12.05.2011

Explosionsgefahr in Fukushima
Situation weitaus schlimmer
als bislang dargestellt

AKW Fukushima Daiichi, Cryptome 14, verkleinert Zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben und dem Beginn der Reaktor-Katastrophe im japanischen AKW Fukushima Daiichi liegen Informationen vor, daß in Reaktor I akute Explosionsgefahr besteht. Die bisherige (Des-)Informationspolitik des AKW-Betreibers TEPCO offenbart sich damit als Verharmlosung. Hinter einem Info-Nebel wird erkennbar, daß der Reaktordruckbehälter beschädigt ist, und höchstwahrscheinlich Teile der Kernschmelze bereits bis ins Grundwasser gelangt sind.

"Es muß ein Loch geben," erklärte TEPCO heute, ließ zunächst aber offen, ob es sich um ein Leck im Sicherheitsbehälter oder in dem, den Reaktorkern unmittelbar umschließenden Reaktordruckbehälter handelt. Erst später wurde über Kyodo News bekannt, daß ein Leck im Druckbehälter von der Kernschmelze verursacht worden ist und außerdem auch direkt benachbarte Rohrstutzen beschädigt sind:

"Tokyo Electric Power Co., the operator of the crippled Fukushima Daiichi nuclear power plant, revealed Thursday that holes had been created by melted nuclear fuel at the bottom of the No. 1 reactor's pressure vessel. The company said it has found multiple holes adding up to several centimeters in welded piping."

http://english.kyodonews.jp/news/2011/05/90715.html

Bekannt wurde mittlerweile auch, daß in nahen Ortschaften im Grundwasser Radioaktivitätswerte gemessen wurden, die darauf schließen lassen, daß die Kernschmelze längst das Grundwasser unter dem AKW Fukushima Daiichi erreicht hat. (Washington Post)

Angeblich wurde erst in dieser Woche von TEPCO festgestellt, daß das Kühlwasser im Druckbehälter von Reaktor I fünf Meter unter dem Normalwert liege. Dennoch behauptet TEPCO weiterhin, die Versuche, den Druckbehälter von außen zu kühlen, seien erfolgreich. Nach eigenen Angaben pumpt TEPCO täglich 150 Tonnen Wasser in die Anlage. Mit den heute nach außen gelangten Informationen ist zumindest offensichtlich, daß TEPCO weit davon entfernt ist, die Situation zu beherrschen.

Nach wie vor geben weder TEPCO noch die japanische Regierung entscheidende Daten über die Menge und Isotopen-Zusammensetzung in dem nach der Kühlung abfließenden Wasser bekannt. Allein über solche Informationen wären unabhängige wissenschaftliche Rückschlüsse auf die tatsächliche Zerstörung des Reaktorkerns möglich. Immer mehr internationale Reaktor-ExpertInnen sagen inzwischen ganz offen: Die Daten, die TEPCO veröffentlicht, haben einen äußerst begrenzten Wert - sie verraten aber zumindest, daß TEPCO die Situation noch lange nicht unter Kontrolle hat.

Greenpeace geht derzeit (gegen 20 Uhr MEZ) noch vom Informationsstand von gestern aus: "Die Situation ist eindeutig viel ernster als zuvor berichtet. Die Lage kann rapide eskalieren, sobald der Kernbrennstoff den Reaktordruckbehälter durchschmilzt."

Tepco beabsichtigt nach eigenen Angaben, den Raum zwischen Sicherheitsbehälter und Reaktordruckbehälter zu fluten. Ob dies überhaupt möglich ist, steht dahin, da weiterhin offenbar große Mengen radioaktiv kontaminierten Wassers unkontrolliert abfließen und nach wie vor ins Meer gelagen. Vieles deutet darauf hin, daß TEPCO dies zumindest passiv in Kauf nimmt, da so große Mengen an Radioaktivität billig "entsorgt" werden.

