20.10.2009

Symbolpolitik auf Gemeindeebene

Wenig mehr als warme Worte für MilchbäuerInnen

Der Gemeinderat Bad Peterstal-Griesbach sagte den örtlichen MilchbäuerInnen kürzlich in seiner Sitzung umfassende Hilfe zu. Doch was haben sie davon zu erwarten? Einen Brief an die Bundeskanzlerin und eine Kuh-Statue am Ortseingang...

Wenn Verena Huber den Worten von Gemeinderäten aller Couleur in der Kurgemeinde Glauben schenken darf, bereitet die Lage der MilchbäuerInnen ihnen große Sorgen. Verena Huber, Besitzerin von 30 Milchkühen in Bad Peterstal, berichtete den VolksvertreterInnen vom Ende der Mengenregulierung und daß seitdem die Preise purzeln. Die MilchbäuerInnen im hinteren Renchtal haben nach ihren Angaben mehr Ausgaben als Einnahmen über die Milchproduktion. Huber berichtete von "drei heißen Wochen", die hinter ihr lägen. Die deutschen MilchbäuerInnen unterstützten die Streiks der französischen MilchbäuerInnen und protestierten gemeinsam mit ihnen am 10. September auf der Rheinbrücke in Kehl. Am 24. September nahmen sie an der Blockade des "Offenburger Eies" teil, anschließend kämpften sie in Grafenweiler für höhere Milchpreise. "Wir haben das vor- und nachgelagerte Gewerbe angesprochen", informierte Verena Huber weiter, "ob Landmaschinenhändler oder Tierärzte - man steht hinter uns."

Die Milchbäuerin macht auch keinen Hehl daraus, daß sie sich Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, keine Unterstützung erhofft und dessen Agieren eher als hinderlich für einen Erfolg der MilchbäuerInnen betrachtet. Einzelne GemeinderätInnen schlagen in die Kerbe und vermuten, daß der Bauernverband kein Interesse am Erhalt der Milchviehhaltung im Schwarzwald habe. Der Interessenkonflikt zwischen der industriellen Landwirtschaft, die der Deutsche Bauernverband vertritt, und den kleinen LandwirtInnen, die in ihrer Abhängigkeit von Molkereien und Lebensmittelhandel kaum mehr besser als Lohnabhängige dastehen, kommt mittlerweile auch auf den Dörfern im Schwarzwald zur Sprache.

Mit "großem Ernst" werden alle Argumente, die längst in den Mainstream-Medien von vorn und von hinten beleuchtet wurden, einmal mehr durchgekaut. Seltverständlich ist allen mittlerweile klar, daß mit der Existenz der MilchbäuerInnen "das höchste Gut der Kurgemeinde steht und fällt" und daß die offene Landschaft nicht zuletzt für den Tourismus und die Kurgäste unabdingbare Voraussetzung ist. Es sei für die Gemeinde nicht zu leisten, die Landschaft aus eigener Kraft offen zu halten. 40 bis 50 Hektar Wiese seien zu pflegen. Bürgermeister Johann Keller wetterte gegen die Agrarpolitik. Sie würde in keiner Weise die besonderen Bedingungen der Milcherzeugung im Schwarzwald berücksichtigen. Wenn nur Betriebe überleben, die Milch günstig in Massen produzieren, so seien die ProduzentInnen in den Bergen chancenlos. "Die Politik sollte bedenken: Wenn ein Betrieb 1000 Kühe hat und das Futter zukauft, dann handelt es sich nicht mehr um einen landwirtschaftlichen, sondern um einen Gewerbebetrieb", erklärte er. Die Politik subventioniere die Landwirtschaft mit Milliarden Euro im zweistelligen Bereich, doch dort, wo es nötig gebraucht werde, komme das Geld nicht an. Die MilcherzeugerInnen im Schwarzwald benötigten nicht nur angemessene Milchpreise, mit denen sie ihre Existenz sichern können, sondern auch Subventionen, die alle Nachteile der Topografie berücksichtigen. Da ticke eine Zeitbombe, meint Keller.

