3.08.2007

1929 oder 1931?

Deutsche Bankmanager mit Fracksausen

Wie erst gestern publik wurde, hat der Chef der Bafin, Jochen Sanio, bei der Krisensitzung1 am vergangenen Wochenende gegenüber den anwesenden Regierungsvertretern und Bankmanagern davor gewarnt, der Zusammenbruch der IKB-Bank könne "die schwerste Bankenkrise seit 1931" zur Folge haben. Ebenfalls erst jetzt wurde bekannt, daß auf dieser Krisensitzung die Lage als so dramatisch eingeschätzt wurde, daß die deutschen Banken - inzwischen wohl auch die Sparkassen - sich genötigt sahen, Milliarden an Euro zur Verfügung zu stellen, um die Verluste der IKB-Bank aufzufangen. Zunächst hatte es - wohl nach dem Motto: "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" - lediglich geheißen, die staatliche KfW-Bank habe mit einer Bürgschaft von über 8 Milliarden Euro rettend eingegriffen.

Weiter wurde gestern nachmittag bekannt, daß das Bundesfinanzministerium über die staatliche KfW-Bank eine weitere Milliarde Euro nachschieben mußte. Ob dies Erfolg haben wird, ist noch offen. Möglicherweise wird so "verbranntem Geld" nur neues hinterhergeworfen. Den verdeckten Stützungskäufen, die zu heftigen Auf- und Abwärtsbewegungen an den Börsen geführt haben, blieb ein langfristiger Erfolg versagt. Inzwischen wird von Börsen-ExpertInnen überwiegend eingeräumt, daß mit einem weiteren Absturz des DAX auf 7000 Punkte zu rechnen sei.

Vergleichbar ist die gegenwärtige Situation allerdings nicht mit 1931, sondern mit 1929. "Die Aktienkurse haben ein dauerhaftes Niveau erreicht. Sie sind nicht zu hoch, und die Wall Street wird nichts dergleichen wie einen Crash erleben." Das schrieb am 5. September 1929 in der New York Times der bekannteste US-Ökonom der 20er Jahre: Irving Fisher. Im Oktober kam es dann in New York zu massiven Kursstürzen und in der Folge zur Weltwirtschaftskrise. Der Freitag, der 25. Oktober 1929, war damals zwar nicht der Tag der größten Kursrückgänge, ging aber als Schwarzer Freitag in die Geschichte ein. Im Verlauf der Weltwirtschaftskrise stellten am Freitag, dem 10. Juli 1931, in Deutschland zwei Banken die Zahlungen ein und lösten damit in Deutschland eine allgemeine Bankenkrise aus. Offenbar laufen solche Vorgänge heute mit beschleunigtem Tempo ab.

In Deutschland ist inzwischen bereits davon die Rede, daß die schönen Aussichten auf eine "Hochkonjunktur" Schnee von gestern sind: "Es hat sich ein gefährlicher Cocktail zusammengebraut aus Ölpreis, starkem Euro und Kreditschwierigkeiten in den USA, wobei Letzteres die giftigste Zutat ist", meint der Deka-Bankmanager Ulrich Kater. Tatsächlich ist der Ölpreis auf einen Rekordstand von 78,78 US-Dollar pro Barrel geklettert. Es läßt sich kaum mehr verleugnen, daß der Peak Oil2 bereit um das Jahr 2000 überschritten wurde und daß seitdem die globale Gesamtfördermenge an Erdöl sacht aber stetig zurückgeht. Die Frage ist nicht, ob der letzte Tropfen Erdöl in 30, 40 oder 50 Jahren verbraucht sein wird, sondern wie schnell der Öl-Blutdruck des Kapitalismus aktuell sinkt und wie schnell der Ölpreis bei sinkendem Angebot weiter steigt.

Offenbar nimmt auch die Erdöl-Förderung der Irak deutlich ab. In den letzten Jahren war davon auszugehen, daß die USA am Weltmarkt vorbei seit 2001 rund 6 Millionen Barrel pro Tag aus dem Irak abpumpten. Die Erdöl-Förderung ist zwar formell einem Ministerium der "Übergangsregierung" überantwortet; dieses wird aber - wie alle irakischen Ministerien - von einem US-amerikanischen Inspekteur kontrolliert. Und nicht zufällig hatte US-Präsident George W. Bush im Mai 2003 die executive order 13303 unterzeichnet, mit der den beiden US-Ölkonzernen ExxonMobil und ChevronTexaco absolute Straffreiheit im Zusammenhang mit der Förderung, dem Transport und dem Verkauf des irakischen Öls zugesichert wurde. Es war also ebenfalls kein Zufall, daß nach einer seit 2001 anhaltenden Rezession in den USA ausgerechnet ab April 2003 ein Wirtschaftswachstum von rund sieben Prozent einsetzte.

