28.05.2009

Illegaler Ausbau
unter Gorleben

1,5 Milliarden Euro bereits für Ausbau als "Endlager" investiert

Die "Erkundung" des Salzstocks unter Gorleben diente offenbar bereits seit Mitte der 1980er Jahre dazu, dort illegal den Ausbau zum Endlager für hochradioaktiven Müll voranzutreiben. Dies geht aus einem internen Schriftstück des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) hervor, über das die 'Frankfurter Rundschau' in ihrer heutigen Ausgabe berichtet.

Nach den Erkenntnissen des BfS wurde der Ausbau des Salzstocks zum Endlager begonnen, obwohl kein Planfeststellungsbeschluß vorliegt, der eine Eignung des Salzstock zuvor bestätigen müßte. Eine Aussage über die Eignung des Salzstocks kann es laut BfS frühestens in 15 Jahren geben - und dies heißt im Klartext: Mit dem Wissen der "schwarz-gelben" (bis 1998), der "rot-grünen" (von 1998 bis 2005) und der "schwarz-roten" Bundesregierung (ab 2005) wurde hier illegal gehandelt. Darüber hinaus heißt es in dem internen Schriftstück: "In Gorleben lagen die bisherigen Erkundungskosten außerordentlich hoch, was jedoch darin begründet liegt, daß hier parallel zur Erkundung bereits der Ausbau zum Endlager begonnen wurde."

"Die Erkundungslüge ist aufgeflogen", stellt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg in einer heute veröffentlichten Medienmitteilung fest. Endlich komme ans Licht, daß nach Abschluß der Tiefbohrungen Mitte der 1980er Jahre der Bau des Endlagers begonnen wurde, und zwar unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Errichtung eines Endlagers ohne Eignungsaussage und ohne Planfeststellungsbeschluß sei rechtswidrig. Für Freitag riefen die Bürgerinitiative sowie die Bäuerliche Notgemeinschaft zu einer Protestkundgebung am Gorlebener Bergwerk auf.

Ein BfS-Sprecher wollte den Bericht der Frankfurter Rundschau nicht bestätigen. Er räumte aber ein, daß die bislang in Gorleben angefallenen Kosten höher seien, als es allein für eine "Erkundung" im Rahmen eines Standortauswahlverfahrens notwendig gewesen wäre. Die bisher aufgelaufenen 1,5 Milliarden Euro wurden von der deutschen Atom-Mafia in den vergangenen Jahren dreist als Argument eingesetzt, eine "weitere Endlagersuche" sei nicht tragbar.

Unterdessen wurden Vorwürfe gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel laut, sie habe in ihrer Amtszeit als Bundes-"Umwelt"-Ministerin unter Helmut Kohl die Risiken bei der Einlagerung von Atommüll ignoriert. Das TV-Magazin 'Kontraste' berichtete, WissenschaftlerInnen hätten 1996 das damals von Angela Merkel geführte Bundesumweltministerium ausdrücklich vor der unterirdischen Lagerung von Atommüll und einer daraus resultierenden radioaktiven Verseuchung des Grundwassers gewarnt. Merkel habe die Öffentlichkeit damals nicht über diese Bedenken informiert, sondern angeordnet, "weiterhin kostengünstig Atommüll aus Westreaktoren ins Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt zu verkippen", hieß es. Merkel wollte auf Nachfrage von 'Kontraste' zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.

Der Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Florian Emrich, sagte, die unterirdischen Anlagen in Gorleben seien "für den Fall der nachgewiesenen Eignung im Hinblick auf ihre spätere Nutzbarkeit beziehungsweise Ausbaufähigkeit für das geplante Endlager ausgelegt worden". Dies betreffe insbesondere die beiden Schächte, die Größe der Salzhalde sowie die Größe der Außenanlage und der Gebäude. Die Ausbaumaßnahmen seien bergrechtlich genehmigt und vom Bundesverwaltungsgericht für zulässig erklärt worden, so Emrich.

Auch der derzeitige Bundes-"Umwelt"-Minister Sigmar Gabriel hatte die bisherige Sprachregelung, in Gorleben werde nur erkundet, vehement verteidigt. Auch die seit Jahren vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, daß der Gorlebener Salzstock nicht als Endlager für hochradioaktiven Müll geeignet ist, nahm Gabriel nicht zur Kenntnis. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre wurde von WissenschaftlerInnen festgestellt, daß das Deckgebirge des Gorlebener Salzstocks instabil ist. So liegt die "Gorlebener Rinne", eine bis zu 320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die mit grundwasserführendem Gestein gefüllt ist, genau über dem tektonisch nach oben aufgewölbten Hut des Salzstocks.

Obwohl mit dem fortgesetzten Skandal um das sogenannte Versuchs-Endlager Asse II die Endlager-Problematik immer stärker ins öffentliche Bewußtsein gedrungen ist, versucht Gabriel weiterhin lediglich Zeit zu schinden. In den vergangenen Tagen versuchte er zu diesem Zweck, die Schweizer "Endlagersuche" als vorbildlich für Deutschland darzustellen, obwohl auch in der Schweiz allein aus politischen Gründen und ohne Rücksicht auf physikalische und geologische Gegebenheiten eine Festlegung auf den Standort Benken in unmittelbarer Nähe der deutschen Grenze längst erfolgt ist.

All dies paßt auch mit der Berichterstattung der Mainstream-Medien zusammen, die über Jahre hin zu suggerieren versuchten, der nach Gorleben transportierte Atommüll werde bereits in ein fertiges unterirdisches Endlager gebracht - und nicht etwa in ein oberirdisches Zwischenlager in Form einer Leichtbauhalle.1

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu:

      Zwischenlager +++ Salz +++ Ende
      Die Legende vom Salzstock (25.11.03)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
      Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
      in den Inventar-Listen (7.05.09)

      Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
      (29.04.09)

      Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
      Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an (24.04.09)

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      US-Regierung gibt atomare Endlager-Pläne auf
      Yucca Mountain ungeeignet (9.03.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
      Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant (5.09.08)

      Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II nicht länger geleugnet
      Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
      Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)

      Verdacht auf hochradioaktiven Müll im Versuchslager Asse II
      "Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Kosten für Karlsruher "Atomsuppe" wachsen auf 2,6 Milliarden Euro
      Vorgeschmack auf das bittere Erbe der Atomenergie (16.01.08)

      Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
      Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
      (14.01.08)

      Drohende Umweltkatastrophe durch Atom-Lagerstätte Asse
      Gabriel räumt Gefahren ein (21.11.07)

      Die BI Schacht Konrad weitet den Kampf aus
      Zahlreiche Aktionen gegen Atommülldeponie (4.07.07)

      Niederlage im Kampf gegen Schacht Konrad
      Gericht gibt Atom-Mafia recht (3.04.07)

      Atomares Endlager
      Yucca Mountain gestoppt (22.07.04)

      ItalienerInnen erfolgreich -
      kein Endlager weltweit (2.12.03)

      Endlager-Wahnsinn (28.02.01)

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

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