14.08.2007

EZB pumpte auch heute Milliarden

EZB-Chef Trichet: Bankenkrise beendet
Deutsche-Bank-Chefvolkswirt: Es kommt noch dicker

Heute, Dienstag, verkündete der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, die "Krise auf den Finanzmärkten" sei beendet. Dennoch mußte auch heute - am vierten Handelstag in Folge1 - die EZB Milliarden Euro in den Geldmarkt pumpen. Allerdings: Diesmal seien "nur" 7,7 Milliarden Euro durch die Pumpen geflossen.

Dagegen sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, heute in einem Interview im Deutschlandfunk, die Finanzkrise sei noch nicht beendet: "Wir wissen natürlich noch nicht endgültig, wo denn am Ende einige dieser Risiken, die ja intensiv und komplex verpackt wurden, dann an viele Institutionen verkauft wurden, endgültig gelandet sind, bei wem also die schlechten Risiken dann zu Verlusten führen. Da bin ich ganz sicher, daß wir noch nicht alle schlechten Nachrichten auf dem Tisch haben."

Bezeichnend ist allerdings auch die Erklärung, die der Herr von der Deutschen Bank für die in seinem Gewerbe ausgeprägte Gier anbietet: "Es wurde finanziell richtig langweilig in vielen Märkten. Sprich die Erträge, die man erzielen konnte, waren ziemlich niedrig. In einer Situation, in der man früher gewohnt war, durchaus hohe Renditen zu erwirtschaften, war man plötzlich mit langweiligen Renditen von 3, 4 Prozent konfrontiert. Um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, hat man natürlich auch höhere Risiken in Kauf genommen."

Auch die Notenbanken der USA und Japans mußten heute erneut hunderte Milliarden zur Verfügung stellen, um so den völligen Zusammenbruch der Aktienkurse aufzuhalten.

Nun hat sich zudem die Welthandelsorganisation (WTO) besorgt über die Auswirkungen der Subprime-Krise auf das weitere weltwirtschaftliche Wachstum geäußert. Nicht nur 2007, sondern auch 2008 könne laut WTO die Konjunktur der Weltwirtschaft ernsthaft durch die Probleme im Finanz- und Immobiliensektor gebremst werden. Die fortbestehende Unsicherheit auf dem US-Kreditmarkt kombiniert mit den großen weltweiten Ungleichgewichten im Handel und bei Dienstleistungen berge die Gefahr einer Dämpfung der Weltwachstumsrate von bis zu 3 Prozent. Vor allem das größte jemals zwischen zwei Ländern verzeichnete Handelsbilanzdefizit von 232,5 Milliarden US-Dollar in Bezug auf China und die USA sei besorgniserregend.

Seit 2001 sind die Gesamtschulden der USA inklusive Regierung, private Haushalte und Unternehmen um jährlich mehr als neun Prozent gewachsen. Damit ist die Gesamtverschuldung der USA von 250 Prozent im Jahre 1998 auf gegenwärtig 330 Prozent gestiegen.

Die WTO macht sich zudem - sicherlich wegen der zu erwartenden ökonomischen Auswirkungen - Sorgen um ein Übergreifen der Krise auf die privaten Haushalte in den USA. Sollte sich als Folge der Krise die Nachfrage nach asiatischen Produkten verringern werde so das Wachstum in der Boomregion ebenfalls negativ beeinflussen. Chinesische FinanzpolitikerInnen drohten bereits unverhohlen, die gewaltigen chinesischen Devisenreserven an US-Dollar von insgesamt 1,33 Billionen - davon rund 407 Milliarden US-Dollar in US-Schatzscheinen - auf den Markt zu werfen. Auch der WTO ist bewußt, daß China die US-Wirtschaft mit Krediten in der Hand hat. Umgekehrt ist allerdings auch Chinas Wirtschaftswachstum mit dem Wohl oder Wehe der USA untrennbar verkettet. Sollte die chinesische Führung die aufsteigende Industrienation existentiell bedroht sehen, wäre sie in der Lage, nicht nur die US-Wirtschaft mit in die Tiefe zu reißen, sondern so die Weltwirtschaftskrise auszulösen.

Wie bereits am 3. August bekannt wurde, steckt der US-Finanzinvestor Goldman Sachs wegen hochriskanten A&M-Deals im zweistelligen Milliarden-Bereich und LBO-Aktivitäten tief in der "Vertrauenskrise". Beim Buy-out des Mobilfunkanbieters Alltel durch die Texas Pacific Group und Goldman Sachs wurden knapp 30 Milliarden US-Dollar bewegt - größtenteils mit geliehenem Geld. Und niemand weiß zur Zeit in welchen Verbriefungen faule Kredite verborgen sind. Inzwischen hat Goldman Sachs Liquiditäts-Probleme. Heute morgen kam die Meldung, daß Goldman Sachs mit einem seiner Quant-Fonds - also Fonds, deren Anlagen über mathematische Modelle per Computer gesteuert werden -, dem 'Goldman Global Equity Opportunities Fund' in Schwierigkeiten gekommen ist. Der Fond, der 3,6 Milliarden US-Dollar schwer ist, hat mehr als 30 Prozent an Wert verloren. Deshalb mußten Goldmann und eine Investorengruppe weitere 3 Milliarden US-Dollar nachschießen. Ein CEO von Goldman Sachs kommentierte: "We are investing not because we have to, but because we want to." Mit solch peinlichen Ausreden sind allenfalls noch KleinaktionärInnen zu bluffen.

