wellenberg im Kanton Nidwalden, wo Granit als Endlager-Medium für schwach- und mittelaktiven Müll in Frage käme, stünden fünf Zonen, in denen die Schicht aus Opalinuston mächtig genug sei, für ein Endlager zur Debatte. Für die Areale "Jura-Ost" am Bözberg, "Jura-Südfuß", "Nördlich Lägern" und "Zürich Nordost" werden jeweils vier Flächen für den Bau des oberirdischen Gebäudekomplexes genannt, für Areal "Südranden" in unmittelbarer Nähe zu Schaffhausen lediglich drei. An diesen Orten sollen jeweils eine Halle für das Umpacken der Abfälle in die Endlagerbehälter sowie Räume für Technik, Energieversorgung, die Bahnanlage und Personal sowie ein Besucherzentrum errichtet werden.

Nicht erwähnt wird hierbei, daß Granit wegen Zerklüftungen bereits vor etlichen Jahren aus der Schweizer "Endlagersuche" ausgeschieden war - erst hiernach konzentrierte sich die Auswahl auf Opalinuston und der Name des Ortes Benken wurde erstmals als Standort genannt. Dies willkürliche Ad-hoc-Festlegung von möglichen Endlager-Medien, je nach aktuellen geologischen Befunden, war jahrelang kennzeichnend für die Schweizer Endlagersuche - das exakte Gegenteil von vorab festgelegten, klaren und bindenden Kriterien.

Kaum zufällig wird für das Areal "Zürich Nordost" der Ortsname Benken vermieden. Stattdessen werden für als vier möglichen Flächen hier lediglich genannt: Schlatt, Rheinau/Marthalen und zwei weitere Flächen auf der Gemarkung Marthalen.

Auffällig ist auch, daß das "Standortareal Südranden" in die Aufzählung untergemischt wurde, obwohl die NAGRA längst selbst eingestanden hat, daß die Opalinuston-Schicht in diesem Areal höchsten für schwach- bis mittelradioaktiven Müll geeignet wäre. Von fünf Arealen bleiben also nur drei, die - laut NAGRA - überhaupt für hochradioaktiven Atommüll in Frage kommen: "Jura Ost", "Nördlich Lägern" und "Zürich Nordost" - sprich: Benken. Alle drei Areale liegen nur wenige Kilometer von Rhein entfernt und damit in einer geologischen Bruchzone, die stark erdbebengefährdet ist. Zudem ist bekannt, daß der Rheinfall in geologischen Zeiträumen gemessen eine Wanderungsbewegung vollführt. Dies ist ein weiteres Argument gegen einen Endlager-Standort Benken, denn ein Endlager für hochradioaktiven Müll müßte für Millionen Jahre vor geologischen Veränderungen sicher sein.

Hinzu kommt, daß nicht nur Granit, sondern auch Opalinuston als Wirtsgestein für wärmeentwickelnden radioaktiven Müll aus wissenschaftlicher Sicht ausscheidet. So liegen seit 2008 wissenschaftliche Ergebnisse vor, wonach Opalinuston unter den Bedingungen, die bei der Einlagerung radioaktiver und stark Wärme abstrahlender Stoffe angenommen werden müssen, beträchtliche Risse bildet.

Dennoch soll in der Schweiz mit dieser Vorauswahl ein "transparentes und demokratisches Verfahren" fortgesetzt werden. In der nun verkündeten "zweiten Phase" sollen die Regionen "näher untersucht" und dadurch die Lagerstätte in "400 bis 900 Metern Tiefe" eingegrenzt werden. Dabei ist längst bekannt, daß die Stärke der von der NAGRA untersuchten Opalinuston-Schichten in keinem der "möglichen Standorte" mehr als 120 Meter beträgt. Und dies ist für ein Atommüll-Endlager nicht ausreichend. Immerhin heißt es nun von der NAGRA: "Bei dieser näheren Untersuchungen können sich auch einzelne Standorte als ungeeignet erweisen." Dies soll möglicherweise die Bevölkerung ermutigen, sich überhaupt an den in "Phase 2" vorgesehenen "Regionalkonferenzen" zu beteiligen. Bei diesen sollen die SchweizerInnen an "allen Planungsschritten beteiligt" werden und auch "die deutsche Seite sowie Umweltverbände" würden mit einbezogen. Von Einspruchsrechten ist jedoch keine Rede.

Die "Regionalkonferenzen" sollen bis Ende 2012 für jedes der "sechs Gebiete" - also auch Wellenberg - jeweils einen "Standort" ermitteln. Dieser werden danach "konkret in die weitere Planung" eingehen. Offensichtlich soll eine "Beteiligung" von BürgerInnen und Umweltverbänden lediglich dazu dienen, dem Verfahren einen demokratischen Anschein zu verleihen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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