16.05.2005

Freiburger Frühling

Freiburger StudentInnen weiter in kämpferischer Stimmung
Rektorats-Besetzung beendet - neue "Rektorin" gewählt

Für zwei Wochen hatten die Freiburger StudentInnen unter dem Motto "Freiburger Frühling" das Rektorat der Universtität besetzt. Letzten Donnerstag brachten sie, unterstützt von Freiburger SchülerInnen über 5000 Menschen auf die Straßen. Es geht ihnen nicht nur um die Verhinderung von Studiengebühren, sondern sie wenden sich zugleich gegen die weitere Aufspaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Bei einer Kundgebung am Sonntag wurde die Besetzung des Rektorats beendet - doch die Proteste sollen in vielfältiger Form weiter gehen.

Auf der Demonstration am Donnerstag hatten neben SchülerInnen und StudentInnen auch ein Vertreter des DGB und der Prorektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg gesprochen und ihre Ablehnung von Studiengebühren bekundet. Und am Tag zuvor diskutierten bei einer von den StudentInnen kurzfristig initiierten Podiumsdiskussion der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg mit dem Elitenforscher und Soziologieprofessor Michael Hartmann von der TH Darmstadt pro und contra Studiengebühren. Hartmann argumentierte nicht nur theoretisch, sondern erklärte mit verblüffender Direktheit: "Durch die Senkung des Spitzensteuersatzes sparen meine Frau und ich mehr Geld, als wir für unsere Kinder an Studiengebühren zahlen müßten." Minister Frankenberg rückte dennoch keinen Millimeter von seiner Position ab und erklärte unbeeindruckt, auch bei Studiengebühren werde in Zukunft "die Auswahl so gestaltet, daß es nicht von der Herkunft" abhänge, wer studieren dürfe.

Auch der Rektor der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität Wolfgang Jäger gab sich gesprächsbereit, brachte jedoch die StudentInnen immer mehr gegen sich auf. Jäger sprach sich nicht allein für Studiengebühren aus, sondern schwärmte von einem Aufsichtsrats-Modell anstelle einer demokratischen Uni-Selbstverwaltung und favorisierte zudem die weitere Umgestaltung der Universität nach Managementgesichtspunkten. Ein absolutes Novum dürfte sein, daß die Freiburger Vollversammlung mit immerhin über 800 anwesenden StudentInnen vor wenigen Tagen mehrheitlich den Rücktritt des Rektors gefordert hat.

Bei der Beendigung der Rektorats-Besetzung am Sonntag nun stellten sich KandidatInnen für das Amt des Freiburger Uni-Rektors vor. Zur neuen "Rektorin" gewählt wurde eine Studentin, die vielleicht in einigen Jahren tatsächlich so einiges aus dem Wunschkatalog ihrer KommilitonInnen zu realisieren vermag. Zugleich trat eine "Vereinigung verwöhnter Millionärskinder und rechtskonservativer Eliten, VvMrE e.V.", auf. die mit extremistisch-elitären Parolen die Räumung des Rektorats forderte und für Gelächter sorgte. Wie schon bei einer "Gegenkundgebung" am 1. Mai in Freiburg erschienen sie pikfein gekleidet und mit passenden Accessoires wie Zigarren und Sektflaschen.

In mehreren Redebeiträgen wurde am Sonntag auch die Berichterstattung der 'taz' heftig kritisiert. Offenbar waren die Freiburger StudentInnen darüber verwundert, wenn in dem Blatt wahrheitswidrig behauptet wurde, die Freiburger Rektoratsbesetzung sei nur von einer Minderheit unter den StudentInnen unterstützt worden, wenn darin tendentiös und zugleich polemisch von einem "Kuschelkurs" der Freiburger StudentInnen geschrieben wurde ('taz' vom 14.05.) und wenn eine Demo von StudentInnen in Stuttgart, an der nach Polizeiangaben am 12. Mai 8.000 Menschen teilnahmen, der 'taz' keine einzige Zeile wert war.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Beiträge

      'Studi-Proteste in mehreren Städten'
      Rund 30.000 gegen Studiengebühren und Sozialabbau (3.02.05)

      'Verfassungsgericht öffnet Tür für Studiengebühren'
      Weiterer Akt im Spiel mit verteilten Rollen? (26.01.05)

      'Protest in Freiburg verstolpert'
      Gewerkschafter und Linke Liste
      hatten sich vornehm zurückgehalten
      (23.01.04)

      'Freiburger Sozialproteste'
      StudentInnen-Kette zwischen Uni und PH (22.01.04)

      'Protest gegen Sozialabbau und Bildungsklau jetzt auch in Freiburg'
      "Die Bildung geht's Bächle runter" (21.01.04)

      'Schröder flüchtet vor Leipziger StudentInnen'
      "Bildung statt Spiele" (9.01.04)

      'Die Proteste gehen weiter'
      Die StudentInnenenproteste in Deutschland
      gehen auch nach der Weihnachtspause weiter (8.01.04)

      'Gegen Bildungsabbau und Sozialklau'
      Zehntausende demonstrierten am Wochenende (16.12.03)

      'Gegen Bildungs- und Sozialabbau'
      StudentInnen-Protest weitet sich aus (12.12.03)

      'Kampf gegen Kulturabbau'
      Die Studentenproteste finden zunehmend Widerhall
      im ganzen Bundesgebiet (4.12.03)

      'Es reicht!'
      Deutschlands Studenten verstärken ihren Protest
      gegen den Bildungsnotstand (1.12.03)

 

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