28.04.2007

Klaus Kleinfeld nicht in
Siemens-Schmiergeldaffaire verwickelt?

Es war schon in feudalen Zeiten eine beliebte Inszenierung, daß der König sich als "volksnah" und gütig darstellen ließen, während Schatzkanzler oder andere Subalterne die Rolle derjenigen spielen mußten, die dem Volk erdrückende Steuerlasten und Abgaben abpreßten. Der König ahnte von alledem nie etwas und hätte die unbarmherzigen Halsabschneider selbstverständlich sonst sofort entlassen...

Und selbstverständlich sorgen auch alle Konzern-Chefs von alters her dafür, daß illegale und unsaubere Geschäfte nie schriftlich fixiert werden, so daß sie die Haftung notfalls auf "Verantwortliche" in darunterliegenden Hierarchie-Ebenen abschieben konnten. Beim Militär ist es nicht anders - wie beispielsweise durch den Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghreib erkennbar wurde.

Wenn also in den Mainstream-Medien immer wieder betont wird, daß gegen Heinrich von Prierer oder Klaus Kleinfeld bisher keine Beweise gefunden wurden, die ein Wissen um die Schmiergeld-Zahlungen belegten, konnte dies allenfalls bei naiven Zeitgenossen Verwunderung auslösen. Nun ist jedoch bei der Münchner Staatsanwaltschaft ein eMail aufgetaucht, das den am Mittwoch zurückgetretenen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld belastet. Kleinfeld ist der Empfänger des eMails. Ein Bereichsvorstand berichtet ihm darin ausführlich über Zahlungen an einen saudi-arabischen Mittelsmann.

Das eMail mit dem Betreff >Saudi-Arabien< enthält Informationen über einen Streit des Bereichsvorstands mit dem Saudi. Siemens hatte ihm Verträge gekündigt, worauf er mit einer "Verschärfung der Gangart" gedroht habe. Es dürfte schwierig für Kleinfeld werden, zu erklären, er habe dieses eMail nicht gelesen.

Wie aus Akten der Münchner Staatsanwaltschaft hervorgeht, erklärte der Bereichsvorstand, der Saudi habe "Unterlagen über vermeintliche Schmiergeldzahlungen" an die US-Börsenaufsicht SEC weiterleiten wollen, wenn Siemens ihm nicht einen dreistelligen Millionenbetrag zahle. Wenn es sich um eine leere Drohung gehandelt hätte, dürfte man erwarten, daß keinerlei Zahlungen an den Saudi geflossen wären. Tatsächlich erhielt der Geschäftsvermittler statt der intern von Siemens errechneten 17 Millionen Dollar satte 50 Millionen Dollar. Siemens bestreitet dennoch, daß es sich um Schweigegeld gehandelt habe.

An mehrere arabische Staaten soll Siemens über Jahre hinweg etliche Millionen gezahlt haben, um einen Boykott wegen Siemens-Lieferungen nach Israel zu verhindern. Bei der Suche nach den schwarzen Kassen des Siemens-Konzerns sind ErmittlerInnen mehrfach auf den Namen Moheden al-Shatta gestoßen. Der Mann aus Damaskus, der mit seiner Firma ASTE offiziell als "General Manager der Siemens AG" mit eigener eMail-Adresse bei der 'Siemens IT Solutions und Service' in Deutschland firmiert, erhielt zwischen 1999 und 2006 Überweisungen von insgesamt mehr als 72 Millionen Euro. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG stufte die Zahlungen Ende vergangenen Jahres in einem streng vertraulichen Bericht als "mit einem großen Korruptionsrisiko behaftet" ein.

Offenbar waren die Summen zumindest zum Teil dafür vorgesehen, einflußreiche Araber im Umfeld des 'Central Boycott Office' zu schmieren. Das 'Central Boycott Office' in Damaskus, das seit den fünfziger Jahren an die Arabische Liga angebunden ist, setzt unter anderem Produkte aus Israel auf eine schwarze Liste, ebenso Unternehmen, die mit Israel Geschäfte machen - darunter eben auch Siemens. Ein gewisser Ablaß-Handel sorgt dafür, daß für die Streichung von der schwarzen Liste Millionenbeträge von Unternehmen sprudeln.

Ein Siemens-Insider erklärt die Aufgabe Al-Shattas in einem Satz: "Al-Shattas Job war es, dafür zu sorgen, daß Siemens nicht auf die Boykottliste gerät." Hat sich jemals irgendwer darüber gewundert, daß Siemens an Israel liefern kann, ohne auf der schwarzen Liste aufzutauchen? Im Buchungszeitraum 2004/2005 überwies Siemens 14,6 Millionen Euro auf Konten al-Shattas. Im Jahr zuvor waren es mehr als 12 Millionen - 2002/2003 nahezu 20 Millionen Euro.

