7.01.2019

Müllkippe Nordsee
Immer mehr Plastikmüll an den Stränden

Plastik-Müll am Strand - Foto: adege - Creative-Commons-Lizenz CC0
Wilhelmshaven (LiZ). Auch im Jahr 2018 nahm die Masse an Müll, die an den Stränden der Nordsee angeschwemmt wird, in erschreckendem Maße zu. Die 270 Container, die bei Sturm vor wenigen Tagen vom Schiff 'MSC Zoe' ins Meer fielen, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Auf der unbewohnten Insel Mellum werden regelmäßig pro 100 Meter Stand rund 700 Müllteile eingesammelt. Dieser Müll besteht zu fast 90 Prozent aus Plastik.

WissenschaftlerInnen warnen schon seit Langem, daß dieser Müll früher oder später in die marine Nahrungskette gerät und am Ende beim Verursacher - dem homo "sapiens" - auf dem Teller landet. Doch der im Kapitalismus unausweichliche Druck des Profit-Prinzips läßt das Risiko von Schiffshavarien wie dem der 'MSC Zoe', einem sogenannten Mega-Carrier, steigen. An Deck solcher Containerschiffe werden heutzutage in der Regel 23 Container nebeneinander in 8 Etagen gestapelt. Bei einem Schiff wie der 'MSC Zoe' mit 395 Meter Länge kommen so rund 400 Container zusammen, die allein an Deck - nicht etwa im Schiffsrumpf! - aufgestapelt werden.

Neben Plastikmüll, der zu einem großen Teil über die Flüsse ins Meer geschwemmt wird, bedroht auf demselben Weg die Schadfracht aus der industriellen Landwirtschaft das Leben sowohl in der Nordsee als auch in der Ostsee. Nitrate und Phosphate aus den chemischen Düngemitteln, die in Nordsee und Ostsee eingetragen werden, stammen übrigens zum größten Teil aus Deutschland. Wenig bekannt ist bis heute der zunehmende Anteil an dem in die Meere geschwemmten Plastikmüll, der durch Kunstrasen verursacht wird (siehe hierzu unseren Artikel v. 1.12.18).

Die deutschen Nordsee-Inseln sind stark von der Müllflut betroffen. Auf Mellum nahe Wilhelmshaven werden regelmäßig pro 100 Meter Stand rund 700 Müllteile eingesammelt. Dieser Müll wird regelmäßig ehrenamtlich von der Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft Mellumrat eingesammelt und geht daher nicht in die Bilanz der Reedereien ein, die sich im Konkurrenzkampf mit immer größeren Containerschiffen und immer höher aufgetürmter Ladung gegenseitig zu überbieten trachten. Wie in vielen anderen Bereichen - dem Verkehr zu Land, zu Wasser oder in der Luft, dem zunehmenden Flächenfraß durch Neubau-Siedlungen und Straßenbau oder dem CO-Austoß beim Verbrennen fossiler Energieträger in Kraftwerken und am schlimmsten bei der Atomenergie - werden die Profite privatisiert , aber die Folgekosten sozialisiert.

Das Treibgut am Mellumer Strand besteht zu einem großen Teil aus Plastik. Angeschwemmt werden Dosen, Plastikbecher, Styropor und beispielsweise Luftballonschnüre, die immer wieder Seevögel strangulieren. Auf der Insel brüten auch regelmäßig Löffler. Ihre Nester bestehen nicht aus natürlichen Materialien, sondern aus Plastiktüten. So klein die unbewohnte Insel Mellum ist, zeigt sie sehr deutlich das Ausmaß des Müllproblems in den Meeren.

In den vergangenen Jahren war in den Mainstream-Medien gelegentlich von vermüllten Ozeanen zu erfahren, doch die Bilder stammten meist von fernen Regionen im Atlantik oder im Pazifik, wo sich bereits gigantische Müllteppiche gebildet haben. Zwischen Kalifornien und Hawaii hat sich in der Meeresströmung ein Strudel aus drei Millionen Tonnen Plastikmüll gebildet. In den vergangenen 50 Jahren ist er nahezu unbeachtet auf eine Fläche von der Größe Mitteleuropas angewachsen (Siehe unsere Artikel v. 21.12.15 und v. 22.08.09). Doch längst ist zu konstatieren, daß auch Nordsee und Ostsee - ebenso wenig wie das Mittelmeer - von der Müllflut verschont bleiben. Entlang der großen Schifffahrtslinien bietet sich in Nord- und Ostsee zuweilen ein erschreckendes Bild, da nach wie vor ein großer Teil des Mülls - auch ausgediente Fangnetze aus Plastikschnüren - bedenkenlos ins Meer "entsorgt" werden. Allein auf diesem Weg gelangen derzeit rund 20.000 Tonnen Müll pro Jahr in die Nordsee.

