25.04.2008

Kinderkrebs
auch am Standort
des 1989 stillgelegten
THTR Hamm-Uentrop?

Atomkraft-GegnerInnen fordern Untersuchung

Am 7. Dezember 2007 schlug eine amtliche Studie hohe Wellen, nach der die Kinderkrebs-Rate in der Nähe der 17 deutschen Atomkraftwerke deutlich erhöht ist.1 Atomkraft-GegnerInnen fordern nun auch eine Untersuchung in der Umgebung von Hamm-Uentrop. Dort wurden zwischen 1985 und 1989 nicht nur umgerechnet drei Milliarden Euro für den Bau und kurzzeitigen Betrieb des Thorium-Hochtemperatur-Reaktors (THTR) verschwendet, auch mehrere Unfälle erregten Aufsehen.

"Die beispiellose Kette von Pannen und Störfällen in den 80er Jahren ist von der Bevölkerung nicht vergessen worden", sagt Horst Blume von der Hammer Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz. Zahlreiche Bürger hätten bereits auf eine steigende Anzahl von Krebsfällen in ihrer Umgebung aufmerksam geworden. Daß der Umkreis der 1989 stillgelegten THTR Hamm-Uentrop nicht in die vom Bundesamt für Strahlenschutz im vergangenen Dezember vorgelegte Untersuchung einbezogen worden war, sorgt in der Region für Unmut.

Das Konzept des THTR unterschied sich grundlegend von dem der in Westeuropa überwiegend in Lizenz der US-Konzerne General Electric und Westinghouse nachgebauten Siedewasser- und Druckwasser-Reaktoren. Statt Brennstäben sollten im THTR mit Graphit ummantelte Brennelement-Kugeln zur Nutzung der atomaren Kettenreaktion eingesetzt werden. Geträumt wurde von einem permanenten Betrieb des Reaktors, der nicht zum Brennelementewechsel abgeschaltet werden müßte - die abgebrannten Kugelelemente sollten unten herauskullern und oben sollte zugleich Nachschub eingefüllt werden. In den tennisballgroßen Brennelement-Kugeln befanden sich tausende winziger PAC-Kügelchen, in denen Plutonium, Americium und Curium enthalten war. Den Wärmetransport sollte im THTR statt Wasser ein Edelgas übernehmen.

1989 wurde nicht nur der finanzielle Rahmen - ähnlich wie im März 2008 beim Transrapid - gesprengt, es hatten sich zudem zunehmend schwere technische Probleme gezeigt. Und bereits 1985 hatte sich beim Befüllen des THTR einen erster Unfall ereignet, bei dem radioaktiver Staub freigesetzt wurde. Ein Jahr später entwich strahlendes Tritium. Während des Betriebs des THTR in den späten 80er Jahren gingen infolge der technischen Probleme insgesamt rund 8000 der Brennelement-Kugeln zu Bruch.

Der THTR spielt auch bei der Aufklärung des bis heute offiziell geleugneten Unfalls am 12. September 1986 auf einem Gelände im Bereich des AKW Krümmel und des unmittelbar benachbarten früheren Kernforschungszentrums GKSS eine Rolle. Im Gebiet um die beiden Atomanlagen, um den Ort Geesthacht, wurde die weltweit höchste Häufung von Kinderkrebs-Fällen registriert. WissenschaftlerInnen der vom Land Schleswig-Holstein beauftragten Leukämie-Kommission hatten in diesem Gebiet PAC-Kügelchen gefunden, die vermutlich bei einem Brand am 12. September 1986 freigesetzt wurden. Aus den Reihen diese WissenschaftlerInnen stammt nun die These, daß jene PAC-Kügelchen, die vermutlich aus Brennelement-Kugeln des THTR stammen, bei geheimen militärischen Experimenten Verwendung fanden. Vieles deutet darauf hin, daß hierbei an der Entwicklung von Mini-Atomwaffen gearbeitet wurde - und daß eines jener Experimente schief ging.

Überraschend schnell hat mittlerweile Bundes-"Umwelt"- und Atom-Minister Sigmar Gabriel auf die Forderung der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Hamm reagiert: "Es ist nicht beabsichtigt, die KiKK-Studie um weitere Einzelstandorte zu erweitern." Die AtomkraftGegnerInnen haben daher eine Unterschriftenliste gestartet. Auch bei einer Kundgebung am morgigen Tschernobyl-Jahrestag vor der THTR-Ruine wollen sie eine Untersuchung über Kinderkrebsfälle in der Umgebung fordern.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz
      (7.12.07)

Siehe auch unsere Artikel:

      Leukämiefälle in Geesthacht
      ExpertInnen-Anhörung / Neue Analysen angekündigt (13.04.07)

      Neue Spuren im Leukämie-Skandal Geesthacht (5.09.06)

      50 Jahre GKSS
      und Deutschlands Streben nach der Atombombe (17.05.06)

      Atombomben-Experimente in Deutschland?
      Am 12. September 1986... (3.04.06)

      Rücktritte wegen skrupelloser
      Pro-Atom-Politik von Simonis (1.11.04)

      IPPNW erhebt schweren Vorwurf gegen Joseph Fischer
      Atom-Unfall 1987 in Hanau verheimlicht? (26.06.02)

      Leukämie in der Elbmarsch
      Heiße Teilchen aus der PAC-Brennstofftechnologie (9.04.01)

 

neuronales Netzwerk