Die "schwarz-rote" Bundesregierung stellt sich hinter ihre Hardlinerin Bundesforschungs- und bildungs-Ministerin Annette Schavan. Als Kultusministerin hatte Schavan vor drei Jahren in Baden-Württemberg die aus dem Jahr 1972 stammende und zwischenzeitlich ausgesetzte Berufsverbotspraxis wieder ins Leben gerufen. Der vom baden-württembergischen Geheimdienst als "linksextrem" abgestempelten Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy wurde auf ihr Betreiben hin mit Berufsverbot belegt.
Auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei rechtfertigt die Bundesregierung dieses menschenrechtswidrige Vorgehen. "Schwarz-Rot" bezieht sich in ihrer Argumentation infamer Weise auf "historische Erfahrungen in der Weimarer Zeit". Da das Berufsbeamtentum sich ohne große Reibungsverluste von den Nazis in ihre Herrschaftsmaschinerie hatte einspannen lassen, begründe dies ein Recht des heutigen deutschen Staates, die "Treue zur Verfassung" zu verlangen. Tatsächlich war es jedoch so, daß gerade der Untertanengeist und bedingungslose Gehorsam, der im von Preußen geprägten deutschen Berufsbeamtentum in den 1930er Jahren vorherrschend war, die "Machtergreifung" erleichtert hatte.
Die Argumentation der Bundesregierung geht zudem am konkreten Fall Michael Csaszkóczy vorbei. Dieser ist - ob dies positiv oder negativ zu werten ist, sei dahingestellt - durchaus bereit, den geforderten Eid auf die Verfassung zu leisten. Es geht auch nicht um die vorgeschobene Gewissensüberprüfung, die bekanntlich ohne Hilfe der Psychoanalyse oder folterähnliche Verhörmethode nicht zu brauchbaren Ergebnissen gelangen kann. Es geht ganz offensichtlich allein um Vorwände, um einen jungen Lehrer, der als konsequenter Linker bekannt ist, existentiell zu treffen.
Die Bundesregierung ignoriert damit ganz bewußt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bereits 1995 die Berufsverbote in Deutschland als Verstoß gegen die Menschenrechte verurteilt hatte. Es bestehe "auch weiterhin keine Veranlassung, allgemeine Konsequenzen aus dem Urteil des EGMR vom 26. September 1995 im Fall Vogt zu ziehen", so die Bundesregirung in ihrer Antwort. Ebenso ignoriert "Schwarz-Rot" das Urteil des von Csaszkóczy angerufenen baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (VGH), der im März 2007 das Berufsverbot verworfen hatte und ebenso das Urteil des hessischen Verwaltungsgerichts Darmstadt, das sich dem angeschlossen hatte. Ähnlich wie die Bundesregierung haben auch Baden-Württemberg und Hessen bislang keine Konsequenzen aus diesen Urteilen gezogen.
Bemerkenswert ist, daß bisher weder aus der "S"PD-Bundestagsfraktion noch von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auch nur ein Mucks in diesem für die Grundlagen jeglicher Demokratie entscheidenden Konflikt zu vernehmen war.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Beiträge zum Thema
Berufsverbot gegen Heidelberger Lehrer
Auch hessisches Gericht bestätigt Rechtswidrigkeit (2.08.07)
Wie hält es die Bundesregierung
mit dem Berufsverbot und europäischem Recht? (31.07.07)
Berufsverbot von Gericht aufgehoben
Michael Csaszkóczy darf Lehrer werden (14.03.07)
Datenschutzbeauftragter interveniert
zugunsten von baden-württembergischem Berufsverbotsopfer
(15.08.06)
Berufsverbot auf Hessen ausgeweitet
Schulleiter spricht sich für Berufsverbotsopfer aus (21.02.06)
"Rot-Grün" für Berufsverbot?
Bundesregierung übernimmt Argumentation von
Kultusministerin Schavan (18.05.05)
Hamburger Solidarität für ba-wü Berufsverbots-Opfer (25.11.04)
Interview mit dem Heidelberger Berufsverbots-Opfer
Michael Csaszkóczy (4.11.04)
Protest gegen das Berufsverbot für Michael Csaszkóczy (3.08.04)
Berufsverbotsverfahren gegen Realschullehrer in Heidelberg
(11.02.04)
Berufsverbote
- Auch 32 Jahre nach dem Radikalenerlaß keine Entschädigung
für Opfer (28.01.04)