10.12.2005

Argentinien:
Die Wirkung von über zehn Jahren
Gen-Landwirtschaft

Kein Land erlebte eine so radikale Umgestaltung seiner Landwirtschaft wie Argentinien. In den 1970er Jahren verfügte Argentien über einen bemerkenswerten Lebensstandard. Das Landwirtschaftssystem war vielfältig, produktiv und hauptsächlich von kleinen Familienbetrieben bestimmt. Die Qualität des argentinischen Rindfleischs war damals so gut, daß es mit dem texanischen konkurrieren konnte. Der reiche Landbau und die Farmen erwirtschafteten einen großen Mehrertrag, der weit über den heimischen Nahrungsbedarf hinausging. Die Landwirtschaft benötigte keine staatlichen Subventionen, und die Schulden der Farmer waren minimal. Das alles änderte sich mit der Schuldenkrise in den 1980er Jahren.

Im Jahre 1989 kam mit Präsident Carlos Menem, einem engen Freund von George Bush Sen. und David Rockefeller, eine neue Phase der wirtschaftlichen Zerstörung über das Land, die dem Ablauf ähnelte, den John Perkins so anschaulich in seinem Buch »Bekenntnisse eines Economic Hitman« beschrieben hat. Mit dem Argument, der Export von genmanipulierten Sojabohnen sei notwendig, um die Auslandsschulden zu bezahlen, transformierte Menem die Landwirtschaft Argentiniens in eine neue Monokultur für den Export.

Im Jahre 1991 wurde Argentinien zum geheimen Experimentierfeld, auf dem die Verwendung von gentechnisch manipulierten Pflanzen für die landwirtschaftliche Produktion getestet werden sollte. Menem setzte eine Beraterkommission für Biotechnologie ein, um die Lizenzvergabe für Feldversuche an Gen-Maissorten, Sonnenblumen, Baumwolle, Weizen und insbesondere an Sojabohnen zu überwachen. Eine öffentliche Debatte von seiten der Regierung oder der Kommission darüber, ob Gen-Pflanzen eine sichere Sache seien, gab es nicht. Bis dahin waren nirgendwo sonst Gen-Pflanzen in diesem Ausmaß angebaut worden.

Die Biotechnologie-Kommission traf sich im geheimen, ihre Forschungsergebnisse wurden niemals veröffentlicht. Sie handelten im Auftrag ausländischer transnationaler Gentech-Saatgutkonzerne. Das wiederum war keine Überraschung, schließlich waren die Kommissionsmitglieder Angestellte von Monsanto, Syngenta und Dow AgroSciences.

1996 vergab Menem eine Lizenz an den Monsanto-Konzern aus St. Louis, Missouri, dem weltgrößten Hersteller von genmanipuliertem Sojabohnen-Saatgut, einem strategisch wichtigen Futtermittel für die weltweite Landwirtschaft. Nachdem nach 1996 Gen-Sojabohnen-Saatgut in die argentinische Landwirtschaft eingebracht worden war, begannen große ausländische Firmen wie Cargill und ausländische Versicherungsgesellschaften und Konzerne wie beispielsweise Seabord Corp. mit Massenaufkäufen von jetzt (in Dollars gerechnet) spottbilligem argentinischem Ackerland. Der Boden Argentiniens wurde in eine riesige industrielle Produktionsstätte für Saatgut umgewandelt.

Als Folge der Wirtschaftskrise gaben die Banken Millionen von Hektar besten Ackerlandes zur Versteigerung frei. Die einzigen Käufer, die Dollars investieren konnten, waren ausländische Gesellschaften oder Privatpersonen. Den Kleinbauern bot man Pfennigbeträge für ihr Land, lehnten sie das ab, vertrieb man sie manchmal mit Terror oder Polizeigewalt. Im Jahre 2001 war der New Yorker Milliardär und Hedgefond-Spekulant George Soros mit seiner argentinischen Holding-Gesellschaft, Adeco Agropecuria, der größte Landbesitzer in Argentinien.

