19.01.2010

Soziale Mindestsicherung
in Österreich eingeführt

Schritt in Richtung BGE?

Am gestrigen Montag gab der österreichische Sozialminister Rudolf Hundstorfer in Salzburg nach einer Beratung mit Sozialreferenten der Bundesländer die Einführung einer sozialen Mindestsicherung in Höhe von monatlich 744 Euro ab 1. September bekannt. Unterm Strich könnte diese Regelung für Betroffene eine Minderung ihrer bisherigen Bezüge bedeuten, da in dem genannten Betrag eine Pauschale für Wohnkosten enthalten ist. Hundstorfer versprach jedoch, mit einem "Verschlechterungsverbot" werde dafür gesorgt, daß Personen, die wegen Mietbeihilfen bislang über 744 Euro lägen, nach Einführung der Mindestsicherung nicht weniger zur Verfügung haben.

Von den 744 Euro für Alleinstehende (1.116 Euro für Paare, pro Kind erhöht sich der Regelsatz um 156 Euro) werden 186 Euro (25 Prozent) als Mietbeihilfe angesetzt. Die Durchschnittsmieten liegen jedoch in vielen österreichischen Städten wie etwa Salzburg erheblich über diesem Satz. "Mit diesem einstimmigen Beschluß im EU-Jahr zur Armutsbekämpfung setzt Österreich nicht nur ein historisches, sondern auch ein deutliches Zeichen zur sozialen Sicherung der Menschen in diesem Land", sagte Sozialminister Hundstorfer.

Zugleich mit der Mindestsicherung sollen einheitliche Voraussetzungen für den Bezug von Sozialleistungen, die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung, einheitliche Regreßbestimmungen und ein einheitliches Verfahrensrecht eingeführt werden. EmpfängerInnen der Mindestsicherung in Österreich sollen künftig krankenversichert sein, und sie werden stärker in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen - direkt angebunden an das Arbeitsmarktservice - einbezogen werden. Die Arbeitsfähigkeit soll mit Hilfe einer Begutachtungsstelle, der "Gesundheitsstraße", geprüft werden. Zudem soll es zu einem Entfall der Rückzahlung der Leistungen kommen. Bisher war die Rückzahlungspflicht der bezogenen Sozialhilfe ein Hindernis, aus der Armutsfalle zu entkommen. Des weiteren soll es zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der österreichischen Ausländerbehörde kommen, um "Sozialhilfemißbrauch" zu vermeiden.

Die Höhe der Leistung aus der Mindestsicherung orientiert sich am Ausgleichszulagenrichtsatz in der österreichischen Pensions- versicherung, bei der allerdings 14-mal im Jahr 744 Euro ausbezahlt werden. Die unzureichende Höhe der Mindestsicherung wird aus den Reihen der im sozialen Bereich Tätigen kritisiert. Darüber hinaus sei die Chance vertan worden, für die Bedürftigen eine alleinige Anlaufstelle zu schaffen. Dies war in den ursprünglichen Planungen als Ziel formuliert worden. Die Zuständigkeiten seien - ähnlich wie beim deutschen Hartz-IV-Modell - zwischen dem Arbeitsmarktservice und den Sozialhilfestellen aufgesplittet. Damit seien bürokratische und rechtliche Probleme vorprogrammiert. Befürchtet wird zudem, daß die Aufgabe des Arbeitsmarktservice, darin bestehen wird, Arbeitslose in den Niedriglohn-Sektor zu drücken. In Österreich ist mittlerweile weithin bekannt, daß der "Erfolg" der von "Rot-Grün" 2004 in Deutschland durchgesetzten Hartz-Gesetze allein darin bestand, den Niedriglohn-Sektor massiv auszuweiten.

Da mit dem österreichischen Modell der Mindestsicherung weder die Prüfung der Bedürftigkeit aufgegeben wird, noch der Druck auf Arbeitslose reduziert wird, sich mit weniger qualifizierten und schlechter bezahlten Jobs zufrieden zu geben, stellt es - entgegen vielen Hoffnungen - keinen Schritt hin zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) dar. Die Einführung eines BGE ist in einer kapitalistischen Gesellschaft, die nicht ohne einen Druck auf den Teil der Bevölkerung, der im Wesentlichen darauf angewiesen ist, die eigene Arbeitskraft zu Markte zu tragen, auskommen kann, nicht zu erwarten. Die Forderung eines BGE im Kapitalismus ist daher illusionär. Diese Forderung kann allerfalls dazu mißbraucht werden, den Sektor der "AufstockerInnen" oder "Komi-LöhnerInnen" auszuweiten und damit - ähnlich wie bei der Ausweitung des Niedriglohn-Sektor - das gesamte Lohngefüge ins Rutschen zu bringen.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Bilanz von fünf Jahren Hartz IV
      Repression als "Arbeitsmarkt-Reform"
      Der Niederiglohn-Sektor wurde massiv ausgeweitet (19.12.09)

      Aufschwung? Abschwung?
      Schwund bei den Reallöhne seit vielen Jahren (14.08.09)

      Sozialabbau und Niedriglohn-Sektor
      22 Prozent arbeiten in Deutschland für Niedriglöhne (28.04.08)

      Deutsche Mittelschichten werden aufgerieben
      Hartz-Gesetze mit negativer Bilanz (4.03.08)

      Die Forderung nach einem Bedingungslosen
      Grundeinkommen ist illusionär (22.08.06)

 

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