3.06.2009

Asse II:
Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards

In der fortlaufenden Skandal-Serie um das Versuchs-Endlager Asse II hat nun die Umwelt-Organisation Greenpeace neues Material veröffentlicht. Daraus geht hervor, daß Strom-Konzerne wie RWE bei der Einlagerung ihres radioaktiven Mülls Druck auf den staatlichen Betreiber ausübten und so eine Herabsetzung der Sicherheits-Standards erreichen konnten.

"Angelieferte Fässer durften ab Dezember 1975 fünfmal mehr Radioaktivität enthalten als ursprünglich vorgesehen", berichtete Greenpeace heute (Mittwoch) unter Berufung auf einen Schriftwechsel zwischen Stromkonzernen, dem damaligen Asse-Betreiber und dem Bundesinnenministerium. Greenpeae sprach von einer "heimlichen Allianz zwischen Aufsichtsbehörden und Atom-Konzernen."

Aus dem Schriftwechsel geht hervor, daß die in Asse II angelieferten Fässer ab Dezember 1975 fünfmal mehr Radioaktivität enthalten durften als ursprünglich vorgesehen. "Die Atomindustrie hatte ein Entsorgungsproblem. Um es zu lösen, wurde die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt. Die Energie-Konzerne handelten getrieben von Profitgier und die Politik hat sie dabei unterstützt," erklärt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace.

Laut Greenpeace läßt sich der Ablauf in allen Schritten nachvollziehen: Im Dezember 1974 verfaßten RWE und andere AKW-Betreiber ein 'Memorandum für die Beseitigung radioaktiver Rückstände aus Kernkraftwerken'. Die Stromkonzerne forderten von der GSF geeignete Bedingungen für die Einlagerung des Atommülls, die ihrem "Wunsch nach kostenminimalen und ökonomischen Lösungen" entsprächen. "Die Betreiber bitten die für den Betrieb und die Sicherheit der Abfallbeseitigung zuständigen Stellen, den beantragten Werten zuzustimmen. Es wäre damit ein entscheidender Schritt zur Klärung der Abfallsituation bei den Leichtwasserreaktoren getan."

Den AKW-Betreibern schienen die Betonummantelungen der Fässer "...hinsichtlich einer optimalen Nutzung des Lagervolumens nicht sinnvoll zu sein". Die Ummantelungen dienen aber dazu, radioaktive Strahlung abzuschirmen. Fässer mit einer dünneren Ummantelung würden weniger Platz beanspruchen, so daß mehr eingelagert werden kann. RWE drängte am 14. Januar 1975: "Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, daß die Dringlichkeit des Problems eine baldige Lösung erforderlich macht." Und die Kernkraftwerk Philippsburg GmbH schrieb am 17. Februar 1975, die Einlagerungsbedingungen im Versuchs-Endlager Asse II seien so, "daß eine Ablieferung radioaktiver Rückstände (...) mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln nicht möglich ist." Und weiter: "Die zunehmende Anzahl von Kernkraftwerken in der BRD verlangt zwangsläufig, daß die damit verbundenen Probleme der Beseitigung radioaktiver Rückstände gelöst werden müssen. Als Endlager kommt zunächst nur die Asse II in Frage."

Auch das Bundesinnenministerium wußte davon, es war seit Mai 1975 in den Vorgang einbezogen. Zu dieser Zeit war Werner Maihofer Bundesinnenminister unter Kanzler Helmut Schmidt. Rücksichtslos wurden Sicherheitsstandards gedrückt. Und der Betreiber machte mit: Im Dezember 1975 erlaubte er eine um das Fünffache höhere Radioaktivität der Atommüll-Fässer. "Die Atomkraftwerksbetreiber haben massiv am billigen Endlager Asse verdient", so Heinz Smital. "Sie müssen nach dem Verursacherprinzip nun für die Folgekosten ihrer Profitgier aufkommen."

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), seit Jahresbeginn Asse-Betreiber, hatte bislang angeblich keine Kenntnis von den Dokumenten. "Wir sind dabei, die Akten zu sichten und auszuwerten", sagte BfS-Sprecher Werner Nording. "Dabei gehen wir auch der aktuellen Meldung nach. Wir müssen weiter mit Überraschungen rechnen."

Bereits im Februar 2009 widerlegte Greenpeace die Darstellung der Atomindustrie, Müll aus privatwirtschaftlichen Atomkraftwerken sei nur in geringen Mengen in die Asse abgeladen worden. Tatsächlich stammen mehr als 70 Prozent der Radioaktivität von atomaren Abfällen aus Atomkraftwerken der vier großen Energiekonzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

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