Zur Profitmaximierung wurden nach dem Vorbild von Kansas ausgedehnte Landflächen so hergerichtet, daß riesige Landwirtschaftsmaschinen rund um die Uhr betrieben werden konnten. Die Anlagen werden oft mittels GPS-Satelliten-Navigation ferngesteuert, so daß nicht einmal ein Bauer nötig ist, um einen Traktor zu fahren. Ein Landwirtschaftssystem, das einstmals auf der Grundlage von produktiven Familienbetrieben funktionierte, wurde zurückgeworfen in einen neofeudalistischen Zustand, beherrscht von einer Handvoll mächtiger, reaktionärer, reicher Großgrundbesitzer im Stile der Latifundisdas.

Die Gen-Soja-Revolution in Argentinien gestaltete die Landwirtschaft innerhalb von zehn Jahren völlig um. In den 1970er Jahren hatten Sojabohnen keine wesentliche Rolle gespielt. Im Jahre 2004, nach 8 Jahren Monsanto, waren mehr als 14 Millionen Hektar Gen-Sojabohnen angebaut worden. Große Maschinen hatten die Wälder gerodet, darunter auch kostbaren Regenwald im Amazonasgebiet. Landwirtschaftliche Vielfalt wich innerhalb kürzester Zeit einer Monokultur.

Mehr als ein Jahrhundert lang bestand das argentinische Ackerland, vor allem die Pampas, aus weiten Mais- und Weizenfeldern inmitten grüner Weiden, auf denen Viehherden grasten. Um die Bodenqualität zu erhalten, ließen die Bauern auf den Äckern im Fruchtwechsel Getreideanbau dem Gras für das Vieh folgen. Mit dem Sojabohnenanbau wurde das Land eine Monokultur, und weil die Sojapflanzen dem Boden wichtige Nährstoffe entziehen, brauchen die Pflanzen immer mehr chemischen Dünger von Monsanto. Die großen Rinder- und Milchviehherden, die jahrzehntelang frei auf den Weiden umhergezogen waren, wurden nun nach US-Manier in enge Massenfutterparzellen gepfercht, um Platz für die lukrativeren Sojabohnen zu schaffen.

Der argentinische Agrar-Ökologe, Walter Pengue, ein Spezialist auf dem Gebiet der Wirkung von Gen-Sojabohnen, sagte weitblickend: »Wenn wir so weitermachen, wird dieser Boden in vielleicht 50 Jahren überhaupt nichts mehr hervorbringen.« Schon 2004 nahmen die Sojabohnenpflanzen fast die Hälfte, das heißt 48 Prozent, des gesamten Ackerlandes in Argentinien ein, und 97 Prozent dieser Bohnen waren Gen-Sojabohnen von Monsanto.

Zwischen 1988 und 2003 war die Zahl der argentinischen Milchviehalter auf die Hälfte reduziert worden. Zum ersten Mal mußte Milch eingeführt werden - aus Uruguay zu weit höheren Preisen. Weil der Anbau von Sojabohnen Hunderttausende von ihrem Land vertrieben hatte, nahmen Armut und Mangelernährung rapide zu. Noch in den 1970er Jahren galt Argentinien als ein Land mit einem der höchsten Lebensstandards der Welt. Prozentual lag 1970 der Anteil seiner Bevölkerung, der offiziell unter der Armutsgrenze lebte, bei 5 Prozent. 1998 war der Bevölkerunganteil unter der Armutsgrenze schon auf 30 Prozent gestiegen, und 2002 bereits auf 51 Prozent. Im Jahre 2003 stieg die Unterernährung, die man im früheren Argentinien nie gekannt hatte, auf eine geschätzte Höhe zwischen 11 Prozent und 17 Prozent bei einer Gesamtbevölkerung von 37 Millionen an.

In Mitten der einschneidenden nationalen Wirtschaftskrise, die aus den Staatsdefiziten resultierte, mußten die Argentinier einsehen, daß sie nicht länger in der Lage waren, ihr Überleben so wie früher auf einem kleinen Stückchen Land sichern zu können. Das Land war überzogen mit riesigen Gen-Sojaflächen, die sogar den Anbau von normalem, lebensnotwendigem Getreide blockierten. Feudale Großgrundbesitzer begannen mit einer Massenabholzung des Waldes, um für massenhaften Gen-Sojaanbau Platz zu schaffen. Plötzlich wurde den bäuerlichen Gemeinschaften mitgeteilt, ihr Land gehöre jemand anderem. Wenn sie sich dann weigerten, freiwillig wegzugehen, stahlen bewaffnete Gruppen oft ihr Vieh, verbrannten ihr Getreide und drohten noch mehr Gewalt an. Innerhalb weniger Jahre wurden so mehr als 300.000 Kleinbauern und Farmer von ihrem Land vertrieben.

