21.06.2004

Artikel

Wiederaufflammende Proteste
in Ba-Wü

In Stuttgart und Freiburg demonstrierten am Samstag tausende StudentInnen und SchülerInnen gegen Studiengebühren und Sozialabbau

Stuttgart, 19. Juni 2004

Der Arbeitskreis Bildung an der Uni Stuttgart hatte zu einer landesweiten Demo am Samstag aufgerufen. Mitgetragen wurde der Aufruf von der Landesasten-Konferenz und der Schülerschaft in der Region Stuttgart, sowie mit einem

verschärften Aufruf aus Tübingen unterstützt. So fuhren die Tübinger StudentInnen denn auch mit Bussen zur Demo nach Stuttgart, wo rund 5.000 TeilnehmerInnen vom Veranstalter gezählt wurden.

Obwohl das Semester in den meisten Studiengängen von Klausuren und Prüfungen gespickt ist, so daß kaum noch Luft zu Protesten bleibt, scheinen die von Herbst bis Ende letzten Jahres anhaltenden StudentInnen-Proteste wieder aufzuflammen. Die Forderungen der Aufrufe zeigen, daß nach wie vor nicht nur für das Recht auf Bildung, sondern explizit auch gegen den Sozialabbau Stellung bezogen wird.

In einer Stellungnahme des U-AStA Freiburg wird mit Zahlenmaterial aus der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) eine Verbindung zwischen Sozialabbau und Abbau der Chancengerechtigkeit im Bildungswesen gezogen. So ist daraus zu ersehen, daß zwar die Anzahl der StudentInnen zugenommen und der BAföG-Anteil an der Studienfinanzierung gestiegen ist, zugleich aber ist der Anteil von StudentInnen aus "niedrigen" sozialen Herkunfts- gruppen weiter zurückgegangen und liegt jetzt nur noch bei zwölf Prozent.

Auch wenn die Steigerung des BAföG-Anteils an der Finanzierung des Studiums zu begrüßen sei, so dürfe nicht vergessen werden, daß der Anteil deutlich unter den Stand der 80er und frühen 90er Jahre gesunken ist und nur eine kleine Verbesserung darstellt. Gerade StudentInnen aus sozial schwächeren Familien müssen mehr als 60 Prozent der Kosten ihres Studiums selbst tragen, sei es daß sie nebenher jobben oder Kredite des BAföGs in Anspruch nehmen müssen. Es ist unbestritten, daß Nebenjobs auf Kosten der Qualität und der Studienzeit gehen, so daß die Förderungszeit des BAföGs oft überschritten wird. "Es ist an der Zeit sich zu überlegen, ob ein System von Regelstudienzeiten überhaupt noch tragbar ist, wenn sie nicht eingehalten werden können. Die Parallelen zu den Erkenntnissen der PISA-Studie sind erschreckend. Die soziale Selektion muß ein Ende haben," meint Daniele Frijia, designierter Vorstand des U-AStA Freiburg. Beispielsweise lasse sich auch anhand der studentischen Auslandsaufenthalte feststellen, welche große Rolle die soziale Herkunft spielt: "Je "niedriger" die soziale Herkunft, desto unwahrscheinlicher ist solch ein Auslandsaufenthalt" erklärt Lisa Dietsche vom U-AStA.

Noch sind Studiengebühren durch Bundesgesetz in ganz Deutschland verboten. Doch sechs Bundesländer haben dagegen geklagt, und voraussichtlich am Jahresende wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Klage entscheiden. Wenn der Klage stattgegeben wird, plant Baden-Württemberg zum nächst möglichen Termin die Einführung von Studiengebühren in Höhe von zunächst 500 Euro je Semester.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

    Siehe auch unsere Artikel

    'Mehrheit gegen "rot-grüne" Steuerpolitik' (7.11.03)

    'Es reicht!'
    Deutschlands Studenten verstärken
    ihren Protest gegen den Bildungsnotstand' (1.12.03)

    'Kampf gegen Kulturabbau'
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    ganzen Bundesgebiet (4.12.03)

    'Gegen Bildungs- und Sozialabbau'
    StudentInnen-Protest weitet sich aus (12.12.03)

    'Gegen Bildungsabbau und Sozialklau'
    Zehntausende demonstrierten am Wochenende (16.12.03)

    'Die Proteste gehen weiter'
    Die StudentInnenenproteste in Deutschland gehen auch nach
    der Weihnachtspause weiter (8.01.04)

    'Schröder flüchtet vor Leipziger StudentInnen'
    "Bildung statt Spiele" (9.01.04)

    'Protest gegen Sozialabbau und Bildungsklau
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    "Die Bildung geht's Bächle runter" (21.01.04)

    'Freiburger Sozialproteste'
    StudentInnen-Kette zwischen Uni und PH (22.01.04)

    'Protest in Freiburg verstolpert' (23.01.04)

 

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