2.04.2008

Artikel

Tarifabschluß
im öffentlichen Dienst

Eine Bewertung

Nach dem Bild, das die Mainstream-Medien zu vermitteln trachten, konnte sich beim Tarif-Konflikt im öffentlichen Dienst der "grüne" Ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske gegenüber Innenminister Wolfgang Schäuble durchsetzen. Die 'Süddeutsche Zeitung' beispielsweise kommentierte, der Staat müsse "den Gewerkschaften geradezu dankbar sein, daß sie ihn endlich zu einer verbesserten Bezahlung seiner Beschäftigten gezwungen" habe und Ver.di könne nun behauptet, "mehr als acht Prozent herausgeholt zu haben."

Die Löhne sollen laut Tarifabschluß in diesem Jahr um 3,1 Prozent und 2009 um 2,8 Prozent steigen. Zudem wurde ein Sockelbetrag von 50 Euro für die 1,3 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen vereinbart. Im Januar 2009 erhalten die Tarifbeschäftigten eine einmalige Sonderzulage von 225 Euro. Die Ausbildungsentgelte steigen von Januar 2008 an um 70 Euro.

Dies kann nur jedoch dann fröhlich stimmen, wenn die bereits im Frühling nach offiziellen Angaben auf 3,3 Prozent gestiegene Inflation ausgeblendet wird. Mit Blick auf die Entwicklung der gesamten Euro-Zone und auf die unaufhaltsam sich ausbreitende Banken-Krise erscheinen die vereinbarten Prozentzahlen wenig verheißungsvoll.

Selbst unter äußerst optimistischen Annahmen vermag das ausgehandelte Ergebnis - verglichen mit den realen Einkommensverlusten, die den Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den vergangen Jahren zugemutet wurden - kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein angesehen werden. Doch die Gewerkschaftsführung von Ver.di feiert den Abschluß als großen Erfolg.

In welche Richtung auch der aktuelle Tarifabschluß geht, zeigt die darin vereinbarte Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 39 Wochenstunden im Westen und die Beibehaltung von 40 Stunden im Osten. Und die Folgen dieses Abschlusses für die öffentlichen "Arbeitgeber" zeigt sich beispielhaft in folgenden Zahlen: Die Kommunen kostet die vereinbarte nominale Erhöhung 9,5 Milliarden in 2008. Allein 10 Milliarden kostete die Bundesregierung in 2007 die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent.

Laut Berechnungen von Ver.di steigen die Tarifeinkommen in 2008 bei "3,1 plus 50" um durchschnittlich 5,1 Prozent. Die ursprüngliche Forderung nach einem Sockelbetrag von 200 Euro, die die traditionelle Begünstigung der Besserverdienenden durch prozentuale Erhöhungen stärker beschnitten hätte, ließ Ver.di fallen.

Es steht also zu befürchten, daß der Gewerkschaft Ver.di - sobald die realen Folgen des nun gefeierten Abschlusses für die Betroffenen spürbar werden - die Mitglieder nicht mehr wie jetzt in Scharen, sondern in Strömen davonlaufen. Wie dann noch der Druck aufgebaut werden könnte, um die korrupte Gewerkschaftsführung abzulösen, steht in den Sternen.

Doch etwaige Pläne, eine gesellschaftliche Kraft oder gar Partei aufzubauen, die auch nur annähernd die Wirkung einer Gewerkschaft entfalten könnte, ist leider Utopie im schlechtesten Sinne des Wortes.

 

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