1.08.2007

US-Immobilienkrise
erfaßt deutsche Bankenbranche

Weltweite Schockwellen

Die durch das Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase am Donnerstag letzter Woche ausgelöste Finanzkrise1 bringt weltweit immer mehr Banken in Schieflage. Von den USA bis Australien häufen sich Fälle von Banken, die direkt oder indirekt durch faule Immobilien-Kredite in ernste Schwierigkeiten geraten sind. Selbst ein Sprecher des Kremel sah sich inzwischen veranlaßt, ein Übergreifen auf russische Banken zu dementieren. Die Börsen reagierten erneut mit heftigen Kurs-Ausschlägen. Investmentfirmen schichten ihre Gelder weiter in weniger risikobehaftete Anlagen um.

Nach positiv aufgenommenen Quartalszahlen knüpfte die Wall Street heute zunächst an die Erholung des Vortages an. Eine erneute Hiobsbotschaft aus dem Hypothekensektor sorgte allerdings dafür, daß der Dow Jones mit einem Minus von 1,10 Prozent bei 13.212 Punkten schloß. Der US-amerikanische Baufinanzierer American Home Mortgage Investment (AHM) hatte einräumen müssen, vor der Pleite zu stehen und keine Kredite mehr zu bekommen. Insgesamt fehlten nach Informationen aus Börsenkreisen rund 800 Millionen US-Dollar. Mit AHM steckt erstmals ein Unternehmen in großen Schwierigkeiten, das gar nichts mit zweitklassigen Krediten zu tun hatte, sondern Kunden mit höherer Kreditwürdigkeit hat. Dennoch hatten Gläubigerbanken aufgrund der US-Immobilienkrise Bar-Sicherheiten gefordert. Schon am Freitagabend hatte AHM deshalb die geplanten Dividendenausschüttungen verschieben müssen.

AHM war nach einem Tag Unterbrechung am Dienstag mit Verzögerung wieder an der Börse notiert worden. Die Liquiditätsprobleme der zehntgrößten US-Hypothekenbank führten dazu, daß der Aktienkurs um rund 90 Prozent einbrach Am Dienstag abend mußte AHM mitteilen, sie bekomme keine Kredite mehr. Rund 50 Financiers sind inzwischen Bankrott oder haben sich selbst verkauft. Die US-Investmentbank Bear Stearns musste in dieser Woche bereits ihren dritten Fonds schließen, weil wegen verunsicherter Investoren ein Ausverkauf drohte. Der Dow Jones schloß im Minus. Selbst General Motors mußte trotz positiver Quartalszahlen bei Börsenschluß ein Minus von 0,8 Prozent verzeichnen.

Die australische Großbank Macquarie verschärfte die Situation, als dessen Management vor Verlusten bei zwei ihrer Fonds warnte. Auch diese hatten keine direkten Verbindungen zur Subprime-Krise. ExpertInnen sehen daher schon Schneeballeffekte. Die Verluste könnten sich auf bis zu 254 Millionen US-Dollar summieren, teilte Macquarie mit. Auch die australischen Fondsgesellschaften Basis Capital und Absolute Capital froren Anlegerkonten ein.

Der französische Broker und Vermögensverwalter Oddo kündigte an, drei Fonds im Volumen von einer Milliarde Euro zu schließen. Man habe die Wertentwicklung der Fonds durch Investitionen in synthetische Anleihen (CDOs) "revitalisieren" wollen, sagte Firmensprecher Arnaud Ploix. Nunmehr habe man kurzfristige Liquiditätsprobleme festgestellt.