Gewarnt wurde von Meeres-WissenschaftlerInnen schon in den 1990er-Jahren vor der zunehmenden Müllflut. 1992 wurde das regionale Meeresschutzabkommen OSPAR (Os-Par steht für die sogenannte Oslo-Paris-Konvention) vereinbart, doch nach wie vor gelangt Jahr für Jahr mehr Müll in die Meere. Immerhin dient OSPAR dazu, das Problem zu beschreiben und zu quantifizieren. Das Pilotprojekt 'Marine Beach Litter Monitoring' in den Jahren 2000 bis 2006 identifizierte Plastik als den dominanten Anteil des gesamten Mülls im Nordostatlantik. Danach wiesen die Strände der OSPAR-Region durchschnittlich 712 Müllteile pro 100 Meter Küstenlinie pro Jahr auf.

Die ökologischen Auswirkungen des Plastikmülls sind verheerend. So verwechseln vor allem Seevögel Plastikteile mit Nahrung oder Sepiaschalen von Tintenfischen. Diese brauchen sie zur Versorgung mit Kalzium, welches sie für den Skelettbau oder die Schalenausbildung benötigen. So nehmen Seevögel stetig Plastik bei der Nahrungssuche auf, so daß sie ein ständiges Sättigungsgefühl verspüren. Viele von ihnen verhungern mit vollen Mägen oder sind aufgrund der reduzierten Fitness ein leichtes Opfer von Krankheiten oder Infektionen. Wieder andere sterben an inneren Blutungen durch perforierte Magenwände. Im Zeitraum von 2002 bis 2006 wurde in 95 Prozent der untersuchten Eissturmvögel Plastik im Magen-Darm-Trakt gefunden. Doch nicht nur Seevögel sind in den Meeresgebieten Deutschlands betroffen. Auch Seehunde, Kegelrobben, Schweinswale und zahlreiche Fischarten werden Opfer der Müllflut.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Nitrat: "Schwarz-Rot" versucht der
      Klage der EU zu entgehen (17.02.17)

      Nitrat: EU verklagt BRD
      Zu viel Gülle im Grundwasser (7.11.16)

      Nitrat im Grundwasser
      EU verklagt Deutschland (29.04.16)

      Deutschlands Meeresschutz am Ende?
      Umwelt-Verbände kritisieren Bundesregierung scharf
      (22.02.16)

      Radioaktivität im Wasser
      unter dem AKW Indian Point (6.02.16)

      Giftiges Trinkwasser in US-Stadt Flint
      seit März 2014 (18.01.16)

      Hendricks schützt Plastiktüten
      nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris (21.12.15)

      Thunfisch und Quecksilber
      EU-Kommission will Grenzwert lockern (16.09.15)

      Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
      Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)

      Industrielle Landwirtschaft tötet
      Fischsterben in der Elbe (24.07.14)

      Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
      Bundesregierung untätig (17.06.14)

      Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
      als bislang angenommen (16.06.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
      verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)

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      BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)

      VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
      darf Pestizide enthalten (2.08.13)

      Phosphat-Dünger
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Pestizide vernichten Amphibien
      Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)

      Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
      Vom Aussterben bedroht (5.01.13)

      Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
      ist "mangelhaft" (25.10.12)

      Flächenfraß weiter lebensgefährlich
      BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)

      Greenpeace deckt auf
      Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)

      Wald-AIDS greift um sich
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      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)

      BUND fordert Aufgabe der Pläne
      zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)

      Uran im Trinkwasser
      foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

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      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

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      Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)

      Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
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      Uran im Trinkwasser
      'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)

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      Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)

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      160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)

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      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

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