Der deutsche Geheimdienst BND zapft mindestens seit zwei Jahren die Kommunikations-Leitungen deutscher Internet-Provider an. Dies geht aus einer Anordnung hervor, die der BND an den Verband der deutschen Internetwirtschaft schickte. Das vertrauliche dreiseitige Schreiben zur strategischen Fernmeldeaufklärung ist von Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium abgezeichnet.
In diesem Schreiben, in dem der Bundesnachrichtendienst (BND) eine "Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses" - sprich: seine Legitimation zum Lauschen - übermittelt, nennt der Geheimdienst 25 Internet-Provider, deren Leitungen er am Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt a.M. anzapft. Unter den 25 Internet-Provider befinden sich auch die sechs deutschen: Freennet, 1&1, Strato, QSC, Lambdanet und Plusserver.
Nach der Einschätzung von ExpertInnen wird über De-Cix fast der gesamte innerdeutsche Datenverkehr abgewickelt. Der BND dürfte als "Auslands-Geheimdienst" eigentlich nur in Fällen von feindlicher Spionage und Landesverrat tätig werden und daher nicht beliebig BundesbürgerInnen bespitzeln - doch wie das Beispiel NSA zeigt, scheren sich Geheimdienste selten um Recht, Verfassung oder Grundgesetz.
Der BND kopiert den Datenstrom, den er Dank der zwangsweisen Beihilfe der Internet-Provider anzuzapfen in der Lage ist und wertet ihn anschließend mit Hilfe von Suchbegriffen aus. Zu den technischen Details der Lauschangriffe äußert sich der BND der Natur seines Metiers entsprechend selbstverständlich nicht. Und ebenso wie der Inlands-Geheimdienst "Verfassungsschutz" dies im Zusammenhang mit der NSU-Affaire immer wieder betonte, versichert auch der BND stets, sich immer an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Nach eigenen Angaben überprüfte er im Jahr 2011 fast 2,9 Millionen E-Mails, SMS und Datenverbindungen, wovon angeblich nur 290 "nachrichtendienstlich relevant" gewesen seien.
Wie nun allerdings auch zutage kam, nimmt es der BND zumindest mit den Formalitäten nicht so genau. Die Abhöranordnungen müssen eigentlich vierteljährlich neu an den Verband der deutschen Internetwirtschaft gesendet werden. Dieser drohte im dritten Quartal dieses Jahres sogar damit, die Abhörleitungen zu kappen, weil die staatliche Legitimation zum Lauschen nach Wochen noch nicht vorlag.
 
 
 
Anmerkungen
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