18.12.2009

Atomenergie verursacht Stromlücke
in Frankreich

In Frankreich muß nun auch der Netzbetreiber RTE, ein Tochterunternehmen des französischen Strom-Konzerns EdF, vor der Stromlücke warnen: Vor allem in der Bretagne sei die Gefahr von Stromausfällen "real und unmittelbar". In dieser Provinz im Nordwesten gilt seit Dienstag "Alarmstufe Rot". Auch im gesamten Westen Frankreichs und in den südlichen Regionen Provence, Alpes und Côte d'Azur sei die Versorgungslage besonders "angespannt".

Landesweit sind derzeit elf von 58 Atomreaktoren außer Betrieb, weshalb weniger Strom produziert wird als in den vergangenen Wintern. Nur eine Leistung von 53.000 Megawatt von insgesamt 63.260 Megawatt ist derzeit verfügbar. Frankreich bezieht rund vier Fünftel seines Stroms aus Atomkraftwerken. Da während des Hype in den späten 1970er Jahren zusammen mit dem Aufbau des "Atomenergie-Parks" aus 19 Atomkraftwerken mit insgesamt 58 Reaktoren die energetisch unsinnige Heizung von Eigenheimen mit Strom in Frankreich forciert wurde, steht die Raumheizung in vielen französischen Wohnungen nun kurz vor dem Kollaps. Fast ein Drittel der französischen Haushalte - rund sieben Millionen - heizt mit Strom.

19 französische Atomkraftwerke mit 58 Reaktoren

Bereits Anfang November war die nun eingetretene Situation absehbar, als 18 der 58 Reaktoren in Frankreich wegen Pannen oder Wartungs-Arbeiten abgeschaltet waren. (Siehe unseren Artikel v. 3.11.09) Die Haushalte in der Bretagne wurden ermahnt, den Stromverbrauch vor allem morgens und abends zwischen 17 und 20 Uhr einzuschränken. Und um nicht im Dunkeln zu sitzen, mußte Europas Nation mit dem höchsten Anteil von Atomstrom (rund 80 Prozent) nun Strom aus den Nachbarländern importieren. Doch wegen des nur schwach ausgebauten europäischen Verbundnetzes und der besonderen Belastung von Überlandleitungen bei Schneefällen, drohen Stromausfälle großen Ausmaßes. Seit in Frankreich die Temperaturen um fünf, sechs Grad unter das saisonale Mittel gerutscht sind, kann die EdF nicht mehr rund um die Uhr die Versorgung des Landes garantieren. Gerade in den Abendstunden nach 19 Uhr, wenn neben der Elektro-Heizung auch TV und Elektro-Herde angeschaltet werden, befürchten die Fachleute in den Schaltzentralen, daß die Netze zusammenbrechen. Die Manager der rund 100.000 Kilometer langen Überlandleitungen befürchten gar einen Blackout, wie ihn zuletzt Brasilien in der Nacht vom 10. auf 11. November erlitten hat.

Frankreich benötigt derzeit Strom aus dem Ausland. Am Montag mußte bereits eine Leistung von 4.400 Megawatt abgerufen werden, was der von vier Atomkraftwerken entspricht. Am Dienstag wurden 5.100 Megawatt benötigt, was bereits knapp die Belastbarkeitsgrenze der Verbindungsleitungen austestete. Jedes weitere Minusgrad in Frankreich macht sich nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit einer Erhöhung der Nachfrage um 2.100 Megawatt bemerkbar.

Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde in Deutschland vor einem Atomausstieg gewarnt, da dieser dazu führe, daß dann "die Lichter ausgehen". In Italien, das 1987 real einen Atomausstieg vollzog, wurde vor diesem Schritt ebenfalls dieselbe Drohung ausgestoßen und drastische Erhöhungen des Strompreises prophezeit. Drastische Strompreiserhöhungen waren allerdings in Deutschland in den vergangenen neun Jahren seit dem verkündeten "rot-grünen" Atomausstieg zu verzeichnen, obwohl nur zwei von 19 Atomkraftwerken abgeschaltet wurden. Doch nicht nur im Winter droht in Frankreich die Stromlücke. Bereits im Sommer mußte Frankreich - wie auch in heißen Jahren zuvor - Strom aus anderen Ländern importieren, weil aufgeheizte Flüsse die Atomreaktoren nicht mehr ausreichend kühlen konnten. Die überalterten maroden französischen Atomkraftwerke werden in den kommenden Jahren in zunehmendem Maße zu Problemen führen.

