25.08.2011

Radioaktiver Müll in Gorleben
verursacht hohe Strahlenbelastung am Zaun

Atommüll - wohin damit? Radioaktivitäts-Messungen im Auftrag des niedersächsischen "Umwelt"- Ministeriums haben eine ungewöhnlich hohe Strahlen- belastung am Zaun des oberirdischen Atommüll-Zwischenlagers ergeben. Laut einem behördeninternen Vermerk ist nicht auszuschließen, daß die gesetzlich zulässige Jahresdosis bis Ende 2011 überschritten wird. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg fordert die Aussetzung des für November geplanten CASTOR-Transports nach Gorleben.

Legal ist am Zaun des Zwischenlagers eine zusätzliche - ebenfalls gesundheitsgefährdende und Krebs auslösende - radioaktive Strahlung von 300 µSv pro Jahr. Nach Informationen des NDR-Regionalmagazins "Hallo Niedersachsen" hat der Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in einem internen Vermerk festgehalten, daß nicht auszuschließen ist, daß die gesetzlich zulässige Jahresdosis bis Ende 2011 überschritten wird. "Eine Einlagerung weiterer Behälter wäre dann nicht zulässig," heißt es darin. Schon ab einem Schwellenwert von 270 µSv müssen Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenbelastung ergriffen werden.

Das NLWKN mißt im Auftrag des Umweltministeriums die Strahlung am Zwischenlager. An einer von mehreren Meßstellen wurden ungewöhnlich hohe Werte für Neutronenstrahlung ermittelt. Neutronenstrahlung ist im Vergleich zu Röntgenstrahlung bei gleicher Dosisleistung - anders als etwa Beta- oder Gammastrahlung - um ein Vielfaches gefährlicher. Offenbar plant das niedersächsische "Umwelt"-Ministerium jedoch nur die hohen Strahlenwerte am Zaun durch ein Umstellen der CASTOR-Behälter im Zwischenlager zu vermindern.

102 CASTOR-Behälter stehen bislang als Resultat von zwölf - lediglich einer politischen Durchsetzungs-Strategie geschuldeten - Atommüll-Transporten im oberirdischen Zwischenlager. Eine rationale Begründung konnte für keinen dieser Transporte gegeben werden. Ein Transport mit elf weiteren CASTOR-Behältern aus der französischen Plutoniumfabrik ("Wiederaufarbeitungsanlage") LaHague soll im November ins Wendland rollen. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg (BI) fordert die Absage dieses CASTOR-Transports, gegen den bereits Widerstand und Blockaden angekündigt wurden. Die Endlager-GegnerInnen halten Maßnahmen wie etwa das Umstellen der Behälter im Zwischenlager für "provisorischen Pfusch". Offenbar wurde diese Maßnahme von der Brennelementlager-Gesellschaft (BLG) vorgeschlagen. "Hauptbetroffene sind die Mitarbeiter der BLG, die täglich dem Strahlenfeld ausgesetzt sind," gibt die BI zu bedenken.

Die Ursache für die alarmierend hohen Strahlenwerte sieht die BI in den zuletzt angelieferten CASTOR-Behältern: "Der CASTOR-Transport 2010 war nicht nur derjenige, der bisher den größten Widerstand herausgefordert hatte, er war auch der heißeste," sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Der darin enthaltenen Brennelemente-Müll zeichnete sich durch besonders hohen Abbrand aus.

"Die Tatsache, daß das NLWKN jetzt einen Halbjahreswert für Neutronenstrahlung ermittelt hat, der hochgerechnet die gesetzlich erlaubte Dosis von 0,30 mSv übersteigt, wirft aber Fragen auch nach der Zuverlässigkeit der Betreiberin auf," so BI-Sprecher Ehmke. Die Umgebungsüberwachung der BLG müsse sorgfältig geprüft werden. Der skandalöse Zustand, daß beim Eintreffen neuer CASTOR-Behälter die BLG der Gewerbeaufsicht die Meßinstrumente leiht, wird von den Endlager-GegnerInnen seit Jahren gebrandmarkt.

Für kommenden Dienstag sind VertreterInnen der BLG ins "Umwelt"-Ministerium zu einem "Fachgespräch" eingeladen. Dem Vernehmen nach soll die BGL erläutern, wie sie den Jahresgrenzwert einzuhalten gedenkt. Offenbar soll die BLG auf irgendeine Weise einen Nachweis erbringen, daß die Strahlung am Zaun des Zwischenlagers reduziert werden kann. Ohne diesen Nachweis könnte das niedersächsische "Umwelt"-Ministerium als Aufsichtsbehörde keine Genehmigung zur weiteren Einlagerung von CASTOR- Behältern erteilen. Der dreizehnte Atommüll-Transport nach Gorleben im November müßte dann abgeblasen werden.

Das seit Mitte der 1970er-Jahre geplante unterirdische Endlager für hochradioaktiven Müll aus Atomkraftwerken ist bis heute nicht fertiggestellt. Entgegen den vorliegenden wissenschaftlichen Beweisen, daß der Gorlebener Salzstock nicht zur Aufnahme des Mülls geeignet ist, wird jedoch derzeit unter dem Deckmantel von "Erkundungsarbeiten" weiter illegal daran gearbeitet.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      Folge 12 der Info-Serie Atomenergie

 

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