24.04.2009

Asse II diente auch der
Bundeswehr als Atomklo

Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an

Auch die Bundeswehr hat nach neu zum Vorschein gekommenen Dokumenten das "Versuchs-Endlager" Asse II in der niedersächsischen Region Salzgitter-Wolfenbüttel-Goslar als Atomklo mißbraucht. Versenkt wurde demnach radioaktiver Müll, der sich unter anderem aus Resten von Leuchtfarben, Armaturen und Kompasse mit radiumhaltigen Leuchtziffern zusammensetzte, wie Florian Emrich, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), heute (Freitag) bestätigte. Zur Menge des von der Bundeswehr stammenden radioaktiven Mülls wollte Emrich allerdings keine Angaben machen.

Nach Angaben des Niedersächsischen Jugendumwelt-Netzwerks hat die "Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz" mit Sitz in Munster von 1975 bis 1978 insgesamt 236 200-Liter-Fässer mit radioaktivem Müll kontaminierten Teilen in das "Versuchs-Endlager" abgeladen. Den Lieferscheinen zufolge handelte es sich bei den Abfällen auch um radioaktives Verdampferkonzentrat, kontaminiertes Papier sowie kontaminierte Rohre und Plastikteile. Aus der Auflistung geht hervor, daß darin radioaktive Nuklide wie Kobalt 60, Strontium 90 und Cäsium 137 enthalten sind. Die strahlenden Abfälle seien "in Beton eingebettet", heißt es in den Frachtpapieren.

Die "Erprobungsstelle der Bundeswehr für ABC-Schutz" war 1958 in Munster eingerichtet worden. 1975 wurde sie in "Wehrwissenschaftliche Dienststelle für ABC-Schutz" umbenannt. Seit 1995 trägt die Einrichtung den Namen Wehrwissenschaftliches Institut für Schutzmaßnahmen (WIS). Dessen Aufgabe bestand laut Nachforschungen des Jugendumwelt-Netzwerks darin, "Erprobungen und Güteprüfungen" durchzuführen. Später habe sich der Schwerpunkt zu "anwendungsbezogenen Grundlagen- untersuchungen" verschoben. Zu den Aufgaben zählt offenbar auch das Sammeln und Konditionieren der radioaktiven Abfälle der Bundeswehr.

In den vergangenen Wochen war bekannt geworden, daß in dem Bergwerk auch Pestizide, Arsen, Quecksilber sowie Tierkadaver entsorgt worden waren. Nach offiziellen Angaben wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Atommüll in das "Versuchs-Endlager" Asse II geschafft. Darunter sind nach neueren Informationen auch mehrere Kilogramm des extrem giftigen Plutoniums. Das ehemalige Bergwerk Asse II ist einsturzgefährdet und droht, wegen unkontrollierter Laugenzuflüsse "abzusaufen". Das BfS zögert derzeit im Auftrag des Bundes-"Umwelt"-Ministers Sigmar Gabriel die dringend nötige Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der völlig ungeeigneten Anlage hinaus und bezeichnet seit nunmehr vier Monaten eine "Prüfung von Inventarlisten und Frachtpapieren" als vordringlich.

Die Betreiber der 17 deutschen Atomkraftwerke, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, die für den Großteil der eingelagerten Radioaktivität in dem "Versuchs-Endlager" verantwortlich sind, haben sich mittlerweile geweigert, einen Anteil an den Kosten für eine bevorstehende "Sanierung" der Anlage zu übernehmen. Von Seiten der "schwarz-roten" Bundesregierung wurden sie bereits vorsorglich abgesichert, indem mit einer am 13. Februar im Bundesrat verabschiedeten "Reform" des Atomgesetzes die Kosten komplett den SteuerzahlerInnen aufgebürdet wurden. Bundes-"Umwelt"-Minister Gabriel hat zwar nach Protesten die Einführung einer Steuer gefordert, um die AKW-Betreiber an den Kosten zu beteiligen - erfahrungsgemäß haben solche Forderungen in Zeiten des Wahlkampfs aber eine deutlich geringere Halbwertszeit als die in Asse II eingelagerten radioaktiven Stoffe.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
      Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant (5.09.08)

      Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II nicht länger geleugnet
      Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
      Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)

      Verdacht auf hochradioaktiven Müll im Versuchslager Asse II
      "Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Kosten für Karlsruher "Atomsuppe" wachsen auf 2,6 Milliarden Euro
      Vorgeschmack auf das bittere Erbe der Atomenergie (16.01.08)

      Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
      Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
      (14.01.08)

      Drohende Umweltkatastrophe durch Atom-Lagerstätte Asse
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      Die BI Schacht Konrad weitet den Kampf aus
      Zahlreiche Aktionen gegen Atommülldeponie (4.07.07)

      Niederlage im Kampf gegen Schacht Konrad
      Gericht gibt Atom-Mafia recht (3.04.07)

      Atomares Endlager
      Yucca Mountain gestoppt (22.07.04)

      ItalienerInnen erfolgreich -
      kein Endlager weltweit (2.12.03)

      Endlager-Wahnsinn (28.02.01)

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

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