Am heutigen Samstag stellten die DemonstrantInnen gegen das Mega-Projekt "Stuttgart 21" einen neuen Rekord auf: Rund 110.000 Menschen beteiligten sich an der Kundgebung. Die Berufung des früheren "schwarzen" Generalsekretärs unter Helmut Kohl, Heiner Geißler, als Schlichter zeigte nicht die von Ministerpräsident Stefan Mappus und Bahn-Chef Rüdiger Grube gewünschte Wirkung einer "Befriedung" des Konflikts. Die von Geißler entsprechend dem Usus bei der Schlichtung in Tarifkonflikten geforderte "Friedenspflicht" wird von Mappus und Grube strikt zurückgewiesen.
Statt einem Baustop wollen Mappus und Grube den GegnerInnen von "Stuttgart 21" den angeblichen Verzicht auf einen sofortigen Abriß des Südflügels des historischen Stuttgarter Hauptbahnhofs als Entgegenkommen verkaufen. Dabei ist klar, das dieser Abriß im Zeitplan aktuell nicht vorgesehen ist und dieser Teil des Gebäudes derzeit der Unterbringung der für die Absicherung der Baustelle zusammengezogenen Polizeieinheiten benötigt wird. Mappus beschwor erneut seine "Dialogbereitschaft".
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht sich immer mehr vom Protest gegen "Stuttgart 21" bedroht und warnte vor der "Unregierbarkeit" Deutschlands: "Wenn wir es nicht schaffen, lokale und gesamtwirtschaftliche Interessen zusammenzubringen, dann ist dieses Land nicht mehr veränderbar." Sie warf der deutlichen Mehrheit der Baden-WürttembergerInnen vor, egoistisch zu sein: Wenn diese nur an sich denken und nicht an kommende Generationen, sei das ein Problem "für unser Land".
Der "schwarze" Ministerpräsident Sachsens, Stanislav Tillich, goß derweil Öl ins Feuer und warf den Westdeutschen generell vor, zu bequem für Veränderung zu sein. "Bei uns gibt es noch mehr Motivation", sagte er gegenüber dem Magazin 'focus'. "Wir haben Kohlekraftwerke gebaut, Straßen und Autobahnen, Braunkohle-Tagebaue erweitert. Das ist in anderen Bundesländern nicht mehr möglich," prahlte Tillich. 20 Jahre nach der Einheit könne der Westen nach Ansicht Tillichs auch etwas vom Osten lernen. In Sachsen gebe es kein Großprojekt, das erfolgreich durch Klagen gestoppt wurde. Er rief seinen Ministerpräsidenten-Kollegen in Baden-Württemberg zum Durchhalten auf: "Die Politik sollte umfassend ein solches Projekt erklären und auf dem einmal eingeschlagenen Weg nicht umkehren."
Auf der heutigen Kundgebung zeigte der ehemalige Leiter des Design-Centers der Deutschen Bahn AG, Karl-Dieter Bodack, mögliche negative Folgen des Mega-Projekts auf. Ein zuverlässiger Bahnbetrieb sei mit dem geplanten "Tunnel-Labyrinth" unter Stuttgart nicht möglich. Auch sei es nicht zu verantworten, den Schloßgarten im Stadtzentrum weitgehend abzuholzen, wenn letztlich nur ein Fahrzeitgewinn von drei Minuten erzielt werden könne. Die Schwabenmetropole habe den am besten funktionierenden Kopfbahnhof Europas, so der ehemalige Bahn-Funktionär. Unter Berufung auf Quellen aus der Führungsetage der Bahn AG berichtete er, dort würden die Chancen eines Scheiterns von "Stuttgart 21" mittlerweile auf 50 Prozent geschätzt.
Die Pseudo-Grünen können bei der für März kommenden Jahres anstehenden baden-württembergischen Landtagswahl mit einem enormen Stimmenzuwachs rechnen. Laut einer vom Magazin 'spiegel' in Auftrag gegebenen Umfrage liegt die Partei mit 32 Prozent nur noch knapp hinter der "C"DU mit 34 Prozent. Während die "S"PD nur noch auf 19 Prozent kommt, dümpeln "F"DP und Linkspartei bei 6 und bei 5 Prozent. Gefragt wurde nach der Stimmabgabe, wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre. Ob der hohe Stimmanteil für die Pseudo-Grünen auf der Hoffnung beruht, daß diese tatsächlich einen Abbruch des Mega-Projekts durchsetzen würden, oder in der Absicht begründet liegt, "Schwarz-Rot-Gelb" auf diese Weise am effektivsten einen Denkzettel zu verabreichen, bleibt offen. Zumindest in Stuttgart jedoch wird auf den Demonstrationen immer häufiger darüber diskutiert, ob sich die baden-württembergischen Pseudo-Grünen einen Wahlbetrug wie ihre Hamburger Parteifreunde im Falle des Kohlekraftwerks Moorburg erlauben könnten.
Laut einer von 'focus' in Auftrag gegebenen Umfrage wollen zwei Drittel der Baden-Württemberger eine Volksabstimmung über das Mega-Projekt, gegen das seit Monaten in Stuttgart Proteste laufen. Allerdings seien in Baden-Württemberg mehr Menschen für den Bau als dagegen: 46 Prozent befürworteten "Stuttgart 21" und lediglich 43 Prozent seien dagegen. Aus einer Anfang September veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Forsa geht jedoch hervor, daß 51 Prozent der Baden-WürttembergerInnen gegen "Stuttgart 21" stimmen und lediglich 26 Prozent für das Projekt. Nach dieser Umfrage spricht sich in der Landeshauptstadt mit 67 Prozent sogar eine satte Zweidrittel-Mehrheit der Menschen gegen "Stuttgart 21" aus.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
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