23.10.2009

Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen

EnBW lockt Bürgermeister mit Gänsebraten

Der Strom-Konzern EnBW versucht mit einem neuen Konstrukt, einer "gemeinsamen Netzgesellschaft", die Kontrolle über das Strom-Netz in der Hand zu behalten. Bereits heute sollte es im Hau-Ruck-Verfahren und mit Gänsebraten für die Bürgermeister durchgesetzt werden. Ende September hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aufsehenerregenden Urteil1 dem Oligopol der Großen Vier auf dem deutschen Strom-Markt einen schweren Schlag versetzt. Nach diesem Grundsatzurteil bleiben die Strom-Konzerne nicht die Eigentümer des Strom-Netzes, wenn ein neuer Anbieter die Konzession erhält. Damit wird die Machtbasis der Großen Vier, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, untergaben und Dezentralisierung gefördert.

Das Konstrukt der "gemeinsamen Netzgesellschaft", das EnBW auf die Schnelle aus dem Hut zauberte, sieht vor, daß EnBW ihr Strom-Netz in eine GmbH &Co.KG einbringt, an der sie selbst mit 49 Prozent beteiligt ist. Den Rest sollen sich die Kommunen (35,9 Prozent) und der Neckar-Elektrizitätsverband NEV (15,1 Prozent) teilen. Über seinen Einfluß auf den NEV kann EnBW bei diesem Modell auch in Zukunft nach Belieben im Strom-Netz schalten und walten und so die eigene Machtbasis sichern - zumal von Vorneherein festgelegt ist, daß die Vergabe der Betriebsführung des Strom-Netzes an EnBW erfolgen soll.

Der Wert des Strom-Netzes soll 500 Millionen Euro betragen. Den im NEV zusammengeschlossenen 168 Gemeinden wird eine Rendite von 9,4 Prozent versprochen. Bei dieser "gemeinsamen Netzgesellschaft" wären dann 168 Städte und Gemeinden sowie neun Landkreise zwischen Heilbronn und Reutlingen beteiligt. Der Metzinger Oberbürgermeister Ulrich Fiedler bemerkte sogleich, daß der Plan offenbar mit "heißer Nadel" gestrickt sei.

Der Schorndorfer Bürgermeister Matthias Klopfer kündigte heute (Freitag) bei einer Zweckverbands-Sitzung in der Stauferlandhalle in Salach bei Göppingen an, das neue Konstrukt der EnBW nicht ungeprüft zu akzeptieren. Der Gänsebraten, den EnBW bei dieser Sitzung den Bürgermeistern auftischte, scheint seine Wirkung auf Klopfer verfehlt zu haben. Atomkraftgegner Klopfer fragt, warum er bei einem Unternehmen mitmachen sollte, an dem Schorndorf 0,18 Prozent hält, die atomlastige EnBW aber 49. Sein Einfluß tendiere dann gegen Null. Auch ein bereits vorliegendes Gutachten der NEV, verspreche Vieles, lasse noch mehr im Vagen und lege zugleich einige wichtige Punkte fest, die nach Ansicht Klopfers offen bleiben müßten.

Klopfer ließ das NEV-Gutachten durch die Stuttgarter Kanzlei Wahle prüfen. Das Ergebnis ist vernichtend. Das Vorgehen, urteilen die renommierten Juristen, könne sich als "vorsätzlicher Verstoß" gegen gültige Gesetze darstellen. Zentraler Kritikpunkt: die geplante Vergabe der Betriebsführung an die EnBW, die damit weitere 20 Jahre darüber befinden könnte, wie das Kernland Württembergs mit Strom versorgt wird. Daß es dafür einer europaweiten Ausschreibung bedarf, haben die NEV-Gutachter offenbar übersehen.

Eine ganze Reihe von Bürgermeister, die sich anscheinend an alte Seilschaften nicht mehr gebunden fühlen, haben sich bereits dem Schorndorfer Bürgermeister angeschlossen: Christof Bolay (Ostfildern), Ulrich Fiedler (Metzingen), Jürgen Kessing (Bietigheim-Bissingen), Michael Makurath (Ditzingen) und Roland Klenk (Leinfelden- Echterdingen). Sie eint dasselbe Ziel und dasselbe Selbstbewußtsein: die Autonomie bei der Energie und die Distanz zur EnBW. Immer stärker macht sich ein Paradigmenwechsel bemerkbar: Weg von unbeweglichen Zentralstrukturen und hin zu einer flexiblen, eigenständigen und dezentralen Energieversorgung. Klopfer setzt auf sein Regionalwerk Rems, Fiedler auf sein Regionalwerk Ermstal und Bolay auf sein Regionalwerk Filder. Die jungen Bürgermeister sprechen von Arbeitsplätzen und Gewinnen vor Ort, von einer umweltschonenden und nachhaltigen Daseinsvorsorge und überzeugen damit immer mehr Menschen. Das zeigt das Beispiel Albwerk in Geislingen: Das genossenschaftlich organisierte Unternehmen setzt auf Wind- und Wasserkraft, Fotovoltaik und Biogas und macht 170 Millionen Euro Umsatz.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      Zukunftsweisender Gerichtsentscheid gegen Strom-Konzerne
      BGH erzwingt Dezentralisierung und stärkt Erneuerbare Energien
      (29.09.09)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      100-Prozent-Solarhaus in Kappelrodeck erneut ausgezeichnet
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