Wie bereits am Montag bekannt wurde, summierten sich die Verluste an der Wall Street allein seit letzten Donnerstag auf rund zwei Billionen US-Dollar. "In dieser Woche wurden rund zwei Billionen Dollar globale Börsenwerte ausgelöscht", errechnete die US-Wirtschaftsagentur Bloomberg. Hinzugefügt werden muß, daß sich diese Werte nicht etwa in Luft aufgelöst haben, sondern daß solche Verluste weit überwiegend auf Kosten der kleinen Leute gehen. Der Dow-Jones-Index sackte im Wochenschnitt um 4,2 Prozent auf 13.265,47 Punkte ab. Eine Woche zuvor hatte er erst den Rekordstand von 14.000 Punkten geknackt.

Die rasante Talfahrt der letzten Woche hatte auch die Aktienkurse in Deutschland schwer getroffen. Der Leitindex DAX verlor im Wochenschnitt 5,4 Prozent auf 7451,68 Punkte. London, Paris und Wien verloren mehr als fünf Prozent, Zürich und Mailand mehr als vier Prozent. Dublin schnitt mit einem Minus von 7,4 Prozent am schwächsten ab, Madrid kam mit einem Minus von 2,3 Prozent am glimpflichsten davon.

Die lateinamerikanischen Börsen fielen im Wochenschnitt um 8,6 Prozent. In Toronto gab es einen Einbruch von 5,7 Prozent. Auch die asiatischen Börsen wiesen hohe Verluste auf. Tokio gab im Wochenschnitt um 4,8 Prozent nach, Seoul um 5,0 Prozent, Singapur um 4,3 Prozent und Hongkong um 3,1 Prozent. Lediglich Schanghai festigte sich gegen den globalen Börsentrend weiter um 10,8 Prozent. In Sidney gab es indes Einbußen von 5,3 Prozent.

Bereits letzte Woche hatten Banken, Investmentbanken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister in aller Welt besonders schwere Verluste. Viele Finanzdienstleister hatten sich mit gewaltigen Krediten und Investments bei den Privatinvestoren und Hedge-Fonds engagiert. Aber auch die bisherigen Bestseller, die Metall- und Rohstoffaktien, waren von massiven Verkäufen betroffen. Viele Industrie-Aktien standen weltweit unter Druck. Es gab eine Verkaufswelle auf breiter Front, von der praktisch keine Aktiengruppe ausgenommen war. Viele Anleger suchten nun ihr Heil bei Staatsanleihen, die in schwierigen Zeiten als sicherer Hafen gelten.

Am gestrigen Dienstag nun titelte das österreichische 'WirtschaftsBlatt': "US-Immobilienkrise erfaßt deutsche Bankenbranche". Die Düsseldorfer IKB-Bank hatte ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr absenken müssen, da sie durch Fehlspekulationen mit schlecht abgesicherten US-amerikanischen Hypothekenkrediten in erhebliche Schwierigkeiten geraten war. Hinter der Krise steckt der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' zufolge, daß eine große deutsche Bank der IKB die Kreditlinien am Freitag gekündigt hat. Das berichtet das Blatt unter Berufung auf Finanzkreise. Der Aktienkurs der IKB-Bank brach in der Spitze um 25 Prozent ein. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bestätigte heute in Berlin, daß der Bund über die staatliche KfW-Bank mit einer Bürgschaft von über 8 Milliarden Euro rettend eingriff. Laut 'Süddeutscher Zeitung' entging Deutschland so nur knapp einer "schweren Krise des Bankensektors".

Nach Informationen der 'Süddeutschen' barg die am Montag bekannt gewordene Schieflage der IKB Deutsche Industriebank das Risiko, sowohl weitere Kreditinstitute als auch die Finanzmärkte in Turbulenzen zu stürzen. Es habe die Gefahr bestanden, daß "alles ins Rutschen gerät", zitiert die 'Süddeutsche'. Die Bundesregierung und die staatliche Finanzaufsicht Bafin hätten daher vereinbart, daß die Staatsbank KfW bei der notleidenden Bank einspringt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der offiziell im Urlaub weilt, sah sich genötigt zu dementieren: Die Regierung sehe "keine Anzeichen für eine Bankenkrise." KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier verweigerte bisher eine öffentliche Stellungnahme. Die IKB-Krise wird nach Angaben aus Finanzkreisen auch Auswirkungen auf die Bilanz der staatseigenen KfW haben. "Das ist dramatisch" , sagte der Sprecher der deutschen Aktionärsvertretung DSW, Jürgen Kurz.

