13.12.2012

AKW Philippsburg
Insiderkritik an mangelhafter Sicherheit

AKW in grün?
Ein anonymer Mitarbeiter des Atomkraftwerks Philippsburg bei Karlsruhe erhebt schwere Vorwürfe gegen den Strom-Konzern EnBW. Aus einem sechsseitigen Schreiben geht hervor, daß bei Sicherheits­maßnahmen geschlampt, Zwischen­fälle vertuscht und die Atomaufsicht getäuscht worden seien. Die Detailkenntnis läßt darauf schließen, daß es sich tatsächlich um einen Insider handelt – auch die baden-württembergische Atomaufsicht bestätigte dies als "offensichtlich".

Der AKW-Betreiber EnBW wiegelt in einer ersten Stellungnahme ab – doch nach Darstellung des anonymen Mitarbeiters im AKW Philippsburg sind die dortigen Zustände chaotisch. Der Grundsatz "Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit" werde seit dem Beschluß zur Stilllegung von Block I vom Mai 2011 "mit Füßen getreten". Seither gehe es "nur noch um die Fragen, wie können die Kosten des abgeschalteten Blockes gesenkt werden. Welche Systeme können auch ohne Stilllegungsgenehmigung außer Betrieb genommen werden, auf welche Prüfungen kann verzichtet werden, wie kann dies dem Sachverständigen bestmöglich 'verkauft' werden."

Im einzelnen werden folgende Vorwürfe erhoben:

  • Im November wurde eine wichtige Beckenkühlpumpe, welche die hochradioaktiven Brennelemente kühlt, "durch Fehlverhalten kaputt gefahren", ohne daß dies gemeldet worden wäre.
  • Auch nachdem Anfang September Wasserstoffperoxid bei der Anlieferung ausgetreten war, unterblieb die vorgeschriebene Meldung an die Atomaufsicht.
  • Im Gebäudeteil, in dem die Notkühlung untergebracht ist, wurden großflächig defekte Gebäudefugen entdeckt, durch die "im Brandfall ein Feuer ungehindert in weitere Räume vordringen" könnte. Auch darauf wurde "nicht sachgemäß reagiert".

Laut EnBW sind die Vorwürfe "haltlos". So habe es zwar am 2. Oktober einen Zwischenfall mit Wasserstoffperoxid gegeben. Dabei seien aber lediglich während der Anlieferung zwei bis drei Liter der Flüssigkeit ausgelaufen. Von einer Meldepflicht des Ereignisses könne keine Rede sein.

Es ist nicht das erste Mal, daß aus dem AKW Philippsburg interne Kritik an die Öffentlichkeit gelangt. Allein dies ist ein kaum zu unterschätzendes Indiz für unhaltbare Zustände in dem Kraftwerk, zumal die Belegschaft nach allen Erfahrungen als verschworene Gemeinschaft von "Kernkraft"-Fans anzusehen ist. Bereits im Februar 2011 gelangten Hinweise auf Mißstände in dem Atomkraftwerk an die Öffentlichkeit. Seinerzeit sah sich EnBW gezwungen, meldepflichtige Ereignisse zähneknirschend nachzumelden. Und im Jahr 2004 wurde Eberhard Grauf, Chef eines Reaktorblocks in einem baden-württembergischen Atomkraftwerk, entlassen (siehe auch unseren Artikel v. 29.11.04). Er hatte Kritik am Sicherheits-Management vorgebracht und sich mit der EnBW-Konzernspitze angelegt. Die Entlassung Graufs wurde übrigens vom damaligen Bundes-Atom-Minister Jürgen Trittin gegen das Votum seiner Fachleute gutgeheißen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      HypoVereinsbank und Atomenergie
      Profit wichtiger als Versprechen von 2011 (27.09.12)

      Atomwaffen-Plutonium in deutschen AKW?
      Welche Rolle spielte "Rot-Grün"? (15.09.12)

      AKW Philippsburg
      Heruntergespielte "Pannen" (15.03.12)

      AKW Neckarwestheim
      Noch ein rostiges Atommüll-Faß (15.03.12)

      Atomkraftwerke
      Kernschmelz-Risiko unterschätzt (1.03.12)

      Baden-Württemberg bleibt schwarz
      Atomenergie unangefochten,
      Erneuerbare gebremst (14.01.12)

      Witz der Woche
      Der gleiche strenge Stress-Test... (10.08.11)

      Kinderkrebs im Umkreis von Atomkraftwerken
      deutlich erhöht (4.08.11)

      Merkels "Atom-Ausstieg"
      Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren (30.05.11)

      Marode Druckbehälter deutscher AKW
      Blockade von Untersuchungen (30.07.10)

      AKW Neckarwestheim
      "Blankes Entsetzen" (29.11.04)

 

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