14.03.2008

Artikel

Tibet kämpft
gegen Unterdrückung

Ziel der Protestbewegung diffus

Die in den vergangenen Tagen von buddhistischen Mönchen begonnenen gewaltfreien Proteste gegen das chinesische Regime wurden heute nach übereinstimmenden Meldungen von gewalttätigen Angriffen auf chinesische Geschäftsleute und EinwohnerInnen Tibets begleitet. Die unter zentral-chinesischem Kommando stehende Polizei schoß auf DemonstranInnen, es gab Tote und Verletzte.

Die Proteste begannen am 10. März, dem 49. Jahrestag eines tibetischen Aufstands gegen die chinesische Gewaltherrschaft. Am 19. Dezember 1950 floh der damals 15-jährige Lhamo Dhondrub, der seit 1940 vom Klerus der tibetischen Richtung des Buddhismus als 14. Dalai Lama verehrt wird, zum ersten Mal vor der chinesischen Besetzung Tibets. Im Sommer 1951 kehrte er nach Lhasa zurück und für einige Jahre arrangierte er sich mit der kommunistischen Diktatur unter Mao Tsetung. 1959 floh er erneut und diesmal endgültig ins indische Exil.

Da das chinesische Regime eine unabhängige Berichterstattung unterbindet, ist es äußerst schwer, unvoreingenommene Informationen zu erhalten und von Desinformation zu unterscheiden. Mit Sicherheit handelt es sich jedoch bei Meldungen über rot gekleidete buddhistische Mönche, die mit Stöcken bewaffnet an gewalttätigen Aktionen beteiligt gewesen seien, um solche Desinformation. Aus verschiedenen Quellen bestätigt wurden Informationen, wonach zahlreiche tibetische Jugendliche chinesische Autos und Geschäfte angezündet hätten. Offensichtlich orientieren diese sich nicht an den Aufrufen des in westlichen Medien als "geistliches Oberhaupt" der TibeterInnen bezeichneten Dalai Lama, der nach eigenen Aussagen auf gewaltfreie Proteste setzt, um eine teilweise Autonomie Tibets durchzusetzen.

Während der Dalai Lama, der 1989 den Friedensnobelpreis erhalten hat, dem chinesischen Regime immer wieder Angebote zu Gesprächen machte, griff er jetzt die chinesische Politik in Tibet als "ethnischen Genozid" an. Dies dürfte nun wiederum den Machthabern in Peking (Beijing) einen Vorwand liefern, diese Gesprächsangebote weiterhin zu ignorieren.

Der Vorwurf des ethischen Genozids ist überzogen, auch wenn vom Pekinger Regime eine Politik der stetigen ethnischen Hegemonisierung betrieben wird. So dürfen zwar die buddhistischen Klöster weiter bestehen, doch die tibetische Sprache wird zurückgedrängt, indem beispielsweise LehrerInnen in Schulen und Kindergärten dazu verpflichtet sind, zumindest den überwiegenden Teil der Zeit chinesisch zu sprechen. Systematisch wurde die Ansiedlung von ChinesInnen gefördert. Wie in anderen Landesteilen auch ist Opposition gegen das Pekinger - nach wie vor als kommunistisch firmierende - Zentral-Regime, äußerst riskant. Viele Menschen sind in Tibet inhaftiert, weil sie sich zum Dalai Lama bekennen und die Trennung eines religiösen von einem politischen Bekenntnis kaum möglich ist. Wie in allen Teilen Chinas werden die Medien zentral reglementiert und in Tibet existiert lediglich eine Zeitung in tibetischer Sprache, die auf zwei Blätter beschränkt ist. Die besseren Arbeitsplätze in Tibet werden weitgehend von ChinesInnen besetzt und selbst die Taxifahrer in der Hauptstadt Lhasa sind fast ausschließlich Chinesen. Doch noch sind die TibeterInnen - auch in Lhasa - keinesfalls eine Minderheit.

Die brutale Unterdrückung der TibeterInnen durch das chinesische Regime ist bei weitem nicht vergleichbar mit dem ethnischen Genozid an den !Kung in Botswana und Namibia, zu dem vom Dalai Lama bislang kein Protest zu vernehmen war.

Welches Ziel die gegenwärtige Protestbewegung hat, ist schwer auszumachen. Die nicht selten mit Jeans und Lederjacke bekleideten tibetischen Jugendlichen haben oft nur die Alternative zwischen dem diktatorischen Pekinger Regime und einem parlamentarischen System westlicher Prägung vor Augen. Wenn auch viele den Dalai Lama als "geistliches Oberhaupt" Tibets sehen, beteiligen sie sich zugleich an gewaltsamen Aktionen und idealisieren die Zustände in den USA.1

Die Frage Pro oder Contra Boykott der Olympischen Spiele, die in diesem Jahr vom chinesischen Regime ausgerichtet werden sollen, ist irrelevant. Daß diese Form drogengeschwängerten "Leistungs"-Sports jemals einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet hätte, konnte nie nachgewiesen werden. Die Olympischen Spiele dienten jedoch vielfach zur Propaganda nicht nur im Sinne diktatorischer Regime, sondern auch im Sinne einer an Konkurrenz, Betrug und Reichtum orientierten Kultur. Sollte diese Veranstaltung ausfallen, wäre es sicherlich kein Verlust, sondern ein Gewinn. Es wäre allerdings eine Illusion, anzunehmen, das Pekinger Regime ließe sich von einer Boykott-Androhung beeinflussen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu beispielsweise

      Lakota trennen sich von den USA
      "Verträge nicht eingehalten" (22.12.07)

      Die US-"Endlager"-Pläne
      und die Schoschonen (10.09.03)

Siehe auch unsere Artikel

      Todesstrafe in New Jersey abgeschafft
      Kommt es zu einer Trendwende in den USA? (15.12.2007)

      ai-Demonstration vor chinesischer Botschaft
      15.504 Unterschriften für die Freilassung des Journalisten Shi Tao
      (24.08.2007)

      Der Machtkampf um Tibet geht weiter
      Die Entführung des Gott-Kindes (5.05.2000)

      Einem Pulverfaß keine Lunte geben
      Der Dalai Lama über Kosovo und Tibet... (6.05.1999)

 

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