16.02.2009

Neue Klimastudie:
Beschleunigtes Tempo

Kipp-Punkt näher als bislang vorhergesehen

Laut einer aktuell veröffentlichten Studie von KlimaforscherInnen schreitet der Klimawandel schneller voran, als vom Weltklimarat IPCC bislang prognostiziert wurde. Ein Kipp-Punkt1, nach dessen Überschreiten die Erhitzung der Erdatmosphäre auch ohne menschengemachte Klimagas-Emissionen in einen sich selbst verstärkenden und beschleunigenden Prozeß übergeht, liegt demnach näher als bislang vorhergesehen. KlimaforscherInnen sind schockiert.

Zur Zeit besteht noch die Möglichkeit, daß bei einer drastischen Reduktion der Klimagas-Emissionen - insbesondere des Kohlendioxids (CO2) - das System der Erdatmosphäre wieder in den für das Überleben der Spezies Mensch tragfähigen Gleichgewichtszustand zurückfindet. Bei einem Überschreiten des Kipp-Punkts wird ein neuer Gleichgewichtszustand möglicherweise erst erreicht sein, wenn die Polkappen abgeschmolzen und die Weltmeere einen um mehr als 60 Meter höheren Pegel erreicht haben.

Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre ist in den Jahren 2000 bis 2007 noch weitaus schneller vorangeschritten als von ExpertInnen vorhergesehen. Das sagte der Klimaforscher Chris Field von der Stanford Universität und dem Carnegie Institut für Wissenschaft in Chicago. Field ist Mitglied des internationalen Gremiums zum Klimawandel des Weltklimarates IPCC. Laut der aktuellen Studie ist daher damit zu rechnen, daß wir in Zukunft mit einem Klima konfrontiert sein werden, das auch die düstersten Szenarien in den Schatten stellt. "Wir haben es in der Zukunft mit einem Klima zu tun, das weit über alles hinausgeht, was wir auf der Grundlage von Simulationen bisher ernsthaft erwogen haben", warnte Field. Grundlage für die Revision bisheriger Prognosen ist das rapide Auftauen der Permafrost-Böden in Sibirien und Kanada.

Field und seine KollegInnen konzentrierten ihre Untersuchungen in den vergangenen Jahren auf die auftauenden Permafrostböden in Sibirien und Kanada, die Eisschmelze in der Arktis, und die Gefahr von Waldbränden in den Tropen. Bisher seien die Regenwälder noch durch ihre Feuchtigkeit geschützt, erläuterte Field. Bei weiter steigenden Temperaturen aber könnten sie so weit austrocknen, dass sie Feuer hilflos ausgeliefert wären. Jüngste Klimamodelle sagen voraus, daß der Verlust der tropischen Wälder die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bis zum Ende des Jahrhunderts um einen Wert zwischen 10 und 100 Teilen pro Million (parts per million - ppm) anheben wird: Das könnte dramatische Folgen nach sich ziehen, sagt Field.

Angesichts der auftauenden Permafrostböden in der arktischen Trundra sprechen die WissenschaftlerInnen sogar von einer tickenden Zeitbombe: Aus den auftauenden Permafrostböden könnten Milliarden Tonnen klimaschädlicher Gase entweichen, die dort bislang sicher gespeichert waren. So entweicht aus den so genannten Torf-Zyklus-Ökosystemen neben Kohlendioxid auch das etwa 300 Mal klimawirksamere Distickstoffoxid, das auch als Lachgas bekannt ist.

Pertti Martikainen von der Universität Kuopio fand gemeinsam mit russischen KollegInnen bei Studien nahe dem sibirischen Workuta heraus, daß das Gas bei der Kryoturbation freigesetzt wird, einem Prozeß, der beim Auftauen und Wiedergefrieren der Böden stattfindet. "Es gibt Beweise, daß die Erwärmung der Arktis die Kryoturbation beschleunigt, was zu mehr Torf-Zyklen in der Zukunft führen wird", erklärt Martikainen. Dies würde dann zu gestiegenen Lachgas-Emissionen führen und dadurch den Klimawandel begünstigen.

Erkenntnissen des Weltklimarats IPCC zufolge sind in den Tundren deutlich höhere Mengen am Treibhausgasen gespeichert, als bislang bekannt. Jüngste Schätzungen gingen laut Chris Field vom IPPC von etwa 1000 Milliarden Tonnen aus. Seit Beginn des Industriezeitalters wurden durch das Verbrennen fossiler Stoffe etwa 350 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. "Tauende Permafrostböden werden bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre stark aufs Gaspedal drücken", sagte Field auf einer Tagung der WissenschaftlerInnen-Verbandes American Association for the Advancement of Science in Chicago.

Französischen WissenschaftlerInnen zufolge ist auf der Südhalbkugel der Erde die Fähigkeit der Ozeane gesunken, CO2 zu binden. Laut Nicolas Metzl vom Französischen Nationalen Forschungsinstitut wühlen die durch den Klimawandel hervorgerufenen starken Winde die Meere auf und wirbeln dadurch mehr CO2 an die Oberfläche.

2008 war global eine menschengemachte Emission von rund 10 Milliarden Tonnen CO2 zu verzeichnen. Der Ausstoß steigt weiterhin um jährlich 3,7 Prozent. In den 90er Jahren waren es noch rund 6 Milliarden Tonnen. Damals konnte jedoch etwa ein Drittel davon durch die Meere gebunden werden - also etwa zwei Milliarden Tonnen. "Heute sind wir bei unter zwei Tonnen", sagte Metzl. Damit wird heute nur noch weniger als ein Fünftel der Gesamtmenge des CO2-Ausstoßes durch die Meere absorbiert.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Zum Thema >Kipp-Punkt< berichteten wir bereits
      am 6.04.2008, am 25.04.2008 und am 7.09.2008:

      Klimaforscher James Hansen: Erde an kritischem Punkt (6.04.08)

      WWF: Eis der Arktis schmilzt schneller als erwartet
      Bereits im Sommer 2013 eisfrei? (25.04.08)

      Klima vor Kipp-Punkt
      Erdgeschichte: Plötzliche klimatische Veränderungen... (7.09.08)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

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      Klimawandel entzieht den Sauerstoff (9.02.09)

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      WWF: Eis der Arktis schmilzt schneller als erwartet
      Bereits im Sommer 2013 eisfrei? (25.04.08)

      Klimaforscher James Hansen: Erde an kritischem Punkt (6.04.08)

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