20.02.2016

Fakten contra Theorie
Wie starben Mundlos und Böhnhardt?

Hirnmasseverlust bei Böhnhardt / bei Mundlos - Grafik: Samy
Der unter anderem im Internet-Magazin 'telepolis' in einem Artikel von Walter Gröh kritisierte Schriftsteller Wolfgang Schorlau erläutert heute nochmals die von ihm recherchierten Fakten und seine Schlußfolgerungen. Diese hatte er in seinem Kriminalroman 'Die schützende Hand', der im November 2015 erschienen war, in eine fiktive Handlung eingeflochten.

Laut der von offizieller Seite verbreiteten Hypothese befanden sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach einem Banküberfall auf die Sparkasse am Nordplatz in Eisenach am 4. November 2011 in einem Wohnmobil Fiat Capron-Sunlight. Keine weitere Person habe sich in diesem Wohnmobil befunden. Als sich Polizei-Beamte gegen 11:30 Uhr dem verdächtigen Wohnmobil näherten, wurden sie beschossen. Daraufhin habe Mundlos zunächst Böhnhardt erschossen, dann das Wohnmobil in Brand gesteckt und sich anschließend selbst erschossen.

Um Durcheinander zu vermeiden, beginnen wir hier zunächst mit den Fakten, die zu den Todesumständen des mutmaßlichen NSU-Terroristen und Bankräubers Uwe Mundlos vorliegen. Aus einem toxikologischen Gutachten der Rechtsmedizin der Universitätsklinik Jena vom 23. November 2011 (nicht zu verwechseln mit dem Obduktionsbericht vom 28. November 2011) mit geht hervor, daß bei Mundlos "eine Rauchgasvergiftung definitiv ausgeschlossen werden kann". Weiter hat Schorlau recherchiert, ob Mundlos überhaupt Ruß oder Rauchgas eingeatmet hat.

Dr. Reinhard Heiderstädt hat die Obduktionen von Mundlos und Böhnhardt mit durchgeführt und tritt als Sachverständiger im NSU-Prozess vor dem OLG München auf. Während des 114. Verhandlungstags am 21. Mai 2014 erläutert er dem Gericht die Rauchgas- und Ruß-Problematik bei den beiden Toten im Wohnmobil. Zu Mundlos äußerte Dr. Heiderstädt laut Protokoll, daß sich in dessen Leiche "keine Rauchgas- oder Ruß-Einatmung" befunden habe.

Ein weiterer wichtiger Fakt ist der toxikologische Befund zu Kohlenmonoxid im Blut von Mundlos: Die Konzentration des mit Kohlenmonoxid verbundenen Hämoglobin (CO-Hb) lag mit 3 Prozent im unteren Normalbereich. Zum Vergleich: Bei RaucherInnen findet sich häufig eine Konzentration von bis zu 10 Prozent CO-Hb. So heißt es in dem toxikologischen Gutachten: "Aufgrund der Auffindesituation in einem ausgebrannten Wohnmobil wurde zum Ausschluß einer Rauchgasvergiftung die Kohlenmonoxid-Hämoglobin-(CO-Hb)-Konzentration im Herzblut bestimmt. Die dabei erhaltene CO-Hb-Konzentration lag mit 3 Prozent im physiologischen Normbereich, so daß eine Rauchgasvergiftung definitiv ausgeschlossen werden kann."

Nun wäre bei einer extrem schnellen Brandentstehung - beispielsweise bei einer Verpuffung von Benzin - und einer extrem kurzen Zeitspanne zwischen der Brand-Entstehung und dem Atemstillstand des Brand-Verursachers durchaus ein Befund wie im Falle von Mundlos plausibel. Bei solchen Fällen eines sogenannten perakuten Verbrennungsschocks kommt es dann häufig aber zur Einatmung heißer Gase samt Giftstoffen, die sich dann schädigend auf die Atmungsorgane auswirken. Aber auch entsprechende Verbrennungs- oder Vergiftungs-Symptome an den Atemwegen - hervorgerufen durch einen perakuten Verbrennungsschock - wurden bei der Obduktion von Mundlos nicht festgestellt.

