In Japan wurde nun der letzte von insgesamt 50 funktionsfähigen Atom-Reaktoren zu Wartungszwecken abgeschaltet. Dies war bereits seit Anfang 2012 absehbar. Die Stromversorgung Japans ist aufgrund vorhandener Überkapazitäten gesichert. Vor Beginn des Super-GAU von Fukushima wurde dies – ebenso wie in Deutschland – bestritten.
Wie der japanische Konzern Hokkaido Electric Power (HEPCO) bekannt gab, wurde damit begonnen, den letzten von insgesamt 50 funktionsfähigen Atom-Reaktoren herunterzufahren, Reaktor 3 des AKW Tomari an der Südwestküste von Hokkaido. Bis zum 11. März 2011 waren in Japan wegen der höheren Profite rund 28 Prozent des Stroms in 17 Atomkraftwerken mit insgesamt 54 Reaktoren erzeugt worden. Es ist das erste mal seit dem 4. Mai 1970, daß Japan völlig frei von Atomstrom ist.
Vor dem Beginn der Nuklear-Katastrophe von Fukushima wurden in Japan Atom-Reaktoren in der Regel alle 13 Monate zu Wartungszwecken und zur Neubeladung des Reaktorkerns mit neuen Brennelementen abgeschaltet. Auch jetzt ist nicht damit zu rechnen, daß die japanischen Energie-Konzerne freiwillig einem Atomausstieg zustimmen werden. In Italien etwa wurde im Jahr 1986 nach dem Super-GAU von Tschernobyl zeitweilig auf den Betrieb der Atomkraftwerke verzichtet, um so ein bevorstehendes Referendum über einen Atomausstieg zu beeinflussen. Und in Japan können die derzeit abgeschalteten Atom-Reaktoren erst wieder hochgefahren werden, wenn die lokale Bevölkerung zustimmt.
Die japanische Regierung unter Ministerpräsident Yoshihiko Noda gab bereits im vergangenen Monat die Genehmigung für die Wiederinbetriebnahme von zwei Reaktoren des AKW Oi. Mit allen Mitteln versuchen zur Zeit die Behörden im Dienste der Energie-Konzerne die AnwohnerInnen davon zu überzeugen, daß das AKW Oi ungefährlich ist.
In Tokio demonstrierten rund 6000 Menschen für einen Ausstieg aus der Atomenergie. Der buddhistische Mönch Gyoshu Otsu sprach bei einer Kundgebung vor dem Industrieministerium: "Eine neue Ära ohne Atomkraft hat in Japan begonnen. Nun können wir beweisen, daß wir auch ohne Atomstrom zu leben fähig sind." Laut 'Japan Times' ergab eine landesweite Umfrage, daß 59,5 Prozent der Befragten den Weiterbetrieb der Reaktoren 3 und 4 des AKW Oi ablehnen und nur 26,7 Prozent das erneute Hochfahren befürworten.
Ans Netz kommen die 50 Atom-Reaktoren erst wieder, wenn die lokalen Regierungen zugestimmt haben. Derzeit ist dies jedoch wegen der nach wie vor spürbaren Folgen des Super-GAU von Fukushima kaum zu erwarten. Die Energie-Konzerne jedoch hoffen, daß die Radioaktivität in der Evakuierungszone schon bald als harmlos deklariert wird, daß große Teile der Betroffenen wieder in ihre verlorene Heimat zurückkehren werden, daß wieder "Normalität" einkehrt und das Gefahrenbewußtsein beziehungsweise die "Hysterie" der Bevölkerung zurückgeht.
Derzeit warnen die Energie-Konzerne lautstark vor Engpässen in den kommenden heißen Sommermonaten. Doch die Glaubwürdigkeit der Konzerne hat bei der japanischen Bevölkerung stark gelitten, da - ähnlich wie in Deutschland - über Jahre hin behauptet wurde, Atomenergie sei unverzichtbar. Nach Angaben von Kansai Electric Power (KEPCO), der die Großstädte Osaka, Kyoto und Kobe versorgt, könnte aufgrund des hohen Strombedarfs für Klimaanlagen der Bedarf in den kommenden Monaten das Angebot um 20 Prozent übersteigen. KEPCO verzeichnete 2011 einen Verlust von 2,28 Milliarden Euro wegen der höheren betriebswirschaftlichen Kosten der gegenwärtig wieder in Betrieb genommenen thermischen Kraftwerke. Daß Atomenergie unter Berücksichtigung der gesamten Kosten die mit Abstand teuerste Form der Stromgewinnung ist, stört die Energie-Konzerne nicht im Geringsten, solange der weitaus größte Teil der Kosten der Gesellschaft aufgebürdet werden kann.
Anmerkungen
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