20.04.2011

RWE-Hauptversammlung
Großmann unbeirrt auf Atom-Kurs

Die Großen Vier Bei der Hauptversammlung des Energie-Konzerns RWE in Essen kam es zu heftigen Protesten von Atomkraft-GegnerInnen. RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann markierte vor rund 5000 AktionärInnen unbeirrt sein Festhalten am Atom-Kurs. Auch kommunale AktionärInnen drängen auf einen Kurswechsel.

RWE-Vorstandschef Großmann agierte zwar nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima erkennbar aus der Defensive, zeigte jedoch keine Bereitschaft, vom Atom-Kurs des Konzerns abzuweichen: "Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen. In jedem anderen Fall hätten sie bereits zuvor abgeschaltet werden müssen. Daran ändern die Ereignisse in Japan nichts." Und: "Wir betreiben Kernkraftwerke und stehen dazu." Großmann rechtfertigte auch die Klage gegen das dreimonatige Atom-Moratorium von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Schon im Aktionärsinteresse ist dies unvermeidlich." Großmann ist nach wie vor einer der engsten Berater Merkels.

Bereits am Eingang der Essener Grugahalle hatten Atomkraft-GegnerInnen die AktionärInnen und RWE-Bevollmächtigten mit einem Sitz-Streik erwartet. Auf Plakaten und Bannern forderten sie einen sofortigen Atom-Ausstieg und prangerten den menschen- und naturverachtenden Atom-Kurs des zweitgrößten deutschen Energie-Konzerns an. Die Polizei sicherte zwar den Zugang zur Grugahalle, doch die honorige Veranstaltung begann erst mit einer halbstündigen Verspätung.

Während einer Rede Großmanns ging der Protest in der Halle weiter. Atomkraft-GegnerInnen gaben lautstark mit Trillerpfeifen und Rufen wie etwa "Dinosaurier" oder "Rambo" dem RWE-Chef Contra. Für Lacher sorgte ein Versprecher Großmanns: Statt vom "erfolgreichen Abschneiden" des Konzerns - wie im Redemanuskript vorgesehen - sprach Großmann vom "erfolgreichen Abschalten der RWE." Es gab kleinere Handgemenge, bei denen Atomkraft-BefürworterInnen versuchten, Plakate mit der Aufschrift wie "RWE abschalten" und "Atomprofite? Schluss jetzt!" zu zerstören. Schließlich wurden die DemonstrantInnen von Sicherheitspersonal aus dem Saal gedrängt.

Doch auch von Seiten kommunaler AktionärInnen gab es Widerspruch zu dem von Großmann vorgezeichneten Kurs. Auf einem Treffen kommunaler AktionärInnen einen Tag vor der Hauptversammlung hatte sich nach Medienberichten ein breiter Konsens für einen Atom-Ausstieg abgezeichnet. Allerdings halten kommunale AktionärInnen mit ihren Regionalverbänden lediglich rund 25 Prozent der RWE-Aktien.

Doch auch gewichtigere AktionärInnen-Vertreter drängen zumindest auf Kurs-Korrekturen. Hans-Christoph Hirt von der Vereinigung institutioneller Privatanleger kritisierte, Großmann setze mit seinem Konfrontationskurs Reputation und Akzeptanz des Essener Energie-Konzerns aufs Spiel. Und ein Vertreter des des Investmentfonds Union Investment machte deutlich, daß ein weiteres Engagement von RWE beim Bau neuer Atomkraftwerke im Ausland nicht in Frage komme: "Neues Geld für derartige Hochrisikotechnologien wird es mit unserer Unterstützung nicht geben." Die 'Wirtschaftswoche' hatte berichtet, die polnische Regierung wolle RWE als Partner für den Bau eines AKW gewinnen. Und in einem Bericht der 'Westfälischen Rundschau' hatte es geheißen, der RWE-Vorstand habe beschlossen, sich mit 20 Prozent am Bau eines AKW in den Niederlanden zu beteiligen. Allerdings liegt hierzu mittlerweile ein Dementi von RWE-Seite vor. Bereits am 21. Januar hatte RWE bekannt geben müssen, daß der Konzern sich aus dem Atomkraftwerks-Projekt Cernavoda in Rumänien zurückzieht. In Großbritannien plant RWE eine Beteiligung am Bau von sechs neuen Atomkraftwerken. Entscheidend wird hierbei sein, ob die britische Regierung die Vorfinanzierung übernehmen kann. Selbst von VertreterInnen eines milliardenschweren britischen Pensionsfonds erfuhr Großmann Gegenwind. Sie fragten kritisch an, warum RWE weiterhin als Europas größter Emittent des klimaschädlichen Kohlendioxid an der besonders schmutzigen Braunkohle-Verstromung festhalte. Der Dachverband der 'Kritischen AktionärInnen' forderte zusammen mit der Umweltschutz-Organisation den Rücktritt Großmanns wegen desen "aggressiven Atom-Kurses."

Nach Angaben von RWE stammen im Jahr 2010 knapp 15 Prozent des Betriebs-Ergebnisses von 7,7 Milliarden Euro aus Atomkraftwerken. Somit lag der Ergebnisbeitrag aus der Atomenergie bei etwa 1,16 Milliarden Euro. Pro Aktie schüttete RWE eine Dividende von 3,50 Euro aus. AtomkraftgegenerInnen hatten ihnen zugerufen: "Für den Profit verstrahlt ihr eure Enkel!" Nach Recherchen von Greenpeace liegt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von RWE (alte Wasserkraftwerke großzügig mit einberechnet) bei nur 2,6 Prozent.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      Bundesregierung schützt klimaschädliche Kohleverstromung
      (13.04.11)

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      Titisee-Neustadt übernimmt Stromnetz (6.04.11)

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      AKW Grafenrheinfeld
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