19.08.2008

Greenpeace verteidigt
Meeresschutzgebiet
in der Deutschen Bucht

Bundes-"Umwelt"-Minister droht mit Strafrecht

Seit Mitte August versenken Greenpeace-AktivistInnen tonnenschwere Steine auf den Grund des Sylter Außenriffs. Damit wollen sie ein Gebiet in der Deutschen Bucht vor der Zerstörung durch die Fischerei schützen. Das Gebiet wird seit Jahren durch Schleppnetze sowie schwere Saugbagger für den Abbau von Sand und Kies bedroht - obwohl es als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.

Greenpeace plaziert mit Hilfe dreier Schiffe und eines maritimen Schaufelbaggers alle hundert Meter einen Naturstein, um so die zerstörerische Scheppnetzfischerei unmöglich zu machen. Rechtzeitig wurden alle potentiellen Umweltzerstörer von der Aktion informiert.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sieht in dieser Aktion eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden könne. Ebenso negativ ist eine Stellungnahme aus dem Hause der Bundes-"Umwelt"-Ministers Sigmar Gabriel: "Das Einbringen von Steinen durch Greenpeace in die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) der Bundesrepublik Deutschland im Meeresschutzgebiet "Sylter Außenriff" vor Sylt ist eine rechtswidrige Handlung. Sie fällt unter das ausdrückliche Verbot nach dem Hohe-See-Einbringungsgesetz, Abfälle und sonstige Stoffe und Gegenstände in die Hohe See einzubringen."

Die Meeresbiologin Iris Menn ist dagegen der Ansicht: "Es ist absurd, daß das Versenken von Natursteinen die Lebensituation der Flora und Fauna im Sylter Außenriff verschlechtern soll. Ganz im Gegenteil: Es ist bekannt, daß das Versenken von Natursteinen dort, wo Riffe in der Vergangenheit zerstört wurden ihrem Wiederaufbau helfen kann. Ein solches Projekt wird zum Beispiel seit mehreren Jahren um die dänische Insel Laeso vom Nationalen Forst- und Umweltamt verfolgt. Die versenkten Steine im Sylter Außenriff stellen eher eine Vergrößerung des bereits existierenden Riffs dar."

Das Sylter Außenriff ist eines der seltenen Steinriffe in der Nordsee. Die Steine ermöglichen vielfältiges Leben: Angefangen von Tieren, die auf ihnen festsitzen, über Fische, die zwischen ihnen Nahrung und Schutz finden, bis hin zu den Schweinswalen. Sie kommen vor allem zur Paarung und Geburt in das Schutzgebiet. Während dieser kräftezehrenden Phase finden die in Europa am stärksten bedrohten Wale dort noch ausreichend Nahrung. Bedrohte Fischarten im Sylter Außenriff sind beispielsweise Finte und Flußneunauge.

Es ist kurios, wenn ein "Umwelt"-Minister gerade Greenpeace einen schädigenden Eingriff in ein Schutzgebiet vorwirft: "Die Aktion ist darüber hinaus naturschutzpolitisch unseriös und erkennbar eine substanzlose PR-Aktion. Kein anderer EU-Mitgliedstaat ist bei der Meldung und Ausweisung von Meeresschutzgebieten so weit wie Deutschland, das rund ein Drittel seiner AWZ-Fläche als Natura-2000-Gebiete nach Brüssel gemeldet hat. Für diese Vorreiterrolle hat Deutschland im vergangenen Jahr einen Meeresumweltpreis der Umweltstiftung WWF erhalten."

Das Sylter Außenriff ist nach Informationen von Greenpeace seit vier Jahren als Schutzgebiet gemeldet. Dennoch pflügen Grundschleppnetze den Meeresboden um. Solange Schutzgebiete nur auf dem Papier existieren und in der Realität weiter ungehindert Raubbau betrieben werden kann, benötigt die Natur eine aktive Verteidigung.

Bereits 2005 präsentierte Greenpeace Vorschläge für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in Nord- und Ostsee. Meeresschutzgebiete sind - nach den Kriterien von Greenpeace - Zonen, in denen menschliche Nutzungen wie Fischerei, Öl- und Gasförderung oder Sand- und Kiesabbau nicht erlaubt sind. Nur durch ein weltweites, großflächiges Netzwerk von Schutzgebieten, welches 40 Prozent der Ozeane umfaßt, können nach Ansicht von Greenpeace die Artenvielfalt der Meere und die von Menschen genutzten Ressourcen auf lange Sicht erhalten bleiben.

Am Ende ein und derselben ministeriellen Erklärung aus dem Hause Gabriel heißt es denn auch: "Die Bundesregierung bereitet derzeit konkrete Naturschutzgebietsverordnungen für diese [Flora-Fauna-Habitat]-Gebiete in der AWZ vor. Über fischereiliche Beschränkungen muß abschließend der EU-Fischereirat entscheiden. Über den Sand- und Kiesabbau entscheiden die Länder."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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