Aus diesen Fakten zieht Schorlau den Schluß (den er seiner Roman-Firgur Georg Dengler in den Mund legt): "Bei Mundlos, der angeblich das Feuer gelegt haben soll, gab es weder Rußpartikel in den Atemwegen und in der Lunge noch – und das ist entscheidend – erhöhte Kohlenmonoxid-Werte im Blut. Das heißt: Mundlos hat kurz vor seinem Ableben wohl kein Feuer erlebt oder besser: Er hat keinen Rauch eines sich schnell entwickelnden Brandes eingeatmet."

Dies ist etwas ganz anderes als sie unterstellende Behauptung Gröhs: "Schorlau schlussfolgert: Da Mundlos keinen Ruß und kein Rauchgas eingeatmet habe, hätte er den Brand im Campingwagen nicht gelegt haben können."

Um die offizielle Hypothese zu bewerten, sind die vorliegenden Fakten über die sowohl bei den beiden Leichen als auch im Wohnmobil nicht aufzufindende Gehirnmasse von insgesamt rund zwei Kilogramm zu betrachten. Ein durchschnittlicher europäischer, erwachsener Mann besitzt ein Gehirn mit einer Masse von etwa 1400 Gramm. Nicht auffindbar ist im Falle von Mundlos zwischen 700 und 800 Gramm Gehirnmasse und im Falle von Böhnhardt zwischen 1200 und 1300 Gramm. Bei Böhnhardts Leiche wurde bei der Obduktion nur noch eine Resthirnmasse von 102 Gramm vorgefunden. Dr. Heiderstädt und seine Kollegin gaben in ihrem Obduktions-Bericht bei Mundlos eine Resthirnmasse von 558 Gramm an. Sie beschreiben an der Pulloverjacke von Mundlos "Blutanhaftungen" und "Hirnanhaftungen", deren geringe Masse von ihnen nicht einmal beziffert wurde. Bei beiden Toten fehlen insgesamt rund 2000 Gramm Gehirnmasse, die innerhalb des Wohnmobils von den Tatort-ErmittlerInnen zwingend hätten gefunden und asserviert werden müssen. Im Übrigen wurden auch nirgendwo im Wohnmobil versprengte Schädel-Knochen gefunden und asserviert.

Bei einem sogenannten Krönleinschuß wird der Schädel des Getroffenen durch die hochenergetische Geschoßwirkungen gesprengt. Dabei muß in unmittelbarer Nähe des geplatzten Schädels ausgetretenes Hirngewebe (bei Mundlos knapp ein Kilogramm Gehirnmasse) und zusätzlich Blut und Schädel-Knochen als spezielles Spurenmuster zu erkennen und aufzufinden sein. Es findet sich im gesamten Tatort-Bericht der Kripo Thüringen kein einziger Hinweis auf ein typisches Spurenbild eines Krönleinschusses an irgendeiner Stelle im Inneren des Wohnmobils.

Schorlau zieht den Schluß: "Nach allem, was die Ermittlungsergebnisse zeigen, gilt: Die Krönleinschüsse können – allein schon wegen der nicht vorhandenen typischen Spurenlage – also nicht im Camper stattgefunden haben." In den Worten der Roman-Figur Georg Dengler: "Die beiden wurden definitiv nicht im Wohnmobil getötet."

Die nicht zur offiziellen Suizid-Hypothese passenden Patronenhülsen sind ein weiterer wichtiger Fakt. Gröh bringt in seinem Artikel eine Vermutung ins Spiel, die diesen Fakt in Übereinstimmung mit der Hypothese bringen sollen: "Passend zu den zwei aus der Winchester »Pumpgun« Modell 1300 Defender abgegebenen Schüssen wurden zwei 70 Millimeter lange Patronenhülsen gefunden. Waffenexperten sagten aus, daß Mundlos seine »Pumpgun« nach dem Abfeuern des tödlichen Kopfschusses auf sich selbst nicht noch einmal nachladen und die Patrone auswerfen konnte. Die leere Hülse bliebe bei diesem Schusswaffentyp bis zum Nachladen im Lauf, aber die verwendete Munition töte sofort, so dass auch keine krampfartige Reaktion mehr möglich sei. — Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die »Pumpgun« nicht geladen war und vor dem ersten Schuss zuerst die erste Hülse ausgeworfen werden musste - was aber merkwürdig wäre, da alle anderen sieben Waffen geladen waren (Pumpgun Mossberg Maverick 88; Revolver Alfa -PROJ; Pistole Heckler und Koch, Mod. 2000, 9mm Luger; Pistole Heckler und Koch, Mod. P2000, 9mm Luger; Maschinenpistole Pleter 91; Revolver Melcher, ME900SA; Pistole Ceská 70, 7.65 Browning)."

