15.07.2009

Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund
radioaktiver Lauge

Im einsturtzgefährdeten "Versuchs-Endlager" Asse II bei Wolfenbüttel ist jetzt erneut radioaktiv belastete Lauge entdeckt worden. Das teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter am Dienstagabend mit. BfS-Präsident Wolfram König schlägt angesichts der Zustände in Asse II Alarm: Täglich dringe Grundwasser in das ehemalige Bergwerk ein und es sei nicht klar, wie lange die Sicherheit noch gewährleistet sei. Ziel müsse nun eine geordnete Schließung des Lagers sein.

Morsleben, Schacht Konrad, Asse II und Gorleben

Eine Ansammlung von radioaktiver Lauge war an der tiefsten Stelle des Schachtes 2 in 950 Meter Tiefe bei einem Kontrollgang entdeckt worden. Eine weitere Stelle wurde auf der 925-Meter-Sohle gefunden. In den Lösungen wurden nach offiziellen Angaben eine Belastung durch Cäsium-137 in Höhe von 121 Becquerel pro Liter festgestellt und eine Belastung durch Tritium in Höhe von 27.000 Becquerel pro Liter. Laut BfS ist die Lauge vermutlich aus verfüllten Hohlräumen ausgetreten, weil in dem instabilen ehemaligen Bergwerk durch den Gebrigsdruck Hohlräume zusammengepreßt worden sind. Das BfS kündigte an, die tiefsten Stellen des Bergwerks nunmehr täglich zu kontrollieren.

Aus der Sicht des BfS hätte der schwach- und mittelradioaktive Abfall nie in der Grube gelagert werden dürfen. Indizien deuten allerdings darauf hin, daß auch hochradioaktiver Müll in dem als "Forschungs-Anlage" deklarierten ehemaligen Bergwerk abgeladen wurde. Zwischen Juli 2008 und April 2009 war bereits scheibchenweise publik geworden, daß illegal auch Pestizide, Tierkadaver und hochgiftige Schwermetalle wie Arsen, Quecksilber und Blei eingelagert worden waren. Ebenfalls illegal war radioaktiv belastete Lauge in tiefere Bereiche des Bergwerks gepumpt worden.

Vermutlich kommt die jetzt entdeckte, radioaktiv belastete Lauge aus einem benachbarten Hohlraum auf der 950-Meter-Sohle. Dorthin hatte der frühere Asse-Betreiber von 2005 bis 2008 ohne Genehmigung mit Cäsium-137 kontaminierte Lauge gepumpt, die sich weiter oben im Bergwerk angesammelt hatte. Die Grenzwerte waren in dieser Lösung deutlich überschritten. Das BfS leitete Schutzvorkehrungen ein und sperrte die betroffenen Zonen in Asse II ab.

Unterdessen kann das BfS mit Arbeiten zur Stabilisierung des einsturzgefährdeten Atommülllagers beginnen. Das Landes-"Umwelt"-Ministerium in Hannover genehmigte am Mittwoch, Hohlräume in Abbaukammern mit Salzbeton zu verfüllen. Damit solle die Stabilität der Grube verbessert werden. Die Genehmigung betrifft Bereiche im südlichen Teil des Bergwerks. Dort befinden sich keine Einlagerungskammern für Atommüll. Nach Angaben des Landes-"Umwelt"-Ministerium können diese Maßnahmen allerdings nur als provisorisch gelten und die Stabilität von Asse II könne auch weiterhin nicht garantiert werden.

Dem ehemaligen Betreiber, der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF), die später im Helmholtz Zentrum München aufging, konnten seit Juli 2008 etliche illegale Aktivitäten in Asse II nachgewiesen werden. Verantwortlich war Bundeswissen- schaftsministerin Annette Schavan. Zum Jahresbeginn 2009 ging die Zuständigkeit an das BfS in Salzgitter weiter, das dem Bundes-"Umwelt"-Ministerium untersteht. Nach ersten Schätzungen des Ministeriums wird die Sanierung von Asse II die SteuerzahlerInnen mehr als vier Milliarden Euro kosten.

Der energiepolitische Sprecher der Linkspartei-Fraktion im Bundestag, Hans-Kurt Hill, forderte heute die Stilllegung aller Atomanlagen in Deutschland. Die skandalösen Vorgänge im AKW Krümmel und im Salzstock Asse II zeigten die Skrupellosigkeit der Atombefürworter im Umgang mit radioaktiven Stoffen. "Asse II muß auf Kosten der Atomwirtschaft geräumt werden", fordert Hill. Bundesumweltminister Gabriel müsse endlich aufhören, immer neue Gutachten erstellen zu lassen. "Wenn er auch nur einen Funken Verantwortungsbewußtsein für die Menschen vor Ort hat, muß er jetzt handeln", erklärte Hill.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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