23.01.2012

Schall-Untersuchungen im Meer
Gefährdet deutsches Institut
Wale und Robben?

Grauwal Russische ForscherInnen planen riskante Schall-Untersuchungen in der Antarktis. Durch den dabei entstehenden enormen Lärmpegel sind Wale und Robben gefährdet. Das deutsche Umweltbundesamt hatte dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung solche Schall-Untersuchungen nicht genehmigt. Nun kooperiert das Institut mit der russischen Mission und entsendet Personal auf das in der Antarktis operierende russische Forschungs-Schiff. Das Institut tritt den von der 'Whale & Dolphin Conservation Society' (WDCS) erhobenen Vorwürfe entgegen.

Laut WDCS sind ForscherInnen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit Hauptsitz in Bremerhaven an einer russischen Mission in der Antarktis beteiligt. Umstritten ist, ob die dabei durchgeführten Schall-Untersuchungen dazu dienen, Aufschluß über möglicherweise vorhandene Erdöl- und Gasvorkommen im Einsatzgebiet zu liefern oder - wie das AWI es darstellt - um geophysikalische Grundlagenforschung zur Kontinentaldrift zu betreiben.

Die mit Hilfe von "Airguns" erzeugten Unterwasser-Schallwellen pflanzen sich kilometerweit fort und können bei Walen und Robben massive Gehörschäden verursachen. Gerade Wale sind auf ein intaktes Gehör für die Nahrungssuche, Paarung und Kommunikation angewiesen. Unterwasserlärm - insbesondere durch militärisches Sonar - gilt als eine eine der Ursachen für die immer häufiger beobachteten Strandungen von Meeressäugern.

Die WDCS kritisiert, daß genau jene Schall-Untersuchungen in der Antarktis, deren Genehmigung dem AWI verweigert worden waren, derzeit von einem russischen Kooperations-Partner durchgeführt werden und daß sich das AWI hieran beteiligt. Bei den umstrittenen Untersuchungen handelt es sich um so genannte seismische Explorationen. Mit der "Airgun", einer Art Schallkanone, werden Explosionen mit extrem lauten Schallwellen von bis zu 260 Dezibel erzeugt. Der Schalldruck ist - vorsichtig geschätzt - mehr als 10.000 mal so groß wie der eines Presslufthammers in einem Meter Abstand. Die Schallwellen wandern durch das Wasser und dringen mehrere Kilometer tief in den Boden. Das Echo gibt unter anderem Aufschluß über die Bodenstruktur und über Erdöl- und Gasvorkommen. Ob eine Nutzung der gewonnenen Daten zu kommerziellen Zwecken erfolgt oder nicht, ist nicht überprüfbar.

"Der Konflikt zwischen dem Umweltbundesamt und dem Alfred-Wegener Institut besteht bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ausführung des Antarktis-Vertrag 1998," sagt Dr.Karsten Brensing, Bioakustiker und Meeresbiologe von der WDCS. Er wertet das Verhalten des AWI als "skandalös". Das AWI habe vor nicht allzu langer Zeit zugesagt, auf die besonders gefährlichen großvolumigen "Airguns" zu verzichten. Stattdessen würden die Untersuchungen nun mit einer russischen Genehmigung unter "falscher Flagge" ausgeführt, so Brensing.

Das AWI hat bislang auch in Umweltschutz-Kreisen einen guten Ruf, da es wertvolle Arbeit bei der Erforschung des menschengemachten Treibhaus-Effekts und der dadurch hervorgerufenen Veränderungen des globalen Klimas leiste und leistet. Nach Ansicht der WDCS untergräbt das AWI nun jedoch internationale Umweltschutzbemühungen. "Wie soll Umweltschutz glaubhaft vermittelt werden, wenn eine staatliche Stelle die andere austrickst?" so Brensing.

Das AWI bestreitet in einer heute veröffentlichten Stellungnahme, daß es sich um dieselben Untersuchungen handele, deren Genehmigung zuvor vom Umweltbundesamt verweigert worden war. Lediglich zwei technische Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Institutes nähmen in den kommenden acht Wochen an einer Expedition des russischen Forschungsschiffes 'Akademik Alexander Karpinsky' in die Antarktis teil. Die Expedition sei Bestandteil eines langjährigen russischen geophysikalischen Forschungsprogramms. Die "ohnehin laufenden Messungen" würden von Seiten des AWI lediglich durch die Bereitstellung von zwölf Ozean-Boden-Seismometern unterstützt. Diese Geräte zeichneten die durch "Airgun"-Schüsse hervorgerufenen seismischen Signale ausschließlich auf und würden von den zwei Mitarbeitern vorbereitet, gewartet und auf dem Meeresboden ausgesetzt.

Außerdem habe die russische Expeditionsleitung laut AWI die Zahl ihrer ursprünglich geplanten "Airgun"-Schüsse mit mittelgroßen "Airguns" auf ein Drittel reduzieren. Großvolumige "Airguns" würden nicht eingesetzt. Gehörschäden bei Walen seien nur zu befürchten, wenn sich Tiere in unmittelbarer Nähe der "Airgun" befinden. "Airguns" würden üblicherweise abgeschaltet oder gar nicht erst in Betrieb genommen, wenn Wale im weiteren Umfeld des Forschungsschiffes gesichtet werden - so das AWI. Bekannt ist jedoch, daß Wale große Strecken zurücklegen können, ohne aufzutauchen.

Laut AWI würden die Strandungen von Walen nicht mit dem Einsatz von "Airguns" in Verbindung gebracht, sondern mit dem Einsatz von militärischen, taktischen Mittfrequenzsonaren, die zur U-Boot Jagd verwendet werden. Das AWI verweist darauf, daß es bereits seit dem Jahr 2003 nicht nur auf eine großflächige Erforschung, sondern auch auf eine Minimierung des Risikos für Wale durch anthropogenen Lärm setze, um die Folgen seismischer Untersuchungen für die Meeressäuger in den Polarregionen besser beurteilen zu können: "So wurde vor sechs Jahren das Unterwasserakustikobservatorium PALAOA installiert und seitdem ununterbrochen betrieben, um Informationen darüber zu sammeln, wie Meeressäuger Schall nutzen. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes haben zudem zahlreiche Unterwasserrekorder im Weddellmeer ausgelegt, um die Wanderungsbewegung der Wale zu erfassen. Parallel wurde ein System zur automatischen Sichtung von Walen mithilfe thermographischer Videoaufnahmen entwickelt," heißt es weiter in der Stellungnahme des AWI. Letzteres wurde aber noch nicht in Schiffen installiert und kann daher bislang nicht in der Praxis genutzt werden.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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