31.03.2008

Artikel

Hoffnung für Hasankeyf?

Das Staudamm-Projekt Illisu steht auf der Kippe

Laut einem neuen ExpertInnen-Bericht sind erhebliche Defizite bei zwingenden Vorgaben unübersehbar und so steht das Staudamm-Projekt Illisu erneut auf der Kippe. Damit besteht auch die Chance zur Rettung des archäologischen Welterbes Hasankeyf.

Für Mai ist der Baubeginn des Staudamm-Projekt Illisu angesetzt. Dieser Tage erst hat der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan den Ilisu-Staudamm am Oberlauf des Tigris als "Herzstück der wirtschaftlichen Förderung" der ostanalolischen Landesteile (diese als kurdisch zu bezeichnen ist nach wie vor offiziell verboten) angepriesen. Doch nun droht ein ExpertInnen-Bericht das Projekt zum Scheitern zu bringen, was durchaus auch im Interesse der KurdInnen läge.

Der Bericht wurde im Auftrage der deutschen, Schweizer und österreichischen Exportkreditagenturen (ECAs) erstellt und legt erhebliche Mängel bei der Umsetzung von Auflagen in den Bereichen Soziales, Ökologie und Kultur offen. Die Erfüllung von insgesamt 153 Auflagen hatten die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zur Voraussetzung für die Vergabe von Exportrisikogarantien, sogenannte Hermes-Bürgschaften, in Höhe von etwa einer halben Milliarde Euro an Firmen im Ilisu-Konsortium wie dem deutschen Baukonzern Züblin und dem österreichischen Maschinenbauer Andritz gemacht.

Für die BewohnerInnen des Tigris-Tals ist der ExpertInnen-Bericht ein Hoffnungsschimmer. Sie glauben nicht, daß der Dammbau der Entwicklung des Landes dient, sondern befürchten weitere Vertreibungen der kurdischen Bevölkerung und die Zerstörung ihres kulturellen Erbes. Zudem räumte der Gouverneur der Provinz Batman, Recep Kizilcik, gegenüber Reportern der 'Financial Times' politische Gründe für den Bau des Illisu-Staudamms ein. Dieser sei "aus Sicherheitserwägungen" für die Regierung "sehr wichtig". Durch die Aufstauung des Tigris sollen Verbindungswege von kurdischen Guerillakämpfern abgeschnitten und Höhlen, die ihnen als Unterschlupf dienen, überflutet werden. Zudem ließe sich der benachbarte Irak durch eine Drosselung des Wasserzuflusses unter Druck setzen - etwa in der Frage kurdischer Autonomierechte.

Auch der bisherige Planungstand scheint eher dürftig. So war die Türkei bislang anscheinend nicht dazu in der Lage, die Zahl der von Umsiedlung betroffenen Menschen aus 199 Dörfern und der Kleinstadt Hasankeyf zu ermitteln. Nach Schätzungen des Expertengremiums droht 65.000 statt - wie wie bislang offiziell angegeben - 55.000 Menschen die Vertreibung und Vernichtung ihrer Existenzgrundlage als Bauern. Da die Regierung bis heute kein neues Farmland für diese Menschen gesucht hat, bleibt ihnen nur der Gang in die Elendsviertel nahegelegener Großstädte wie Batman und Diyarbakir. Und dort herrscht eine Arbeitslosenrate von über 60 Prozent.

Allein um die Umsiedlungen zu planen und zu bewältigen, müßten 250 Personen mindestens zwei Jahre intensiv arbeiten, bis es zum Baubeginn kommen könnte, meint das ExpertInnen-Gremium. Doch die türkische Regierung begann bereits im Herbst 2007 mit Enteignungen in Dörfern um den Bauplatz herum. Weiterhin kritisiert der Bericht, daß die ökologischen Auswirkungen einer Aufstauung des Tigris bislang nicht erforscht wurden. Zur Rettung einiger antiker Monumente aus der 9000 Jahre alten Stadt Hasankeyf durch einen archäologischen Park habe die türkische Regierung nicht einmal einen Projektplan vorlegen können.

Die Vergabe der Hermes-Bürgschaften müsse unverzüglich gestoppt werden, wenn sich herausstelle, daß der Staudamm nicht internationalen Kriterien entspreche, erklärte nun die deutsche Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, nach Vorlage des Berichts. Bei einem Treffen mit der türkischen Wasserbaubehörde DSI vergangene Woche in Ankara haben die ECAs der Türkei Aufschub bis Anfang Mai gewährt. Bis dahin müssen "Maßnahmen und Termine zur Umsetzung von Schlüsselaufgaben festgelegt sein", erklärte der Chef der Österreichischen Kreditbank, Rudolf Scholten.

"Der Expertenbericht hat unsere Kritik bestätigt", kommentiert der Wasserbauingenieur Ercan Ayboga von der internationalen 'Kampagne zur Rettung von Hasankeyf'. "Dieses Projekt kann nicht durch Auflagen verbessert werde. Es muß sofort gestoppt werden."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Hasankeyf: Stuttgarter Züblin-Konzern
      bekommt Ärger auf der Aktionärsversammlung (6.07.07)

      Hasankeyf - Das umweltfeindliche Staudamm-Projekt
      wird fortgesetzt / Ilisu ist eine Schande für Deutschland (27.03.07)

      Hasankeyf weiter bedroht
      Ilisu-Staudamm-Projekt wird vorangetrieben (24.09.05)

      'Ilisu-Staudamm-Projekt fortgesetzt'
      Hasankeyf weiterhin bedroht
      (20.05.05)

      'Siemens bedroht Hasankeyf'
      Konzern plant Übernahme von VA Tech und Staudamm-Projekt Ilisu
      (12.11.04)

      'Wasser und Weltbank' (13.07.03)

      'Explosivstoff Wasser'
      Nahost braucht eine gerechtere Verteilung des Wassers (4.02.01)

      'HASANKEYF - Staudammprojekt des Wahnsinns' (7.11.2000)

 

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