18.07.2008

Französische Atom-Industrie
bleibt im Gespräch

Erneute Leckage

Nur 11 Tage nach dem Austritt von Uran-Lösung auf dem Gelände des AKW Tricastin und der radioaktiven Kontamination von Grundwasser und Flüssen wurde in einer Brennelemente-Fabrik in Romans-sur-Isère im Südosten Frankreichs ein undichtes unterirdisches Rohr entdeckt, aus dem ebenfalls Uran austrat.

19 französische Atomkraftwerke mit 58 Reaktoren

Der Areva-Konzern gab zwar in einer heute verbreiteten Erklärung zu Protokoll, das ausgetretene, leicht angereicherte Uran habe das Grundstück der Anlage nicht verlassen und stelle "absolut keine Bedrohung für die Umwelt" dar. Die Pipeline sei inzwischen stillgelegt. Dennoch ist der Prestige-Verlust für eine Branche, die sich eben erst aufmachte, die eigene Wiedergeburt zu feiern, verheerend.

Die Brennelemente-Fabrik südlich von Lyon gehört dem franko-belgischen Unternehmen FBFC, einer Tochter des Areva-Konzerns. Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN gab die neue Panne heute (Freitag) bekannt, nachdem sie am Vorabend informiert worden war. Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, da es sich lediglich um wenige hundert Gramm Uran handle.

Die undichte Stelle befinde sich an einem unterirdischen Rohr, das flüssiges Uran transportiere, teilte Areva mit. Der Riß an der Leitung sei vermutlich bei Arbeiten im Jahr 2006 entstanden, teilte die ASN unter Berufung auf das Unternehmen mit. Areva wollte noch am Freitag mit der Säuberung des betroffenen Gebietes beginnen.

Offenbar war dem Betreiber die Leckage der Rohrleitung seit Jahren bekannt. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die Auflagen, erklärte die ASN. Die Leitung verband nach Auskunft des Betreibers ein Gebäude, in dem Brennelemente für Atomkraftwerke produziert werden, mit einer Verarbeitungsanlage.

In der Nacht zum 8. Juli waren auf dem Gelände des AKW Tricastin laut den zuletzt verbreiteten Angaben 18.000 Liter eines Reinigungsmittels mit 74 Kilo Uran in zwei Flüsse gelangt. Areva, dessen Tochter Socatri die Anlage betreibt, war danach in die Kritik geraten. Der Vorfall war erst mit einem Tag Verspätung bekanntgegeben worden. Noch immer treten bei Messungen in Flüssen und Gewässern schwankende Uranwerte auf. Mittlerweile ordnete die französische Regierung eine Überprüfung aller 19 Atomkraftwerke des Landes an.

Die neue Leckage bedeutet einen herben Prestige-Verlust für Areva. Der Konzern versucht zusammen Siemens mit dem Bau zweier Reaktoren in Finnland und im nordfranzösischen Flamanville die Atomenergie nach einer Zeit der Stagnation in die Offensive zu bringen. Areva steht auch hinter den Bemühungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, international Aufträge für einen AKW-Neubau zu requirieren.

Der Umweltschutzdachverband France Nature Environnement (FNE) forderte heute (Freitag) eine öffentliche Untersuchung der beiden Pannen und schloß eine Klage gegen Areva nicht aus. Bei der Untersuchung der Strahlenbelastung im Umfeld des AKW Tricastin wurde zudem Uran im Grundwasser festgestellt, das bereits früher in die Umwelt gelangt sein muß. ExpertInnen vermuten einen Zusammenhang mit einer ungesicherten Atommüll-Deponie auf dem weitläufigen Gelände, in der seit den 70er Jahren etwa 760 Tonnen uranhaltigen Atomabfalls aus Militärbeständen lagern. Umweltverbände fordern daher neben der angekündigten Untersuchung an AKW-Standorten die Einbeziehung sämtlicher Nuklear-Anlagen wie der Plutoniumfabrik La Hague (sogenannte Wiederaufarbeitungsanlage) als auch der Uranerzaufbereitungsanlage in Bessines, des Kernforschungszentrum Cadarache, des stillgelegten AKW Marcoule, der Ruine des Schnellen Brüters "Superphénix" bei Malville, der militärischen Anlagen in Valduc und der Atomabfalllagerungsstätten Centre de la Manche und in Soulaines.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel

      Nach Unfall beim AKW Tricastin
      Überprüfung des Grundwassers bei französischen AKW (17.07.08)

      AKW Tricastin:
      Flüsse in Südfrankreich radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      AKW Neckarwestheim:
      Hohe Tritium-Konzentration im Neckar (23.06.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Schwerer Störfall im AKW Philippsburg I
      Reaktor heruntergefahren (6.06.08)

      Schwerer AKW-Störfall in Slowenien
      Radioaktives Kühlwasser trat aus (4.06.08)

      AKW Neckarwestheim I heruntergefahren
      Reaktordruckbehälter undicht (23.05.08)

      Minderwertiger Beton bei Bau des "Zwischenlagers"
      beim AKW Neckarwestheim? (8.05.08)

      AKW-Unfall in Spanien
      Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)

      Brand im AKW Brokdorf (14.03.2008)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      AKW Gundremmingen Block B abgeschaltet
      Weitere Indizien für illegales "AKW-Tuning" (9.01.08)

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz
      (7.12.07)

      Atomenergie in Frankreich

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

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