7.09.10

Stuttgart 21
Polizei beendet Baumbesetzung
"S"PD plötzlich für Volksentscheid

historischer Stuttgarter Hauptbahnhof Mit einer nächtlichen, überfallartigen Aktion hat die Polizei eine Baumbesetzung im vom Mega-Projekt "Stuttgart 21" bedrohten Schloßgarten beendet. Das in einer alten Plantane errichtete Baumhaus wurde brachial zertrümmert. Zugleich bröckelt die Front der Projekt-BefürworterInnen. In der "S"PD fordern prominente Mitglieder nun plötzlichen einen Volksentscheid über "Stuttgart 21".

Eine Hundertschaft Polizei stürmte gegen Mitternacht den Schloßgarten in Stuttgart. Unter lautstarken Protesten arbeiteten die PolizistInnen bis in die Morgenstunden daran, den besetzten Baum zu räumen und das Baumhaus zu zerstören. Das Baumhaus war - neben der Mahnwache am Nordflügel des historischen Hauptbahnhofs - als weitere Anlaufstelle und Informationspunkt der GegnerInnen von "Stuttgart 21" am vergangenen Freitag errichtet worden. Die besetzte Platane und weitere rund 300 Bäume im Schloßgarten sollen dem - laut unabhängigen Schätzungen rund 11 Milliarden Euro teuren - Prestige-Projekt zum Opfer fallen.

Vergeblich hatten rund 30 Menschen, die in der vergangenen Nacht unter der alten Plantane saßen, versucht, sich schützend um den Stamm des Baum zu stellen. Die Polizei räumte sie beiseite und stellte Absperrgitter auf. Mit einem großen Kran fuhr sie an den Baum heran. SEK-BeamtInnen holten die vier KletterInnen aus dem Baum. Ihre Personalien wurden festgestellt und sie bekamen Platzverweise. Mit einer Kettensäge sägten SEK-BeamtInnen anschließend den Boden des Baumhauses durch. Sie rissen das Haus auseinander, Teile des Holzes flogen durch die Gegend. Die SEK-BeamtInnen gingen dabei unprofessionell vor und gefährdeten sich selbst sowie die KletterInnen. Unterdessen strömten mitten in der Nacht immer mehr Menschen aus Solidarität mit den BaumbesetzerInnen an den Ort des Geschehens. Sie unterstützten die KletterInnen lautstark und friedlich und applaudierten, als die vier im Korb des Polizei-Hubsteigers zu Boden gelassen wurden.

"Mit diesem unnötigen Einsatz soll der Protest gegen Stuttgart 21 augenscheinlich eingedämmt werden. Doch diese Maßnahme ist nichts weiter als die konsequente Weiterführung der Eskalationsstrategie von Mappus, Schuster und Grube", so Kei Andrews von der Umweltschutz-Organisation 'Robin Wood'. "Mit diesem Vorgehen werden sie nur noch mehr Menschen gegen sich aufbringen."

Die Polizei begründete ihren Einsatz damit, die BaumbesetzerInnen hätten gegen die Grünflächenverordnung verstoßen.

Ohne Polizei geht nichts mehr: Um zu verhindern, daß DemonstrantInnen den Bauplatz besetzen, bewacht die Polizei den Bauzaun Tag und Nacht. Es hat sich herumgesprochen, daß badische VeteranInnen von der Platzbesetzung 1975 gegen das geplante AKW Wyhl ihren schwäbischen FreundInnen Tipps geben, wie eine solche Platzbesetzung erfolgreich organisiert werden kann.

Derweil bröckelt der Rückhalt für das Mega-Projekt. Prominente "S"PD-Mitglieder melden sich öffentlich zu Wort und fordern nun plötzlich einen Volksentscheid über "Stuttgart 21". Erhard Eppler, ehemalige Entwicklungshilfe-Minister unter Helmut Schmidt, der frühere baden-württembergische Vize-Ministerpräsident Dieter Spöri und der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ernst-Ulrich von Weizsäcker gingen mit einem Appell "Die Spaltung überwinden" an die Öffentlichkeit. Wenn die Gespräche von GegnerInnen und BefürworterInnen von "Stuttgart 21" nicht zu einer Befriedung führten, sollten die BürgerInnen Baden-Württembergs selbst entscheiden, heißt es darin.

Auch der "schwarze" Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, der entgegen seinen Wahl-Versprechen den 2007 durch ein Bürgerbegehren auf den Weg gebrachten Volksentscheid abgeblockt hatte, erklärte nun, er sei überzeugt, daß die BürgerInnen in einer Volksbefragung mehrheitlich für das Projekt stimmen würden.

Bei einer Meinungsumfrage sprachen sich vor wenigen Tage 51 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg gegen "Stuttgart 21" aus. Laut Forsa lehnt in Stuttgart sogar eine Zweidrittel-Mehrheit das Mega-Projekt ab.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Stuttgart 21
      Spaltungsversuch der Pseudo-Grünen gescheitert (6.09.10)

      60.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
      Baumbesetzung im Schloßgarten (3.09.10)

      Forsa-Umfrage: Absolute Mehrheit gegen Stuttgart 21
      Pseudo-Grüne versuchen Widerstand zu spalten
      865 Millionen Euro neue Kosten für Ba-Wü (2.09.10)

      Stuttgart 21 - 40.000 protestieren
      Erster Durchbruch am Bauzaun gescheitert (27.08.10)

      Stuttgart 21 - Abriß begonnen
      Hilft nur noch Bauplatzbesetzung? (25.08.10)

      30.000 protestieren:
      "Stoppt Stuttgart 21" (21.08.10)

      Millionen-Schmiergeld für Stuttgart 21?
      'spiegel' berichtet über heimlichen Deal (16.08.10)

      21.000 bei Menschenkette
      gegen Stuttgart 21 (14.08.10)

      Studie des Umweltbundesamtes
      Stuttgart 21 provoziert Nadelöhr (12.08.10)

      Immer mehr Menschen protestieren
      16.000 gegen Stuttgart 21 (7.08.10)

      Wachsender Protest gegen "Stuttgart 21"
      Tausende legen Verkehr lahm (2.08.10)

      Protestival der Parkschützer
      Zehntausende gegen "Stuttgart 21" (10.07.10)

      'stern' veröffentlicht geheime Studie
      zu "Stuttgart 21" / Steilvorlage für GegnerInnen (8.07.10)

      Europäische Nachbarn bauen Eisenbahn aus
      In Deutschland wird das Schienennetz abgebaut (29.04.10)

      Verkehrssicherheit
      Bahn weit vor Konkurrenten (30.03.10)

      'Robin-Wood'-Aktion gegen "Stuttgart 21"
      "Stuttgart verscherzt es sich - Zug um Zug" (2.02.10)

      Investitionen in Schienenverkehr:
      BRD ist ganz hinten in der EU (21.01.10)

      Bahn-Privatisierung abgesetzt
      Weltwirtschaftskrise rettet Deutsche Bahn (4.03.09)

      Aus für Transrapid
      Erfolg für Umwelt und Klima (27.03.08)

      38.000 Unterschriften
      gegen Transrapid München (21.12.07)

      Stuttgart 21
      Unerwartet starke Beteiligung am Bürgerbegehren (14.11.07)

 

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