5.05.2009

Gegen politische Zensur
des Internets

Online-Petition gegen Internetsperre
am ersten Tag mehr als 16.000 UnterzeichnerInnen

KritikerInnen halten die Pläne der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, Internet-Seiten sperren zu lassen, für gefährlich und haben gestern eine Online-Petition an den Bundestag gestartet. Innerhalb von 24 Stunden haben bereits mehr als 16.000 Menschen die Petition unterzeichnet.

Unter dem Vorwand, Kinderpornographie bekämpfen zu wollen, hat von der Leyen fünf Internet-Provider dazu genötigt, einen Vertrag zu unterschreiben. Sie sollen den Zugang zu Internet-Seiten mit Kinderpornographie sperren - dort soll dann zukünftig ein Stop-Schild zu finden sein. Ob die gesperrten Seiten jedoch tatsächlich Kinderpornographie präsentiert haben, ist nicht nachprüfbar, da lediglich das Bundeskriminalamt (BKA) über die entsprechenden Informationen verfügt. Nun soll außerdem im Bundestag ein Gesetz verabschiedet werden, um sämtliche Internet-Provider in Deutschland zu diesem Vorgehen zu verpflichten.

Laut Gesetzentwurf soll das BKA Internet-Seiten mit Kinderpornographie auf einer nicht öffentlich zugänglichen schwarzen Liste setzen. Entsprechend dieser täglich zu aktualisierenden Vorgabe müssen daraufhin die Internet-Provider die Seiten sperren. Bundesfamilienministerin von der Leyen behauptet, damit einen Großteil der Zugriffe auf kinderpornograpgische Inhalte verhindern zu können. KritikerInnen halten die Sperren für nutzlos und sehen darin ein Instrument zur Zensur. Das Internet ist für viele JournalistInnen eine der letzten Möglichkeiten, Informationen zu verbreiten, die von den Mainstream-Medien unterschlagen werden.

"Es ist das vornehmliche Ziel, Kinder zu schützen und sowohl Missbrauch als auch die Verbreitung von Kinderpornographie zu verhindern. Dies ist in unser aller Interesse", so die Hauptpetentin Franziska Heine. "Die geplanten Sperrmaßnahmen sind nach Aussage von Experten nicht dazu geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Sie errichten aber eine gefährliche Internet-Zensurinfrastruktur." Da die vom BKA erstellten schwarzen Listen geheim bleiben sollen und so keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, wäre so der Weg frei zur Einführung einer politischen Zensur des Internets. KritikerInnen befürchten, daß das Thema Kinderpornographie nur vorgeschoben ist und als Türöffner zur Zensur dienen soll.

Da die meisten Inhalte zu Kindesmißbrauch aus westlichen Ländern einschließlich Deutschland verbreitet würden, "wäre es einfacher und effektiver, die Inhalte an der Quelle zu entfernen", erklärt Franziska Heine. Christian Bahls von MOGIS (Mißbrauchsopfer gegen Internetsperren) weist darauf hin, daß 1.500 Adressen, die zu Servern in den USA, den Niederlanden, Kanada und Deutschland führen, nicht geschlossen würden. Damit wäre 90 Prozent der weltweit mit einem Browser erreichbaren Kinderpornographie nicht mehr verfügbar, erklärte er.

Bis zum 16. Juni kann die Petition online unterzeichnet werden. Hierzu ist eine kostenlose Registrierung auf der Internetseite des Bundestags nötig. Unterstützen mindestens 50.000 Menschen die Eingabe, muß sich der Petitionsausschuß des Bundestages damit in einer öffentlichen Sitzung beschäftigen.

Der Text der Petition lautet

Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die "Sperrlisten" weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.

Begründung

Das vornehmliche Ziel - Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage - im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.

...und findet sich hier:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Mit Stop-Schild gegen Kinderpornos?
      Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur gegründet (17.04.09)

      Aufstehn für ein freies Internet
      CCC will "Zensursula" besuchen (16.04.09)

      Easterhegg des CCC in Hamburg
      Ein Treffen nicht nur für Computerfreaks (13.04.09)

      wikileaks.de gesperrt
      Beginn der Internet-Zensur in Deutschland? (11.04.09)

      Greenpeace in Frankreich bespitzelt
      Kam der Auftrag von EdF? (1.04.09)

      Hausdurchsuchung bei Inhaber der Domain wikileaks.de
      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      als Vorwand für politische Zensur (25.03.09)

      Ohne V-Leute würde NPD zusammenbrechen
      Baden-Württembergs Innenminister Rech plaudert (8.03.09)

      Bundesverfassungsgericht stoppt Wahl-Computer
      Die Manipulierbarkeit von elektronischen Speichersystemen,
      'Wikipedia' und Internet-Umfragen (3.03.09)

      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      zielt auf Zensur des Internets
      Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld
      für freie linke Nachrichten (1.02.09)

      Schweizer Atomwaffen-Skandal
      Zehn Millionen Dollar von der CIA
      Regierungs-Akten beseitigt (26.08.08)

      Neues "Verbraucherinformationsgesetz"
      ist eine Farce (29.07.08)

      "Ausforschungs-Paragraphen"
      Bundestags-Abgeordnete Ulla Jelpke fordert Streichung (24.07.08)

      ELENA - Eine gigantische Datenbank
      soll Angaben von 40 Millionen Beschäftigten umfassen (26.06.2008)

      ARD-Magazin 'Report':
      Meldedaten im Internet frei zugänglich (23.06.2008)

      Telekom schnüffelte in Eigenregie
      Staatsanwaltschaft ermittelt (24.05.2008)

      Big Brother hört mit
      Zahl der Abhör-Aktionen nimmt weiter zu (20.05.2008)

      Bundesverfassungsgericht präsentiert größte
      Mogelpackung aller Zeiten: Das virtuelle Grundrecht (28.02.2008)

      Bald alle Deutsche in "Superdatei" erfaßt?
      Datenschutzbeauftragter kritisiert Pläne für Bundesmelderegister
      (12.02.08)

      30.000 klagen gegen Vorratsdatenspeicherung
      Sensibilität wächst wie zu Zeiten des Volkszählungsboykotts 1987
      (2.01.08)

      Datenschutz - mehr Löcher als Käse
      BKA speichert IP-Adressen (27.11.07)

      15.000 in Berlin gegen Stasi 2.0 (23.09.07)

      Wie die Bundeswehr ihre Daten schützt
      Daten über "rot-grüne" Kriegseinsätze vernichtet (25.06.07)

      Frankreichs Regierung von US-Geheimdienst abgehört
      "Blackberry" mit Hintertürchen (21.06.07)

      Bundesverfassungsgericht:
      Abhören von El-Masri-Anwalt war verfassungswidrig (16.05.07)

      Staatliches Hacken privater Computer bereits seit 2005
      Im Vergleich zu Schily ist Schäuble ein Waisenknabe (25.04.07)

      Der 'spiegel' enthüllt:
      Totalüberwachung der Konten (21.11.04)

      Mabuse und Mielke im Jenseits blaß vor Neid
      Neues "rot-grünes" Telekommunikationsgesetz (26.01.04)

      "Rot-Grün" im Überwachungswahn (8.05.03)

      Stasi-Mielkes Auferstehung (23.02.01)

 

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