Da die Gen-Sojabohnen-Revolution die traditionelle landwirtschaftliche Produktion zerstört hatte, erlebten die Argentinier einen dramatischen Wandel der verfügbaren Nahrungsmittel. Der Wirtschaftskrise im Jahre 2002 war die Bevölkerung auf Grund der neuen Sojabohnen-Monokultur hoffnungslos ausgeliefert. Hunger breitete sich über das Land aus. Nun fürchtete die Landesregierung Aufstände wegen der fehlenden Nahrungsmittel, und sie reagierte, unterstützt von Monsanto und den riesigen internationalen Sojabohnenabnehmern wie Cargill, Nestlé und Kraft Foods darauf. Obwohl diese Sojabohne als Tierfutter angebaut wurde, verteilte man den Hungernden mildtätig Sojaspeisen, um einen stärkeren Konsum von Sojabohnen zu fördern.

Auf dem Lande waren die Auswirkungen der Sojabohnen-Monokultur noch verheerender. Die traditionellen bäuerlichen Gemeinschaften in der Nähe der riesigen neuen Sojabohnen-Plantagen waren ernstlich betroffen, durch das Besprühen der Sojabohnen aus der Luft mit Pestiziden, dem Glyphosat Roundup Ready von Monsanto. In Loma Senes fanden die Bauern, die dort verschiedene Gemüse für ihren Eigenbedarf angebaut hatten, die gesamte Ernte vernichtet, nachdem die angrenzenden Felder mit Roundup Ready besprüht worden waren, einem Pestizid, das alle Pflanzen vernichtet, außer den speziellen, genmanipulierten Monsanto-Pflanzen, die so gegen das Unkrautvernichtungsmittel resistent gemacht sind.

Eine Studie von 2003 zeigt, daß das Besprühen nicht nur ihre Ernte zerstört hatte. Ihre Hühner waren gestorben und andere Tiere vor allem Pferde erlitten Schaden. Bei den Menschen führten die gesprühten Unkrautvernichtungsmittel zu schwerer Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Hautverletzungen. Aus Berichten geht hervor, daß Tiere in der Nähe von Gen-Sojabohnenfeldern mit Mißbildungen geboren wurden. Man hörte von mißgebildeten Bananen und Süßkartoffeln, von Seen, die plötzlich voller toter Fische waren. Bauernfamilien berichteten, nach dem Besprühen der nahegelegenen Sojafelder bei ihren Kindern seltsame Flecken auf dem Körper entdeckt zu haben.

 

Solveig Brendel

Quelle: Aus dem Buch
«Seeds of Destruction: The Geopolitics of Geneocide»
(«Die Saat der Zerstörung: Die Geopolitik des Genozids»)
von F. William Engdahl

 

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

    'Schweiz: Gen-Moratorium um fünf Jahre verlängert' (27.11.05)

    'Die Froschkartoffel' (27.10.05)

    'Rumänien mit Gen-Soja illegal verseucht' (10.10.05)

    'REACH bremst Tierversuche nicht'
    Die Rolle von Tierversuchen beim Aufstieg und Fall der "Gentherapie"
    (4.10.05)

    'Monsanto knebelt US-Landwirtschaft' (26.04.05)

    'Künast als Terminatorin der Öko-Landwirtschaft?
    2005 dürfen über 1.000 Hektar Gen-Mais angebaut werden' (19.03.05)

    'Brasilien erlaubt Anbau von Gen-Pflanzen' (4.03.05)

    'Ministerin contra - Ministeriale pro Gentech?
    'Report Mainz' enthüllt wahre Aufgabe des Künast-Ministeriums'
    (1.03.05)

    'Gen-Mais im Vogelschutzgebiet
    Künasts Gentech-Gesetz wirkt' (18.02.05)

 

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