Die KfW ist mit 38 Prozent größte Anteilseignerin der IKB. IKB-Chef Stefan Ortseifen wurde entlassen und die KfW setzte eigene Manager ein. Die IKB hatte sich in den USA in Kreditpaketen engagiert, in denen Risiken aus Hypotheken-Finanzierungen zusammengefaßt sind. Der starke Rückgang der Immobilienpreise hatte den Wert solcher Pakete gesenkt, zudem sind wegen der Turbulenzen von Hedgefonds die Papiere teilweise kaum noch handelbar.

Die Hiobsbotschaften vom US-amerikanische Hypothekenmarkt ließen den DAX am heutigen Mittwoch zunächst um mehr als zwei Prozent fallen. Später stabilisierte sich der Index etwas, am frühen Nachmittag lag er ein Prozent tiefer bei 7510 Punkten. Damit könne aber keine Entwarnung gegeben werden. "Die Stimmung ist immer noch sehr angespannt und die Anleger sehr nervös", sagte ein Händler. Selbst gute Quartalszahlen wie die der Deutschen Bank konnten die Anleger nicht zurück an den Markt locken.

Die internationalen Ratingagenturen Moody's und Fitch senkten am Dienstag ihre Noten für die Kreditwürdigkeit der IKB. Dabei ließen sie durchblicken, daß allein die zugesagte Hilfe durch die KfW sie davon abgehalten habe, die Bonität der Industriebank noch schlechter zu beurteilen. Bisher hatte die Krise am US-amerikanischen Markt für Immobilienkredite vor allem US-Spezialbanken in Schwierigkeiten gebracht. Zwei Hedge-Fonds gingen pleite.

Die US-Immobilienkrise erfaßt derweil auch andere deutsche Banken. Die Commerzbank ist mit rund 1,2 Milliarden Euro in dem Markt engagiert und rechnet daraus laut eigenen Aussagen mit einer Ergebnisbelastung von 80 Millionen Euro vor Steuern. Auch der Versicherungskonzern Allianz stellt sich nach eigenen Angaben auf Belastungen ein. Es wurde bekannt, daß Allianz Großaktionär bei der IKB ist. Auch eine Tochter der Dresdner Bank ist in die US-Hypothekengeschäfte verstrickt. Die Deutsche Bank hält sich derweil mit Auskünften bedeckt.

Der Gewinn von Deutschlands größter Bank kletterte im zweiten Quartal (April bis Juni) um 31 Prozent auf 1,78 Milliarden Euro und übertraf deutlich die Erwartungen der Analysten. Die Sorgen der Anleger vor den Folgen der Krise konnte Bank-Chef Josef Ackermann bei seinem heutigen Auftritt dennoch nicht ausräumen. Die Aktie brach um bis zu 3,5 Prozent auf 97,40 Euro ein. Analysten kritisierten, Ackermann sei konkreten Fragen ausgewichen. "Das ist natürlich schade - gerade in Situationen, in den die Unsicherheit groß ist", sagte Dieter Hein von FaiResearch. "Die Leute haben die Sorge, daß sich da draußen große Risiken befinden", ergänzte Analyst Alan Webborn von Société Générale. "Niemand weiß letztlich, wann die Musik zu spielen aufhört und wer dann ohne einen Stuhl zum Sitzen dasteht."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe unsere Artikel:

      Crash an US-Börse
      Beginn der Weltwirtschaftskrise? (27.07.07)

      china bubble
      Wann macht es crash? (29.05.07)

      Löst Spanien den europäischen Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)

 

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