8.09.2009

Freiburg: Mildes Urteil
gegen Elektrosmog-Sensiblen

Ulrich Weiner, 32 Jahre, flüchtet seit Jahren vor der Strahlung von Mobilfunk-Masten. Zuletzt lebte er - mehr oder weniger illegal - auf einem Waldparkplatz in der Nähe von St. Märgen im Schwarzwald, weil er sich dort im Funkloch vor Herzrhythmusstörungen und physischem Zusammenbruch sicher wähnte. Doch im November 2008 ging in St. Märgen ein neuer Mobilfunk-Sender in Betrieb und brachte ihn nach eigener Aussage in Lebensgefahr. In Notwehr, so Weiner, habe er damals den Sender mit einer Rettungsfolie außer Betrieb gesetzt. Nach wenigen Stunden nahm allerdings ein Techniker des Betreibers die Folie wieder ab. Wegen dieser Tat nun stand er in Freiburg vor Gericht und kam mit einer Verwarnung relativ milde davon.

Die Straftat war klar und Ulrich Weiner bestritt nicht, daß er vorsätzlich gehandelt hatte. Doch selbst der Staatsanwalt war am heutigen Dienstag gnädig gegen den Mann im Strahlenschutzanzug gestimmt. Das Gericht drückte sich so jedoch - wie bereits etliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuvor - um eine Beweisaufnahme, um die vom Angeklagten geltend gemachte Notwehr-Situation zu klären. Denn wenn festgestellt würde, daß von Mobilfunk-Sendern nachweislich Gesundheitsgefahren ausgehen, müßten diese nach deutscher Rechtslage abgebaut werden. Es käme zu Milliarden-Pleiten und möglicherweise einem Aufstand von Millionen hirnloser "Handy"-Junkies.

Ulrich Weiner nahm selbst vor nicht allzulanger Zeit die Gefahren durch die Strahlung von Mobiltelefonen und den zugehörigen Sendeanlagen nicht ernst. Er hatte eine Ausbildung als Funktechniker absolviert und eine eigene Firma mit 20 Angestellten aufgebaut. Nicht schlecht verdiente er bei der Beratung von Kommunen in Sachen Telekommunikation und unbekümmert hatte er fast ständig ein "Handy" am Ohr.

2001 will er die ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bemerkt haben: Angefangen mit Konzentrationsproblemen kam es über über Herzrhythmusstörungen bis zum Zusammenbruch. GutachterInnen bescheinigten ihm, hochgradig elektrosensibel und weder paranoid noch anderweitig psychisch gestört zu sein. Doch bis heute ist in der Wissenschaft nicht allgemein anerkannt, daß so etwas wie eine erhöhte Sensibilität gegen Elektrosmog überhaupt existiert. Seinen Beruf übt Weiner nicht mehr aus. Ein Kreis von HelferInnen versorgt ihn mit dem Nötigsten.

Als das Handynetz noch nicht so dicht war, erzählt Ulrich Weiner, spürte er, ob D1 oder D2 funkte. Nur in Funklöchern gehe es ihm gut, und die werden rar. Das beste hatte Weiner in St. Märgen ausgemacht, wo er im abgeschirmten Wohnwagen auf einem Waldparkplatz lebte - ohne offizielle Genehmigung, zunächst mit einigem Ärger mit den Behörden, dann aber geduldet.

"Ich will ja nicht viel, ich will nur leben", sagt Weiner und die etwa 50 UnterstützerInnen im Saal klatschen Beifall. Nach etlichen Zwischenrufen wie "Das war Notwehr!" und "Es geht ums Recht auf Leben!", droht der Richter mit Ordnungs-Maßnahmen. Seit Februar sammele er Anzeigen wegen wilden Campens in anderen Funklöchern. Doch diese seien im Winter nicht erreichbar. In der "Abwägung" von Gefahr für Leib und Leben - die Mangels Beweisaufnahme schlichtweg nicht gewertet werden kann - gegenüber den Interessen von Mobilfunk-Firmen und -NutzerInnenn kann der Richter nicht erkennen, daß Weiner keine andere Wahl hatte. "Man mag menschlich dafür Verständnis haben", aber statt zur Selbsthilfe zu greifen, hätte Weiner etwa auf Unterlassung klagen können, erklärt der Richter teilnahmslos.

Hier zeigte sich, daß sich der Richter auf einen recht bequemen Standpunkt zurückzog. Denn würde er die von Weiner vorgebrachte Bedrohung seines Lebens ernst nehmen, müßte er die gebotenen rechtlichen Konsequenzen ziehen. Kann er diese jedoch nicht erkennen, dürfte er kein "menschliches Verständnis" zeigen, müßte Weiner als Spinner behandeln und entsprechend aburteilen. Die Anmerkung der Richters, Weiner hätte auf Unterlassung klagen können, zeigt, daß der Richter zumindest eine akute Lebensbedrohung Weiners für unglaubwürdig erachtet. Hieraus ist aber stringent zu schließen, daß sich der Richter einer Amtspflichtverletzung schuldig machte, indem er keine Beweisaufnahme vornahm. Sicherlich hätte ihm dies einigen Ärger eingebracht...

Ulrich Weiner hat nun vor, eine Ausnahmegenehmigung einzuholen, um sich dauerhaft auf einem Platz im Funkloch aufhalten zu dürfen. Diese wird ihm vermutlich verweigert werden, so daß ihm danach der verwaltungsrechtliche Weg durch die Gerichtsinstanzen offensteht. Es ist ihm zu wünschen, daß er entsprechend lange überlebt.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Handy-Studien
      Betrug oder nicht Betrug? (30.06.08)

      Heißes Material:
      Mobilfunk verursacht Gehirntumore (18.04.07)

      Mobilfunk
      Die Gefahren durch Handy und Sendeanlagen (12.02.07)

      Handy frittiert Gehirn
      Max-Planck-Forscher: 100 Grad in der Zelle (21.08.06)

      Vor vollendete Tatsachen gestellt:
      Mobilfunkanlage im benachbarten Kirchturm (22.10.05)

      Erhöhte Krebsrate
      im Nahbereich von Strom-Masten (5.06.05)

      Handy auf dem flachen Land
      - hohes Hirntumor-Risiko (17.05.05)

      Langzeit-Studie bestätigt
      Gesundheitsrisiken von Handys (21.12.04)

      Gehirnschäden
      durch Handy und Föhn (22.02.04)

      Krebs durch Mobilfunk ? (7.08.03)

      Aktuelle schwedische Studie:
      Handys gefährlicher als bisher vermutet (25.05.03)

      Handy-Fieber (29.12.01)

      Handys und Augenkrebs (25.01.01)

      Handys
      - Beweise für die Schädlichkeit? (30.12.2000)

 

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