Doch selbst wenn wir noch heute von 6 Millionen Barrel pro Tag ausgehen, was bei 60 US-Dollar pro Barrel rund 130 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Einnahmen bedeutet, stehen dem rund 110 Milliarden US-Dollar an Ausgaben für die im Irak gebundene US-Militärmaschinerie gegenüber.

Der Konzentrationsprozeß der globalen Konzern-Giganten scheint aktuell seinen Höhepunkt überschritten zu haben. Das Geschäft mit Mergers and Acquisitions (M&A) hat im ersten Halbjahr 2007 zwar alle Rekorde gebrochen, doch seit Mitte Juli werden vermehrt Risikoprämien bei den Fusionen und Übernahmen in die Finanzierung eingerechnet. Die geplante Übernahme des Chrysler-Anteil von Daimler durch den Finanzinvestor Cerberus, die wegen geplatzter Kreditzusagen bereits mehrfach verschoben werden mußte, ist nur das bekannteste Beispiel.* Chrysler sollte ursprünglich Schuldverschreibungen im Wert von zwölf Milliarden US-Dollar herausgeben, um das Geschäft mitzufinanzieren.

So notiert die Aktie von Blackstone wieder weit unter ihrem Ausgabekurs, und auch den übrigen großen Private-Equity-Gesellschaften steht eine rauhe zweite Jahreshälfte bevor. Die sogenannten Heuschrecken kommen ebenso wie expansions- oder fusionswillige Konzerne nicht mehr so leicht an die nötigen Kredite, um ihre gewagten Aktionen zu finanzieren. Schon jetzt verzögern sich dadurch einige prominente Übernahmen.

Viele der aufsehenerregenden Mega-Deals, die von den Börsen in den vergangenen Monaten bejubelt wurden, sind noch keinesfalls abgeschlossen: Die beteiligten Investmentbanken haben noch milliardenschwere Überbrückungskredite in ihren Büchern und suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, diese weiterzureichenen. Einige der milliardenschweren Übernahmen, die unter den Top Ten dieses Jahres rangierten, wackeln nach Angaben des US-TV-Senders CNN wegen unsicherer Finanzierung.

Die Übernahme des texanischen Energieversorgers TXU durch die Finanzinvestoren KKR, Texas Pacific Group und Goldman Sachs Capital Partners war noch im Februar 2007 mit einem Volumen von 44 Milliarden US-Dollar der weltweit größte M&A-Deal. Doch bislang konnten die teilnehmenden Banken ihre Kredite nicht vollständig weitergeben und so hängt der Deal in der Luft. Auch für die Übernahme des Anbieters elektronischer Bezahlsysteme First Data steht die Finanzierung noch aus. First Data will Hochzinsanleihen im Wert von acht Milliarden US-Dollar am Markt platzieren, um dem Käufer KKR das nötige Kleingeld zuzuspielen. Hedgefonds, bislang verläßliche Interessenten für hoch verzinste Junk Bonds, dürften nach dem Fall Bear Stearns jedoch vorsichtiger agieren. Insgesamt ist die Übernahme von First Data rund 28 Milliarden US-Dollar schwer. Ein Betrag dieser Größenordnung ist ebenfalls beim Buy-out des Mobilfunkanbieters Alltel durch die Texas Pacific Group und Goldman Sachs Capital Partners im Spiel. Auch diese knapp 30 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme wurde - wie in der Branche üblich - größtenteils mit geliehenem Geld finanziert. Fachbegriff: Leveraged Buy-out (LBO). Ein LBO funktioniert jedoch nur, wenn die Kreditarrangeure zumindest den Großteil ihrer Kredite an den Kapitalmarkt weiterreichen können.

Bei den Beträgen, um die es hier geht, wird schnell klar, daß es nach einem Zusammenbruch der US-Banken auch für die deutschen Banken kein Halten mehr geben wird und daß sie dann trotz allem "Entgegenstemmen" in den Strudel einer globalen Bankenkrise hineingerissen werden.

Das M&A-Fieber währte vier Jahre lang und hat aktuell seinen Peak überschritten - das bestätigt auch eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung KPMG. Die Preise steigen zwar noch, aber die Zahl der Transaktionen nimmt ab. Dies erinnert an das Ende des Dotcom-Booms.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      US-Immobilienkrise erfaßt deutsche Bankenbranche
      Weltweite Schockwellen (1.08.07)

      Crash an US-Börse
      Beginn der Weltwirtschaftskrise? (27.07.07)

      china bubble
      Wann macht es crash? (29.05.07)

      Löst Spanien den europäischen Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)

2 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      Benzinpreise, Ölförderung und Krieg (15.05.04)

* Nachtrag (20 Uhr)

      Wie heute, 3.08.07., gegen 18 Uhr bekannt wurde, ist laut Daimler
      der Verkauf von Chrysler an Cerberus nunmehr perfekt.

 

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