Geblufft hat offenbar auch die WestLB Lange behauptete sie, von der Subprime-Krise nicht betroffen zu sein. Auf einen Ruck will die WestLB nun das leidige Kapitel "geschlossene Immobilienfonds" schließen. Der Zeitpunkt ist allerdings äußerst kritisch: Denn während die Bank um die Zustimmung der Anleger bangt, könnten der Zinsanstieg und die nun allgemein restriktiv gehandhabte Kreditvergabe das Investitionsklima rasch verschlechtern.

Seit Wochen kam die WestLB wegen millionenschweren Fehlspekulationen nicht aus den Schlagzeilen. Spekulationen über ein bevorstehendes Ende der Eigenständigkeit der WestLB rissen nicht ab. Die WestLB plant nun die Veräußerung von 46 Objekten aus 29 geschlossenen Immobilienfonds und die darauffolgende Auflösung der Beteiligungsgesellschaften.

Ein weiterer Pfad auf dem sich die internationale Finanzkrise in der Art einer Kettenreaktion zur Weltwirtschaftskrise auswachsen kann, liegt auf dem Gebiet des US-Neuwagen-Markts. Das deutsche Institut für Automobilwirtschaft (IFA) kommt in einer aktuellen Studie zur Einschätzung, daß die Krise negative Folgen auf diesem Markt zeitigt. Über 80 Prozent der Autokäufe in den USA sind kreditfinanziert. Die verschärfte Kreditvergabe an private Kunden, die nun in den USA begonnen hat, wird im Verein mit höheren Zinsen auf die Kauflust der US-amerikanischen AutofahrerInnen drücken, sagte IFA-Leiter Willi Diez am heutigen Dienstag.

Zwar würden die Herstellerbanken versuchen gegenzusteuern, doch spielten in den USA Geschäftsbanken bei der Autofinanzierung nach wie vor eine wichtige Rolle. Diez schätzt das "Gefährdungspotenzial" auf 150.000 bis 250.000 Fahrzeuge. Im vergangenen Jahr wurden in den USA 16,5 Millionen Neuwagen verkauft. Im bisherigen Jahresverlauf sind die Verkäufe um drei Prozent zurückgegangen. Im Gesamtjahr 2007 könnte der Markt auf 15,7 Millionen Einheiten sinken, so der Experte.

Die US-amerikanischen Autoproduzenten mußten eben erst geringere Verkaufszahlen für Juli bekannt geben. Sie erklärten den Rückgang bereits ganz offen mit der Krise am Häusermarkt und den hohen Gaspreisen. General Motors gab an, daß im Juli der Verkauf von Kleinwagen gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent zurück gegangen sei. Ford verbuchte einen 19-prozentigen Rückgang der Verkaufszahlen bei Personenwagen und Kleinlastwagen. Die Chrysler-Gruppe berichtete von einem Rückgang um 8,4 Prozent und damit dem schlechtesten Ergebnis seit viereinhalb Jahren. Auch Toyota registrierte im Juli einen Rückgang auf dem US-Markt von 7,3 Prozent. In Deutschland brach der Autokauf in den ersten vier Monaten 2007 gegenüber dem Vorjahr sogar um 27 Prozent ein.2

Entgegen der Ankündigung von EZB-Chef Trichet:hielt die nervöse Stimmung an den Börsen heute an. Nach einem schwachen Beginn erholte sich der DAX im Tagesverlauf, rutschte dann aber erneut ins Minusund schloß bei 7.425. Zu den Verlierern des Tages gehörten die Aktienkurse deutscher Banken. So verlor beispielsweise der Titel der Deutschen Bank 2,90 Prozent auf 94,33 Euro, Hypo Real Estate büßten 1,26 Prozent auf 39,99 Euro ein. Auch der Titel der Commerzbank fiel ins Minus. Der EuroStoxx 50 ging mit einem Minus von 1,41 Prozent auf 4195,60 Zähler aus dem Handel. Auch die Börsen in Paris und London erlitten Kursverluste. Analysten bewerteten den US-Leitindex Dow Jones zum Handelsschluss in Europa als schwach.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      Finanzkrise zieht Kreise
      EZB pumpt weitere 48 Milliarden in den Geldmarkt
      Deutsche Bank und Commerzbank hängen mit drin (13.08.07)

      Viel Geld - viel Vertrauen?
      Viel Geld ins schwarze Loch gepumpt (11.08.07)

      Mit beschleunigtem Tempo Richtung Weltwirtschaftskrise
      EZB mußte heute 95 Milliarden Euro in den Geldmarkt pumpen
      (9.08.07)

      1929 oder 1931?
      Deutsche Bankmanager mit Fracksausen (3.08.07)

      US-Immobilienkrise erfaßt deutsche Bankenbranche
      Weltweite Schockwellen (1.08.07)

      Crash an US-Börse
      Beginn der Weltwirtschaftskrise? (27.07.07)

2 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      27 Prozent weniger Autokäufe in diesem Jahr
      Schrumpfender Binnenmarkt für deutsche Auto-Konzerne (26.05.07)

 

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