4.03.2014

Trotz Blockade der Energie-Wende:
RWE schreibt rote Zahlen

Die Großen Vier - Grafik: Samy
RWE, der Primus unter den "Großen Vier", mußte heute ein horrendes Nettoergebnis von minus 2,8 Milliarden Euro bekannt geben. Konzern-Chef Peter Terium versuchte bei der Bilanz-Präsentation Nebel zu verbreiten und erklärte: "RWE hat zu spät in erneuerbare Energien investiert." Doch real entzieht jeder in die Energie-Wende investierte Euro den "Großen Vier" ein Stück ihrer Geschäftsgrundlage.

Noch im Vorjahr hatte RWE ein Plus von 1,3 Milliarden vorzuweisen. Als formalen Grund für den hohen Verlust, mit dem der Konzern erstmals seit Gründung der Bundesrepublik rote Zahlen schrieb, nennt Terium Abschreibungen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro vor allem auf Kohle- und Gaskraftwerke (die Atomkraftwerke sind längst abgeschrieben). Das um Abschreibungen bereinigte Netto-Ergebnis weist statt den 2,5 Milliarden Euro des Vorjahres immerhin noch 2,3 Milliarden Euro auf. Tatsächlich aber haben vor allem die Verluste um mehr als 50 Prozent bei der konventionellen Stromerzeugung und die gesunkenen Strom-Preise an der Leipziger Strombörse EEX hierzu beigetragen - und diese sinken wegen der niedrigen Produktionskosten für Strom aus Windkraftwerken und Solarzellen (Siehe unseren Artikel v. 12.07.13).

RWE-Vorstandsvorsitzender Peter Terium erklärte in seiner Rede: "Sicher, wir haben auch Fehler gemacht. Wir sind spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen - vielleicht zu spät." Doch mit einem Einstieg in die erneuerbaren Energien hätte sich RWE selbst das Grab geschaufelt. Erneuerbare Energien lassen sich nur dezentral erzeugen - nicht in zentralisierten Großkraftwerken. Und wegen der geringeren Schwelle bei den Investitionskosten kann die Konkurrenz nicht mehr vom Markt ferngehalten werden, sobald die Produktionskosten für Strom aus Wind, Sonnenlicht, Wasserkraft und Biogas mit denen der fossilen Energieträger (Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas) gleichziehen. Bei der Atomenergie hingegen war die Stromproduktion schon immer unwirtschaftlich - doch hier wurden die Produktionskosten mit Hilfe einer staatlichen indirekten Subventionierung der Haftpflichtkosten künstlich "tiefergelegt".

Doch die sinkenden Strompreise an der Leipziger Strombörse EEX, an der nur die Großen zugelassen sind, kommen bei den Haushalten nicht an. Zynischer Weise schieben die "Großen Vier" und ihre Lautsprecher in der Parteien-Politik und den Mainstream-Medien ausgerechnet den erneuerbaren Energien die Schuld für steigende Strompreise zu (Siehe unseren Artikel v. 9.11.12). Ohne die Marktmacht, die sich auf ihre Oligopol-Stellung gründet, hätten die "Großen Vier" die Strompreise in den vergangenen 14 Jahren nicht mit Steigerungen deutlich über der Inflationsrate in die Höhe treiben können.

Strompreise in Deutschland, 1991 bis 2012

Solange das Oligopol der "Großen Vier" nicht zerschlagen wird, hat die Energiewende - und damit auch ein Atom-Ausstieg - in Deutschland keine Chance, schnell durchgesetzt zu werden. Dies hatte schon Hermann Scheer erkannt und unmißverständlich formuliert.

"Es bleibt keine andere Wahl, als die Strukturmacht des etablierten Energiesystems zu brechen,... "

"Investitionen in Großkraftwerke und Infrastrukturen haben Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahrzehnten. Die jeweiligen einzelnen Investitionen erfolgen nie zum gleichen Zeitpunkt. Die Zahl vorfinanzierter Großinvestitionen ist immer ungefähr so groß wie die der abgeschriebenen. (...) Die Lokomotivführerrolle für erneuerbare Energien wird auch in Zukunft nicht aus dem konventionellen Energiesystem kommen."

"... das atomar-fossile Energiesystem kann das voraussichtlich letzte Gefecht zu seiner Selbsterhaltung nicht mehr gewinnen. Der Versuch, die praktische Umorientierung auf erneuerbare Energien mit gezinkten Zukunftsoptionen zu verhindern, ist zum Scheitern verurteilt. (...) Beruhigend ist das nicht, denn die Gefahr, daß der bevorstehende Untergang des etablierten Energiesystems die Gesellschaften mit in den Abgrund reißt, ist zu groß."

"Jede lineare Entwicklung bricht irgendwann ab, wenn die natürlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kreisläufe ihr entgegenstehen, wenn sie sich nicht mehr ausreichend rückkoppelt und ihre eigenen Stellgrößen nicht mehr verändert. Ist ein System übermächtig, kann es seine Existenz eine Zeitlang über Gebühr verlängern. Doch auch mit wachsender Größe werden die Unternehmen der Energieversorgung unbeweglicher - nicht trotz ihrer Kapital- und Organisationsmacht, sondern wegen ihr. Der Selbsterhaltungsversuch findet dann selbst wider bessere Einsicht oder Erkenntnis ihrer Verantwortlichen statt, denen die möglichen Bruchpunkte nicht verborgen bleiben können."

