12.08.10

Studie des Umweltbundesamtes
Stuttgart 21 provoziert Nadelöhr

historischer Stuttgarter Hauptbahnhof Eine Studie des Bundesumweltamtes, an der der bekannte Kritiker der Mega-Projekts Michael Holzhey mitgearbeitet hat, diagnostiziert eine fatale ungeplante Wirkung von "Stuttgart 21": Ein Nutzen für den Güterverkehr sei nicht zu erwarten, im Gegenteil müsse damit gerechnet werden, daß dieser behindert würde. "Stuttgart 21" sei letztlich "verkehrlich hochgradig ineffektiv".

Der Chef des Umweltbundesamtes (UBA) Jochen Flasbarth distanzierte sich am gestrigen Mittwoch umgehend von der Studie und betonte gegenüber der 'Süddeutschen Zeitung': "Stuttgart 21 ist ein Einzelprojekt. Damit ist es kein Thema, zu dem sich das Umweltbundesamt positioniert." Zwar halte er selbst das Bahnhofsprojekt "nicht für zwingend richtig". Aber die erforderlichen Mittel für den Ausbau der Schienenwege ließen sich auch anderweitig beschaffen, etwa durch Umschichtungen im Verkehrshaushalt oder durch zusätzliche Einnahmen aus der LkW-Maut. "Die Studie sollte zeigen, was wir eigentlich tun müssen, um Engpässe zu beseitigen." Ähnlich äußerte sich nun auch Michael Holzhey: "Stuttgart 21" mache nur einen kleinen Teil der Studie aus.

Dennoch ist die UBA-Studie für die GegnerInnen des Mega-Projekts ebenso wie eine vom 'stern' Anfang Juli veröffentlichte und bis dato von der baden-württembergischen Landesregierung geheim gehaltenen Studie des renommierten Züricher Verkehrsplanungsinstituts SMA eine Steilvorlage. Aus der UBA-Studie geht hervor, daß mit der geplanten unterirdischen Anlage des Stuttgarter Hauptbahnhof und der damit zwangsweise verküpften Einschränkung der Bahngleise nicht nur für den Personenverkehr ein Nadelöhr entsteht. Insbesondere durch die mit dem Projekt verbundenen Umbauten am gesamten Schienennetz um Stuttgart würden deutliche Nachteile für die Güterbahn provoziert. Die Argumente aus den Studien untermauern und ergänzen die von den KritikerInnen des Projekts schon seit langem erhobenen Vorwürfe.

Zugleich mußten die GegnerInnen von "Stuttgart 21" am Mittwoch abend eine juristische Niederlage einstecken. Das Oberlandesgericht Stuttgart lehnte einen Eilantrag auf Stop der Abrißarbeiten am Nordflügel des historischen Stuttgarter Hauptbahnhofs ab. Geklagt hatte Peter Dübbers, der Enkel des Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz. Dübbers wollte mit der einstweiligen Verfügung erreichen, daß die Arbeiten gestoppt werden, bis in einem Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit des Teilabrisses entschieden worden ist.

Neben dem fraglichen verkehrstechnischen Nutzen des Mega-Projekts und einer möglichen Einschränkung für Stuttgarter S-Bahn-Linien, stehen vor allem die Kosten im Mittelpunkt der Kritik. Die veranschlagten Kosten stiegen bereits von ursprünglich knapp 2,6 Milliarden auf 4,1 Milliarden Euro. Laut unabhängigen Schätzungen muß mit Gesamtkosten von über 10 Milliarden Euro gerechnet werden. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Rekordverschuldung der öffentlichen Kassen, auf die im europäischen Vergleich äußerst dürftigen Investitionen in die Bahn und auf den anhaltenden Abbau des deutschen Schienennetzes, während dieses in den meisten europäischen Ländern ausgebaut wird. GegnerInnen von "Stuttgart 21" befürchten zudem bei den Grabungen zur Verlegung des Hauptbahnhofs unter die Erde mit fatalen Eingriffen in den Wasserhaushalt und negativen Auswirkungen auf die einzigartigen Mineralquellen von Bad Cannstatt. Nicht zuletzt entzündet sich der Widerstand daran, daß für das Prestige-Projekt rund 300 Bäume im nahen Schloßpark gefällt werden sollen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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      Wachsender Protest gegen "Stuttgart 21"
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      Zehntausende gegen "Stuttgart 21" (10.07.10)

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