Schorlau merkt hierzu an, daß diese Erklärung nicht schlüssig ist. Falls Mundlos die »Pumpgun« tatsächlich vor dem ersten Schuß, dem auf Böhnhardt, geladen hätte und dabei die erste Hülse ausgeworfen wurde, wäre vor dem zweiten Schuß, mit dem sich Mundlos erschossen haben soll, die zweite Hülse ausgeworfen worden - aber: Eine dritte Patronenhülse hätte sich dann in der »Pumpgun« befinden müssen... Nach den Angaben des Berichts der Kripo Thüringen vom Tatort in Eisenach-Stregda war der Verschluß der Waffe allerdings offen. Beim Auffinden der Waffe wurde keine dritte leere Hülse - weder in, noch außerhalb dieser »Pumpgun« gefunden. Und auch wenn eine dritte Hülse im Wohnmobil gelegen hätte, aber nicht gefunden worden wäre, hätte Mundlos – nach seinem sofort tödlichen Kopfschuß – die »Pumpgun« noch entladen müssen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Todes-Serie der NSU-ZeugInnen
      Der fünfte Sarg (15.02.16)

      Toter NSU-Zeuge ermordet?
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      NSU-DVD von 2005 aufgetaucht
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      Thüringer NSU-Ausschuß
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      Fahndung nach Neo-Nazi-Terror-Bande
      im Juni 2003 abgeblockt
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      NSU-Zeuge im Auto verbrannt
      Wurde Florian Heilig ermordet? (12.10.13)

      Gehörten V-Leute zu NSU?
      Geheime Liste mit 129 Personen (24.03.13)

      Brisante NSU-Listen mit Kontakt-Daten
      15 Jahre lang verschwunden (1.03.13)

      Experte Hajo Funke:
      NSU bestand aus mehr als 3 Personen (25.01.13)

      NSU und Behörden
      Schlamperei oder Beihilfe zum Terror? (4.08.12)

      Polizei und Ku-Klux-Klan
      Kollegen von Kiesewetter waren Mitglied (31.07.12)

      4. November 2011: Wer versuchte
      Beate Z. anzurufen?
      Telefon-Nummer aus dem
      Sächsische Staatsministerium des Innern (30.05.12)

      Neue Hinweise auf staatliche Beihilfe
      für Neonazi-Terrorbande (12.02.12)

      Standen staatliche Organe
      hinter der Neonazi-Terrorbande NSU? (30.01.12)

      Neonazi-Terrorbande
      Beate Z. wurde 2007 polizeilich vernommen (29.01.12)

      Neonazi-Terrorbande
      "Verfassungsschutz" war detailliert informiert (31.12.11)

      Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe:
      Kontakt im Jahr 1999 (22.12.11)

      Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe
      durch Staatsorgane (20.12.11)

      Wie kam die Neonazi-Terrorbande
      zu gefälschten Pässen? (18.12.11)

      Neonazi-Terrorbande
      Die Spur führ nach Ludwigshafen (17.12.11)

      Bericht eines US-Geheimdienstes:
      Deutsche Agenten in Mord an Polizistin verwickelt (30.11.11)

      Neonazi-Zelle für versuchten
      Terror-Anschlag 1997 verantwortlich?
      Viele Hinweise auf Geheimdienst-Verwicklung (20.11.11)

      Festnahme der Neonazi-Zelle 1999 gestoppt
      Befehl von "oben" (18.11.11)

      V-Mann "Kleiner Adolf"
      war in Kassel bei Mord zugegen (15.11.11)

      Neonazi-Terroristen
      Pässe vom Geheimdienst? (13.11.11)

 

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