Der Nachfolger von Heinrich von Prierer als Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, Gerhard Cromme, steht im Ruf, ein Brachial-Sanierer zu sein. Bislang Aufsichtsratsvorsitzender bei ThyssenKrupp, ist er bereits seit 2003 zugleich Aufsichtsrat bei Siemens. Nun leitet er den Prüfungsausschuß des Aufsichtsrats zur Schmiergeldaffaire. Als Vorsitzender der Regierungskommission für transparente Unternehmensführung konnte er sich ein Image als "Saubermann der deutschen Wirtschaft" aufbauen. Cromme sitzt in neun Aufsichtsräten. Laut 'focus' soll Cromme unter fünf Kandidaten einen neuen Vorstandsvorsitzenden für Siemens aussuchen. Einer davon sei Linde-Chef Wolfgang Reitzle. Dessen aktuelles Gehalt von 7,4 Millionen Euro sei kein Hinderungsgrund. Klaus Kleinfeld kam nach der aufsehenerregenden Gehaltserhöhung um 30 Prozent lediglich auf knapp zwei Drittel des Reitzle-Gehalts. Der Bayerische Rundfunk hört allerdings bereits die Heuschrecken husten: "Es wäre nicht das erste mal, daß Heuschrecken und Investmentbanker einen Konzern gewinnbringend zerlegen." Da dies einen heftigen Rückschlag für die europäische Atom-Mafia bedeuten würde, ist kaum damit zu rechnen.

Ein kleiner Rückblick:

Im Januar 2005 wird Klaus Kleinfeld als Nachfolger von Heinrich von Pierer Vorstandsvorsitzender von Siemens. Kleinfeld verfolgt ein Holding-Konzept und baut den Siemens-Konzern in rasantem Tempo um. Nur einen Tag nach seinem Amtsantritt verkündet er Pläne für einen Abbau von 1350 Stellen im größten Geschäftsbereich Communications, der rote Zahlen schreibt. Ganze Konzernsparten samt Belegschaft werden abgespalten, bleiben jedoch als eigenständige Aktiengesellschaften per Aktienmehrheit oder -parität an der langen Leine von Siemens. Beispiele hierfür sind SiemensNokia und SiemensFuijitsu.

Im Juli 2005 gelingt Kleinfeld bei der geplanten Trennung vom verlustreichen Handygeschäft der Durchbruch: Die Aktionäre des taiwanesischen Ben-Q-Konzerns stimmen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung für den Kauf der wie Sauerbier angebotenen Siemens-Sparte.

Im September 2005 gibt Kleinfeld gibt ein extremes Sparprogramm für die Krisensparten SBS und Communications bekannt. Insgesamt rund 10.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Doch schon im Juni 2006 trennt sich Siemens von diesem Konzernteil. Die traditionsreiche Telekommunikationssparte wird mit dem finnischen Telekommunikations-Konzern Nokia zusammengelegt. Nokia übernimmt die unternehmerische Führung.

Nach dern aufsehenerregenden Gehaltserhöhungen von 30 Prozent für die Siemens-Vorstände im September 2006 gerät Kleinfeld unter Druck. "Deutschlands frechste Gehaltserhöhung" titelt Deutschlands meistverkauftes Toilettenpapier mit einem großen Foto Kleinfelds daneben. Wenige Tage später stoppt Ben-Q die Zahlungen an seine deutsche Tochter mit 3000 MitarbeiterInnen und schickt die einstige Siemens-Handy-Sparte damit in die Pleite.

Im November 2006 durchsuchen 200 PolizeibeamtInnen, StaatsanwältInnen und SteuerfahnderInnen Büros im Siemens-Konzern und bringen damit die Siemens-Schmiergeldaffaire ans Licht. Kleinfeld kündigt eine "schonungslose Aufklärung" an.

Mit der Verhaftung des früheren Leiters der Kommunikationssparte Thomas Ganswindt, erreicht die Affaire im Dezember neue Dimensionen. Siemens räumt dubiose Zahlungen von rund 400 Millionen Euro ein. Im März 2007 wird Siemens-Vorstandsmitglied Johannes Feldmayer nach einer Durchsuchungsaktion durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg verhaftet und damit erstmals ein aktiver Zentralvorstand.

19. April 2007
Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender Heinrich von Pierer stürzt über die Schmiergeldaffaire und erklärt seinen Rücktritt.

24. April 2007
Angeblich wollen einige Aufsichtsräte der geplanten Verlängerung von Kleinfelds Vertrag nicht zustimmen.

25. April 2007
Kleinfeld erklärt seinen Rücktritt mit Auslaufen des Vertrags.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Beiträge:

      Siemens und DaimlerChrysler
      zahlten Schmiergeld an Saddam Hussein (28.10.05)

      Auch neue EPR-Atomkraftwerke terrorgefährdet (25.09.05)

      Ulrike Flach (Siemens) legt Ämter ab (24.01.05)

      Hermes-Bürgschaften für AKWs in China
      Siemens und "Rot-Grün" Hand in Hand (7.12.04)

      Siemens bedroht Hasankeyf (12.11.04)

      Siemens liefert Murks
      Murks bei Handys, Murks beim Combino
      - und auch Murks bei AKW-Teilen? (28.08.04)

      Deutsche High-Tech mit Dachschaden (20.06.04)

      Siemens greift nach Monopol
      in Europa (26.05.04)

      0ptimal: Kontrolleur und Kontrollierter
      unter einem Dach (6.01.01)

 

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