22.07.2008

Erneut Atom-Unfall
in Frankreich

15 Menschen radioaktiv kontaminiert

Zum dritten mal in nur 14 Tagen erreicht eine Meldung über einen Atom-Unfall in Frankreich die Öffentlichkeit. Bereits am Freitag, 18. Juli, war es im AKW Saint-Alban, nur wenige Kilometer nördlich des AKW Tricastin, zu einer radioaktiven Kontamination von MitarbeiterInnen gekommen. Laut Angaben der französischen Strom-Konzerns EdF vom Montag seien an 15 MitarbeiterInnen einer Fremdfirma "leichte Spuren" einer Verstrahlung festgestellt worden.

19 französische Atomkraftwerke mit 58 Reaktoren

EdF reagierte damit erst, nachdem bereits die Lokalzeitung 'Le Dauphiné Libéré' über die radioaktive Kontamination von 15 MitarbeiterInnen berichtet hatte. Diese sei nach Wartungsarbeiten bei der Routinekontrolle festgestellt worden. Wie es zu dem Unfall in dem AKW im Südosten des Landes gekommen ist, müsse noch untersucht werden, erklärte EdF. Laut Mitteilung des Konzerns bleibe die Kontamination aber ohne gesundheitliche Konsequenzen für die Beschäftigten. Die 15 Betroffenen seien nach einer Untersuchung durch den Gesundheitsdienst des Atomkraftwerks nach Hause geschickt worden. Eine weitere Behandlung sei nicht nötig.

Nur wenige Tage nach dem Unfall auf dem Gelände des AKW Tricastin am 7. Juli, bei dem uranhaltige Flüssigkeit in zwei Flüsse gelangte und im Boden versickerte, wurde eine Panne in einer Brennelemente-Fabrik in Romans-sur-Isère bekannt. Dort war seit Jahren Uran aus einem unterirdischen Rohr ausgetreten.

Auch in den überregionalen französischen Medien wird die Pannenserie inzwischen nicht mehr als nebensächlich behandelt. So nahm heute (Dienstag) der Figaro die Meldung der Regionalzeitung auf und verschaffte ihr somit internationale Beachtung. Der französische "Umwelt"-Minister Jean-Louis Borloo kündigte an, er wolle bis zum Herbst alle französischen Atomkraftwerke überprüfen. Auch das Grundwasser soll untersucht werden.

Französische Umweltorganisationen, darunter der französische Zweig von Greenpeace, fordern von der Regierung, neben der angekündigten Untersuchung an AKW-Standorten die Einbeziehung sämtlicher Nuklear-Anlagen wie der Plutoniumfabrik La Hague (sogenannte Wiederaufarbeitungsanlage) als auch der Uranerzaufbereitungsanlage in Bessines, des Kernforschungszentrum Cadarache, des stillgelegten AKW Marcoule, der Ruine des Schnellen Brüters "Superphénix" bei Malville, der militärischen Anlagen in Valduc und der Atomabfalllagerungsstätten Centre de la Manche und in Soulaines.

Laut einer Meldung der französischen Tageszeitung 'Le Parisien' von vor wenigen Tagen wurde bereits 1998 festgestellt, daß in Tricastin 900 Kilogramm Uran aus einem lange Zeit geheim gehaltenen Erdhügel ins Grundwasser gelangt waren. In dem mehrere Meter hohen Erdhügel innerhalb der Anlage waren in den 70er Jahren 760 Tonnen uranhaltigen Atomabfalls aus Militärbeständen vergraben worden. Ein Gesetz von 2006 schreibt allerdings die Erfassung aller Orte mit Atommüll vor.

Noch vor 15 Jahren war es in Frankreich üblich, schwach- und mittelradioaktiven Müll in Bitumen oder Beton einzugießen und oberirdisch zu lagern. Auf dem Gelände des Centre de la Manche wurden Fässer mit radioaktivem Müll nur wenige Meter tief in der Erde vergraben. Das ständige Freiwerden radioaktiver Substanzen durch das Atomwaffen-Programm wurde gegenüber der französischen Bevölkerung auf Druck des Militärs geheimgehalten. Nur die Atomenergiekommission (CEA) und das Verteidigungsministerium verfügen über die Daten. Die Öffentlichkeit hat in Frankreich bis heute keinen Zugang zu Informationen, inwieweit Kontrolle über den Atommüll besteht und ob die CEA ihre eigenen Richtlinien einhält.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel

      Französische Atom-Industrie bleibt im Gespräch
      Erneute Leckage (18.07.08)

      Nach Unfall beim AKW Tricastin
      Überprüfung des Grundwassers bei französischen AKW (17.07.08)

      AKW Tricastin:
      Flüsse in Südfrankreich radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      AKW Neckarwestheim:
      Hohe Tritium-Konzentration im Neckar (23.06.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Schwerer Störfall im AKW Philippsburg I
      Reaktor heruntergefahren (6.06.08)

      Schwerer AKW-Störfall in Slowenien
      Radioaktives Kühlwasser trat aus (4.06.08)

      AKW Neckarwestheim I heruntergefahren
      Reaktordruckbehälter undicht (23.05.08)

      Minderwertiger Beton bei Bau des "Zwischenlagers"
      beim AKW Neckarwestheim? (8.05.08)

      AKW-Unfall in Spanien
      Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)

      Brand im AKW Brokdorf (14.03.2008)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      AKW Gundremmingen Block B abgeschaltet
      Weitere Indizien für illegales "AKW-Tuning" (9.01.08)

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz
      (7.12.07)

      Atomenergie in Frankreich

      Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg"

      Atom-Ausstieg selber machen!

 

neuronales Netzwerk