Ein Gemeinderat von Bad Peterstal-Griesbach forderte dazu auf, als Gemeinde "Flagge zu zeigen". Das Gremium befürwortete seinen Vorschlag, daß Gemeinderäte die Milcherzeuger bei ihrer nächsten Protestaktion begleiten. Nun soll auch für rund 600 Euro eine Kuh-Statue "zum Zeichen der Solidarität" vom Gemeinderat finanziert und am Ortseingang von Bad Peterstal aufgestellt werden. Sie war bereits einmal im Gespräch, fiel aber bei den vergangenen Haushaltsberatungen durchs Finanzloch. Weiter wird vorgeschlagen, daß die Gemeinde einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel schreiben solle, in dem sie sich klar hinter die Forderungen der Milcherzeuger stellt und die Problematik deutlich macht. Selbst aus der örtlichen "CD"U kommt Zustimmung - es kostet ja nichts.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe unsere Artikel zum Thema:

      Milchlieferstreik auch in Deutschland
      Gemeinsame Aktion auf der Kehler Europabrücke (20.09.09)

      Milchlieferstreik europaweit
      Auch deutsche MilchbäuerInnen wollen sich beteiligen (11.09.09)

      Die kleinen Bauernhöfe werden zerstört
      Immer mehr MilchbäuerInnen müssen aufgeben (25.08.09)

      Aufstand der Kleinen
      Mit Kuhglocken gegen Sonnleitner (11.06.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      Erfolg für Greenpeace
      Patent auf Sonnenblumen widerrufen (7.05.09)

      Ausbeutung durch die Industrie-Nationen
      und Ausbeutung durch die Oberschicht im eigenen Land
      Eine Nahaufnahme aus Burkina Faso (11.03.09)

      Bienensterben: Bayer-Insektizid
      Clothianidin bleibt verboten (10.02.09)

      Bienentod im Maisfeld
      Guttationswasser gefährlicher als Beizmittel-Staub (5.02.09)

      Öko-Landbau in Deutschland weiterhin gebremst
      Einseitig Subventionen für Agro-Gentechnik und Agro-Chemie
      (29.01.09)

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Info-Serie Atomenergie - Folge 3

      Steigende Pestizidbelastung
      bei konventionellem Obst und Gemüse
      Politik fördert weiterhin einseitig agro-industrielle Landwirtschaft
      (24.07.08)

      Biolandwirtschaft in Deutschland weiterhin gebremst
      Eine nachhaltige Perspektive für Klima- und Wasserschutz (15.07.08)

      Greenpeace prangert Chemie-Konzerne an
      Umweltgefahren durch Pestizide (16.06.08)

      Milchlieferstreik
      und gesellschaftliche Perspektive (9.06.08)

      Polizeieinsatz gegen Milchlieferstreik
      Große Sympathie der Bevölkerung für verzweifelte Aktionen (2.06.08)

      Milchlieferstreik
      MilchbäuerInnen kämpfen um ihre Existenz (27.05.08)

      Umweltverbrechen Mais-Anbau
      Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)

      Bio-Mandarinen deutliche besser
      Pestizid-Cocktail auf "normalen" Mandarinen (25.11.07)

      Skandal erschüttert Bio-Branche
      Krebserreger in Bitterschokolade von 'Rapunzel' (22.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      20.000 Milchbäuerinnen und -bauern
      demonstrieren für faire Preise (9.05.07)

      Bio-Lebensmittel - gebremst und bekämpft (9.03.07)

      Straßenverkehr subventioniert
      Bahnverkehr stranguliert (15.07.06)

      Das Sterben der kleinen Bioläden
      Die Geschichte von Tante Emma und den Supermärkten
      wiederholt sich (30.09.05)

      Öko-Landwirtschaft - von "Rot-Grün" verraten
      und von "Schwarz-Gelb" bekämpft (10.06.05)

      Müsli ist in
      (26.05.05)

      Schmetterlinge in Deutschland
      80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)

      Öko-Landwirtschaft
      in Deutschland ausgebremst (25.02.05)

      Maiswurzelbohrer
      Drei Länder, drei Lösungsansätze, ein EU-Problem (24.08.04)

      Paprika mit Pestiziden
      Greenpeace enthüllt fortlaufendes Versagen von Künast (2.07.04)

      Kartoffelchips mit Acrylamid
      Billigere sind oft weniger gefährlich (28.06.04)

      Auch bei Öko-Essen und Öko-Strom:
      Nur Lippenbekenntnisse (25.01.04)

      Agrar-Wende
      Nichts als heiße Luft (24.01.04)

      Bio-Landbau wächst (24.11.03)

      Pestizidfreies Essen zumindest für Kinder:
      Obst- und Gemüse aus dem Bio-Laden (21.09.03)

      Verschämt verschwiegen:
      Die Subventionen für Atomenergie, Autoverkehr,... (16.09.03)

      Bio-Milch
      geht den Bach runter (8.09.03)

      Pestizid-Fraß im Supermarkt
      Greenpeace empfiehlt Obst und Gemüse aus dem Bio-Laden
      (26.08.03)

      'Monitor': Krieg um Gen-Food
      Aus für Bio-Bauern? (11.07.03)

      Den Parlamentariern aufs Maul geschaut
      Bio im Bundestagsrestaurant? (29.07.02)

 

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