14.12.2007

Freiburg jetzt atomstromfrei?

Neue Aspiration auf den Titel Ökohauptstadt

Nachdem Freiburg über die Jahre hin im Öko-Vergleich mit anderen Städten immer weiter zurückfiel, scheint sich die frühere Ökohauptsatdt Deutschlands1 nun wieder auf genuin grüne Grundsätze besinnen zu wollen: Die Stadt verzichtet auf Atomstrom - heißt es.

Laut einer Mitteilung der Freiburger Stadtverwaltung sinkt der Anteil an Atom-Strom von 2008 an auf Null. Die Tendenz ist zwar löblich; doch wie so oft ist dabei mehr Schein als Sein. Der regionale Versorger 'Badenova', der mit dem Atomkraftwerk-Betreiber E.on verflochten ist und in dessen Aufsichtsrat der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon Sitz und Stimme hat, will tatsächlich seine rund 150.000 PrivatkundInnen ab nächstem Jahr mit Öko-Strom beliefern, ohne dafür mehr zu verlangen. Doch rund die Hälfte des 'Badenova'-Stroms von 1,2 Milliarden Kilowattstunden im Jahr, der von Industriebetrieben und anderen Großkunden abgenommen wird, bleibt "Egal-Strom", der zu rund einem Viertel aus Atomkraftwerken stammt.

Obwohl die Stadt Freiburg auch darauf Einfluß hätte: 'Badenova' verbleibt weiterhin verbandelt mit der Atom-Mafia. Lediglich ein Liefervertrag mit dem Atomkraftwerk-Betreiber EnBW läuft aus und 'Badenova' bezieht stattdessen nun 130 Millionen Kilowattstunden Wasserkraft-Strom vom Hochrhein und aus der Schweiz. Die Verflechtung mit E.on bleibt unangestastet, obwohl der Freiburger Gemeinderat in Resolutionen die Abschaltung des AKW Fessenheim forderte - über aller Fraktionen hinweg, da völlig unverbindlich. Das älteste AKW Frankreich befindet sich nur 24 Kilometer Luftlinie vom Stadtzentrum Freiburgs entfernt.2

Der hauptsächliche Grund für den neuen Werbefeldzug der 'Badenova' dürfte denn auch eher darin zu suchen sein, daß in immer höherer Zahl KundInnen zu Ökostrom-Anbietern wie beispielsweise den im nahen Schwarzwald beheimateten Energiewerken Schönau wechselten. Wie zu erfahren war, haben allein in den letzten drei Jahren rund sieben Prozent der KundInnen 'Badenova' den Rücken gekehrt, was einer Zahl von rund 10.000 Haushalten entspricht.

Schon seit Jahren liefert 'Badenova' KundInnen, die ein wenig Wert auf Öko legen, einen "Regiostrom", der zu 25 Prozent aus erneuerbaren Energien und zu 75 aus klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung gespeist wird. Doch das Aufschlagmodell in Verbindung mit einem Fonds, aus dem der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert werden sollte, war zu undurchsichtig und so fand dieses Angebot nicht die Anerkennung als echter Öko-Strom. Nur rund 11.000 Haushalte hatten sich dafür entschieden und die Zahl hatte zuletzt stagniert.

'Badenova' sah nun offenbar die Felle davonschwimmen und will mit der Öko-Offensive der Konkurrenz Paroli bieten. Öko-Strom ist inzwischen von manchen Anbietern günstiger zu haben als Egal-Strom - zumindest für Haushalte mit relativ geringem Stromverbrauch. Der Grund für dieses Phänomen, das den gängigen Vorurteilen widerspricht, ist darin zu suchen, daß die Rendite-Vorgaben der Öko-Strom-Anbieter meist nicht so hoch sind wie die der Konzerne. Auch pflastern sie nicht landauf, landab Plakatwände mit Werbung zu und leisten sich keine Manager mit Luxusgehältern. Hinzu kommt, daß der Beinahe-GAU im AKW Krümmel am 28. Juni3 den Öko-Strom-Anbietern förmlich die Kundschaft zutrieb.

Diesen Trend dürfte ebenso die am 7. Dezember bekannt gewordene Studie der Bundesamtes für Strahlenschutz bestärken, wonach die Zahl der Fälle von Kinderleukämie in der Umgebung von Atomkraftwerken signifikant erhöht ist.4 Die Energiewerke Schönau berichten bereits jetzt von einem Plus von 75 Prozent im Jahr 2007.

Die Geschäftsführerin der Energiewerke Schönau, Ursula Sladek, sieht den aktuellen Schritt der 'Badenova' gelassen als Folge der Aktivität der "Stromrebellen". Schließlich handelt es sich dabei um kostenlose Werbung für Öko-Strom. Und die Leute werden sich eher dem Original als der Kopie zuwenden, ist Sladek überzeugt. Schließlich spricht sich auch immer mehr herum, daß die 'Badenova' zu 47 Prozent der Thüga gehört, einer Tochter des Atomkraftwerk-Betreibers E.on.

Freiburgs pseudo-grüner Oberbürgermeister Salomon tönt derweil von einem "riesigen Schritt für den Klimaschutz" und einem "historischen Datum".

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      Verwelkter Lorbeer
      Freiburg war einmal Ökohauptstadt (10.09.07)

2 Siehe auch unseren Artikel:

      AKW Fessenheim
      30 Jahre tödliche Gefahr (7.03.07)

3 Siehe auch unseren Artikel:

      Beinahe-GAU oder Medien-GAU? (17.07.07)

4 Siehe auch unseren Artikel:

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz
      (7.12.07)

Siehe auch:

      Atom-Ausstieg selber machen

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

 

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