Zum Wochenende sollen die Temperaturen auch in Frankreich weiter sinken, mit weiteren Schneefällen wird gerechnet. In Rennes, Hauptstadt der Bretagne und nach der Bevölkerung zehntgrößte Stadt Frankreichs, wurde vorsorglich nun die städtische Weihnachtsbeleuchtung ausgeknipst. So hat die atomare Stromlücke zumindest schon mal eine sinnvolle Konsequenz.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Notabschaltung im französischen AKW Cruas
      Hauptkühlsystem verstopft (2.12.09)

      Streit um die neue Atomkraftwerks-Linie EPR in Frankreich
      Sicherheitsbehörden kritisieren elektronisches Steuerungs-System
      (3.11.09)

      AKW Fessenheim undicht
      13.000 Liter Diesel-Öl versickerten im Boden (29.10.09)

      Unverantwortlicher Umgang mit dem hochgiftigen
      Bombenstoff Plutonium (15.10.09)

      EU: Siemens an Kartell beteiligt
      Straffreiheit wegen Kooperation (7.10.09)

      Demo gegen Atomkraft mit 10.000 TeilnehmerInnen in Colmar
      Massive Behinderungen durch Polizei (4.10.09)

      Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?
      Areva droht mit Baustop (1.09.09)

      AKW-Laufzeitverlängerung in Spanien
      "Sozialistischer" Regierungs-Chef Zapatero
      bricht Wahl-Versprechen (3.07.09)

      Der Rhein wird aufgeheizt
      AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)

      Terrorziel Atomkraftwerk
      TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht (17.06.09)

      Erdbeben der Stärke 4,5 bei Steinen
      AKW Fessenheim nach wie vor unsicher (5.05.09)

      EURATOM,
      Milliarden-Subventionen und die Bombe (22.04.09)

      IAEA: AKW Fessenheim
      entspricht nicht internationalen Standards (8.04.09)

      Greenpeace in Frankreich bespitzelt
      Kam der Auftrag von EdF? (1.04.09)

      AKW Fessenheim undicht
      Reaktor seit Samstag abgeschaltet (6.03.09)

      Weltwirtschaftskrise trifft Energie-Konzerne
      Keine Investitionen für AKW-Neubauten (4.02.09)

      Siemens steigt bei Areva aus
      Ist das Atomkraftwerk-Modell EPR am Ende? (27.01.09)

      Renaissance der Atomenergie?
      Wo in aller Welt? (7.01.09)

      AKW Fessenheim für weitere Jahrzehnte?
      Versprecher oder Insider-Wissen? (4.12.08)

      EdF schluckt British Energy
      Wirtschaftliche Konzentration nimmt zu (24.09.08)

      Prestigeobjekt als Rohrkrepierer
      Fortlaufende Pannen beim Bau
      des neuen EPR-Atomkraftwerks in Flamanville (27.08.08)

      Erneut Atom-Unfall in Frankreich
      100 Menschen radioaktiv kontaminiert (24.07.08)

      Erneut Atom-Unfall in Frankreich
      15 Menschen radioaktiv kontaminiert (22.07.08)

      Französische Atom-Industrie bleibt im Gespräch
      Erneute Leckage (18.07.08)

      Nach Unfall beim AKW Tricastin
      Überprüfung des Grundwassers bei französischen AKW (17.07.08)

      AKW Tricastin:
      Flüsse in Südfrankreich radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      AKW-Unfall in Spanien
      Greenpeace ortet Radioaktivität bei Tarragona (8.04.08)

      1,5 Milliarden Zusatzkosten beim EPR-Atomkraftwerk
      Siemens blamiert sich mit "Vorzeige-Kraftwerk" Olkiluoto (30.03.08)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      Atom-Ausstieg selber machen!

      Der deutsche "Atom-Ausstieg"
      Folge 2 der Info-Serie Atomenergie

      Atomenergie in Frankreich
      Folge 11 der Info-Serie Atomenergie

 

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