(Alle Zitate aus: Hermann Scheer, "Energieautonomie - Eine neue Politik für erneuerbare Energien", Verlag Antje Kunstmann, 2005)

Und so wissen sicherlich Peter Terium, Johannes Teyssen, Tuomo Hatakka und Frank Mastiaux ganz genau, warum RWE, E.on, Vattenfall und EnBW nie ernsthaft in die erneuerbaren Energien investierten und daß die Zeit der "Großen Vier" unwiderruflich zu Ende geht. Doch auch mit dem Wissen, daß sie ihre enormen Vorstandsgehälter nur noch wenige Jahre kassieren können, werden sie den Kurs der Konzerne kaum zu ändern wagen. Denn sollten sie dies versuchen, würden sie schnell durch andere Manager abgelöst. Die Dynamik, die in dem gigantischen Kapitalvolumen steckt, das ein Konzern wie RWE verkörpert, läßt keinen Kurswechsel um 180 Grad zu. Das Gerede von einem Umbau des baden-württembergischen Strom-Konzerns EnBW, der weiterhin - jetzt "grüngetüncht" - die zwei Atom-Reaktoren in Neckarwestheim und Philippsburg betreibt, in einen "Grün-Konzern" sind ebenso Vernebelungs-Taktik wie die heutigen Sprüche Peter Teriums ("Deutschland will die Energie-Wende und die Energie-Wende braucht RWE."). Und so werden die "Großen Vier" - um den Preis ihres Untergangs - weiter ihre Macht in Berlin und den Landeshauptstädten dazu nutzen, die Energie-Wende noch ein wenig hinauszuzögern.

Konkret geht es derzeit darum, daß die Bundesregierung einen sogenannten Kapazitätsmechanismus einführen soll. Damit wollen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW dafür belohnt werden, unrentable Kraftwerke einsatzbereit zu halten - statt etwa bekannte und bewährte Stromspeicher wie Pumpspeicherkraftwerke und Druckluftspeicherkraftwerke zu bauen.

Derzeit arbeiten nach eigenen Angaben 20 bis 30 Prozent der RWE-Kraftwerke nicht einmal kostendeckend. Der Aktienkurs von RWE ist zwischen 2008 und 2013 um über 70 Prozent gesunken, bei E.on waren es in diesen fünf Jahren sogar fast 75 Prozent. Laut einer Studie der Schweizer Großbank UBS wird sich der Bau privater Solaranlagen in Deutschland schon bald sogar ganz ohne Fördermittel rentieren. Die UBS prognostiziert, daß in der Folge die Stromverkäufe von RWE, E.on, Vattenfall und EnBW bis 2020 um weitere 20 Prozent einbrechen - und ihre Gewinne aus dem Stromgeschäft um 50 Prozent absacken.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      2013: Schwarzes Jahr für Solar
      55 Prozent Rückgang gegenüber 2012 (10.01.14)

      Die 300 Prozent von St. Peter
      Ein kleiner Schwarzwaldort weist den Weg (14.12.13)

      Schwarze Kassen bei der "grünen" EnBW?
      Baden-württembergische Staatsanwaltschaft ermittelt (28.10.13)

      EU-Kommissar Oettinger manipuliert
      Subventionsbericht zu erneuerbaren Energien (14.10.13)

      IKEA in Konkurrenz zu Strom-Konzernen
      Solar-Anlagen aus dem Möbelhaus (30.09.13)

      Erneuerbare Energien - In einer realen Marktwirtschaft
      müßten die Strompreise sinken (12.07.13)

      OLG Düsseldorf kippt Netzkosten-Befreiung
      Auswirkungen auf den Strompreis? (7.03.13)

      Steinbrück für höhere Strompreise
      Der "rote" Lobbyist für ThyssenKrupp (8.01.13)

      Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
      Zur Zeit werden Lügen verbreitet (9.11.12)

      Ist die Energie-Wende zu teuer?
      Im Gegenteil: jährlich könnte
      über drei Milliarden Euro eingespart werden (19.10.12)

      Erneuerbare Energien über 25 Prozent
      Energie-Wende immer rigider gebremst (26.07.12)

      War Röttgen ein deutscher Umweltminister?
      Die Rolle politischer Illusionisten (16.05.12)

      86 Prozent der Deutschen:
      Erneuerbare Energien sind wichtig
      Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)

      Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
      mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)

      Sozialabbau und Strompreise
      (28.01.08)

      E.on, RWE, EnBW und Vattenfall
      treiben die Strompreise hoch
      Kartellamt sitzt auf brisanten Ermittlungsdaten (5.11.07)

      Für oder gegen die Stromkonzerne?
      Was treibt die Bundesregierung hinter den Kulissen? (7.01.07)

      "Rot-Grün" schützt Strom-Monopole
      Aktuelle Ausgabe der 'Zeit' veröffentlicht Fakten (5.08.04)

 

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