8.09.2008

Chile
Gefängnis für Pinochets
Geheimdienst-Chef Contreras

Manuel Contreras, der Geheimdienst-Chef des langjährigen chilenischen Diktators Augusto Pinochet, wurde nach einem bereits rechtskräftigen Urteil über "zweimal lebenslänglich" für ein weiteres Verbrechen zu 15 Jahren Haft verurteilt. Contreras war einer der mächtigsten Männer und engsten Vertrauten Pinochets, der mit Hilfe der CIA 1973 den in freien Wahlen an die Macht gekommenen chilenischen Präsidenten Salvador Allende in einem blutigen Putsch beseitigt hatte.1

Auf das Konto von Contreras ging auch der Mord am chilenischen General Carlos Prats. Der gegenüber Allende und dessen "Volksfront"-Regierung loyale Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräfte und zeitweilige Innenminister wurde drei Wochen vor dem Putsch am 11. September 1973 aus dem Amt gedrängt. Bereits im Juli war Prats von rund hundert Rechtsgerichteten überfallen worden, die seinen Dienstwagen in Brand steckten. General Prats konnte sich jedoch verteidigen und den Attentätern entkommen. Nach dem Putsch wurde Prats zunächst unter strenge Haft gestellt und kurz darauf des Landes verwiesen. Noch im September fielen Prats und seine Frau in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires dem Anschlag eines Geheimkommandos des chilenischen Geheimdienstes DINA unter Oberst Contreras zum Opfer.

Fast auf den Tag genau 35 Jahre nach dem Sturz Allendes ging in Chile nun ein Verfahren gegen Contreras zu Ende, in dem dieser der Enführung und Ermordung von José Orellana im Jahr 1974 angeklagt war. Der chilenische Richter Alejandro Solís verurteilte Contreras wegen dieser Tat am vergangenen Freitag zu 15 Jahren Haft. Fünf weitere ehemalige Geheimdienstagenten müssen für die Beteiligung an dem Verbrechen für jeweils fünf Jahre hinter Gitter.

Alle sechs waren beschuldigt, für die Entführung des damals 35jährigen Orellana, der als Pfleger im Krankenhaus Barros Luco Trudeau de Santiago arbeitete, verantwortlich zu sein. Laut Rettig-Bericht, der die Menschenrechtsverletzungen während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) dokumentiert, wurde Orellana am 22. Januar 1974 zusammen mit anderen Angestellten in dem Hospital von DINA-Agenten festgenommen und auf den Militärstützpunkt Tejas Verdes im Küstenbezirk San Antonio gebracht. Hier verliert sich seine Spur - wie die so vieler politischer Gefangener jener Zeit.

Das nun verhängte Urteil ist bereits das dritte durch Richter Solís im Rahmen der Untersuchungen zu den im 110 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Santiago gelegenen Tejas Verdes begangenen Verbrechen. Doch die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur gleicht eher einem Geduldsspiel mit am Ende nur wenigen Erfolgen. Die angeklagten Politiker, die sich bisher zu den Vorwürfen geäußert haben, lehnen jede Verantwortung für die Verbrechen ab und beschuldigen die nationalen Polizeidienste. DINA-Chef Manuel Contreras ist einer der wenigen exponierten Vertreter des Pinochet-Regimes, die bisher rechtskräftig verurteilt wurden.

Drei Jahre nach Ende der Diktatur - als sich immer deutlicher abzeichnete, daß Pinochet seine Immunität, die er der 1990 eingesetzten parlamentarischen Regierung aufgezwungen hatte, verlieren würde, brach Contreras mit Pinochet. Als Geheimdienstchef war er ebenso wie Pinochet für viele Morde und Menschenrechtsverletzungen unmittelbar verantwortlich. Von 1975 bis 1977 stand er auf der Gehaltsliste des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA. Er gilt zudem als einer der Initiatoren der »Operation Condor«. Unter diesem Codenamen arbeiteten in den 1970er und 1980er Jahren die Geheimdienste von sechs lateinamerikanischen Ländern - Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien - mit dem Ziel zusammen, linke oppositionelle Kräfte zu verfolgen und auszuschalten. Mehrere tausend Menschen fielen der »Operation Condor« zum Opfer - von vielen fehlt bis heute jede Spur.

Am 30. Juni dieses Jahres war Contreras bereits zu "zweimal lebenslänglich" wegen Entführung und zweifachen Mordes an Allendes Armeechef Carlos Prats und seiner Frau Sofía Cuthbert verurteilt worden. Wegen desselben Verbrechens hatte ihn schon 2002 ein Gericht in Argentinien verurteilt, doch Chile hatte das Auslieferungs- gesuch des Nachbarlandes abgelehnt.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkung

1 Siehe auch unsere Artikel:

      11. September vor 35 Jahren
      Ein blutiger Putsch mit Beteiligung der CIA (11.09.08)

      Der Prager Frühling
      Auch 40 Jahre nach dem 21. August 1968
      kann die Geschichte etwas lehren (21.08.08)

      Pinochet immun
      Oberstes Gericht gegen irdische Gerechtigkeit (25.03.05)

      Ex-Chef der "Colonia Dignidad"
      in Argentinien festgenommen (10.03.05)

      Gladys Marín ist tot
      Chilenische KP-Vorsitzende erhält Staatsbegräbnis (7.03.05)

      Wird Pinochet nun doch der Prozeß gemacht?
      Für Chiles Ex-Diktator wird es eng (5.01.05)

      CIA und US-Wissenschaftler
      Artikel der 'Times', Los Angeles (28.01.01)

 

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