Algen vor Japans Ostküste sind bereits stark radioaktiv belastet wie Radioaktivitätsmessungen von Greenpeace ergeben. Von Bord des Greenpeace-Schiffes 'Rainbow Warrior' und vom Ufer aus hatte die Umweltschutz-Organisation Algenproben gesammelt und mit dem Geigerzähler untersucht. Zehn von 22 Proben wiesen Werte von mehr als 10.000 Becquerel pro Kilogramm auf, teilte Greenpeace mit. Die radioaktive Kontamination liege damit um mehr als das Fünffache über dem Grenzwert.

In einer Studie hat die US-amerikanische Atomaufsicht vor Gefahren gewarnt, die durch große Wassermassen im Sicherheitsbehälter entstehen. Der Behälter kann bersten, sobald es zu weiteren Erdbeben kommt. Reaktor-ExpertInnen warnten bereits in den vergangenen Tagen vor möglichen katastrophalen Folgen des geplanten Flutens. "Wenn der Druckbehälter mit dem Kernbrennstoff ein Leck hat, so wie TEPCO es jetzt zugeben mußte, ist die Gefahr groß, daß das radioaktive Schmelzmaterial austritt," erklärte der schottische Reaktor-Experte Shaun Burnie. "Wenn dann eine Mischung aus diesem Material und dem geschmolzenen Metall des Reaktordruckbehälters auf Wasser trifft, kann es zu einer Explosion kommen."

Der britische Ingenieur John Large kommt in einer Studie für Greenpeace zum Schluß, daß ein Fluten des Sicherheitsbehälters besonders riskant sei. In der gestern der Öffentlichkeit präsentierten Studie (Brief opinion on the Tepco plan to flood the primary containment of unit 1, Fukushima-Daiichi) warnt Large: "Wenn es nach einem Durchschmelzen des Druckbehälters zu einer Explosion kommt, kann es Schockwellen geben, die den Reaktor zerstören." Dies würde erneut erhebliche Mengen an Radioaktivität freisetzen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Roboter in Reaktor-Ruinen von Fukushima
      Hohe Radioaktivitäts-Werte (18.04.11)

      Anti-Atom-Demo in Japan
      (10.04.11)

      Aktuelle Hintergrund-Informationen
      zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima
      US-ExpertInnen befürchten negative Entwicklung
      in den kommenden Monaten
      Fotos von cryptome.org (6.04.11)

      Japanischer AKW-Experte:
      Reaktor I vermutlich schon am 11. März leck (29.03.11)

      Fragen zur Situation in Japan,
      zur Atomenergie und zu Deutschland (25.03.11)

      Gesellschaft für Strahlenschutz:
      Super-GAU ist längst Realität (23.03.11)

      Die Situation in den havarierten japanischen AKW
      Stand: Sonntag 16 Uhr (13.03.11)

      Notkühlfall in japanischem AKW
      Situation in Reaktor Fukushima Daiichi I spitzt sich zu (11.03.11)

      Nach jahrelangem Stillstand
      Japanischer Schneller Brüter Monju im Probebetrieb (7.05.10)

      Feuer in japanischem AKW
      Ein Arbeiter verletzt (5.03.09)

      Brand im weltgrößten AKW
      Seit Juli wegen Erdbeben-Schäden
      auf unabsehbare Zeit abgeschaltet (20.09.07)

      Japanisches AKW durch Erdbeben schwerer beschädigt
      als bisher bekannt
      Über 50 Prozent mehr Radioaktivität ausgetreten (18.07.07)

      Erdbeben verursachte Unfall in japanischem AKW
      Radioaktives Wasser trat aus (16.07.07)

      Schweres Erdbeben erinnert an
      AKW-Stilllegung vor einem Jahr (26.03.07)

      Japan: AKW Shika abgeschaltet
      Gericht erkennt auf mangelhafte Erdebebensicherheit (25.03.06)

      11 AKWs in Japan abgeschaltet
      Zweiter japanischer Strom-Konzern muß Konsequenzen ziehen
      (14.08.04)

      Atom-Ausstieg ist möglich
      in Japan 17 AKWs abgeschaltet (22.04.03)

 

neuronales Netzwerk